Vernünftiger Lohn für Pflegekräfte
"Hoffnung, dass sich etwas tut"
Vorsichtiges Aufatmen in Alten- und Pflegeheimen: Das Leben ist zurück, dennoch hat die Pandemie Spuren hinterlassen. Der Personalmangel drückt weiter auf die Stimmung. Antonius Otten fordert als Caritasratsvorsitzender eine „vernünftige, auskömmliche, gute Entlohnung“ für Pflegekräfte – damit ein Lebensabend in Würde möglich ist.
Was hat Corona in den Einrichtungen schonungslos gezeigt?
Auf jeden Fall, dass wir einen absoluten Personalmangel haben. Es ist ja schön, dass die Pflege aufgrund von Corona eine hohe Wertschätzung erhalten hat. Aber diese Wertschätzung muss letztendlich auch zur Folge haben, dass wir unseren Personalbedarf decken können und dass wir Leute haben, die die Pflege verrichten.
War es ein Klatschen oder eher eine Klatsche für die Pflege?
Durch das Klatschen ist das eine oder andere Problem zumindest ins Bewusstsein gerückt. Dass es fünf vor zwölf ist, ist an verschiedenen Stellen durchaus wahrgenommen worden. Auf politischer Ebene sind viele damit beschäftigt, dass das Problem langfristig gelöst wird. Ich habe Hoffnung, dass sich da etwas tut.
Was fordern Sie?
Ich fordere, dass die Pflegekräfte so viel Gehalt bekommen, dass sie davon leben können. Es muss mehr als der Mindestlohn sein. Die Caritas zahlt mit ihren Tariflöhnen einen guten Lohn, allerdings ist das die Ausnahme. Letztlich darf und hat eine verantwortungsvolle Arbeit (Pflege und Versorgung der Menschen in allen Lebenslagen) auch den Anspruch, verantwortungsvoll entlohnt zu werden.
Wir leben in einem Sozialstaat mit einem Generationenvertrag. Wir handeln in diesem Staat häufig nur nach marktwirtschaftlichen Aspekten. Die Generation, die uns dieses Leben ermöglicht, sollte einen Lebensabend haben dürfen, der Würde verdient. Dazu gehört für mich auch eine vernünftige, auskömmliche, gute Entlohnung der Menschen, die diese Versorgung übernehmen.
Ist die neue Pflegeausbildung ein Schritt in die richtige Richtung?
Wir haben diese gemeinsame Ausbildung in der Alten- und Krankenpflege seit einem Jahr. Wir hoffen, dass wir damit auf Dauer ein Gleichgewicht zwischen Krankenhäusern, Altenheimen und der ambulanten Pflege bekommen. Es gibt zunächst eine einjährige Grundausbildung und dann entscheidet sich das Personal fachspezifisch, wie die Ausbildung weitergeht. Die Auszubildenden lernen so alle Bereiche kennen. Wir hoffen natürlich, dass der eine oder andere Bewerber, der sich eigentlich für die Krankenpflege interessiert hat, die Altenpflege für sich neu entdeckt. Das kann umgekehrt natürlich auch passieren. Alles das fruchtet aber nur, wenn auch die Rahmenbedingungen in beiden Bereichen stimmen.
Welche Lehren ziehen Sie aus der Corona-Zeit?
Corona hat uns gezeigt, dass wir einen hohen Standard an Personal haben, das mit großem Einsatz und ganz viel Energie diese Zeit bewältigt hat. Wir müssen ganz genau hinschauen, was gewisse Maßnahmen bedeutet haben. Die Komplettschließung eines Hauses bis zum Tode hin war fatal und darf unserer Gesellschaft nicht wieder passieren. Es muss uns gelingen, bei allen Vorsichtsmaßnahmen und aller Hygiene eine Kultur des Abschiedes, der Seelsorge und des Miteinanders aufrechtzuerhalten.
Auch in der Tagespflege müssen Angebote aufrechterhalten werden. In den Heimen hatten die Menschen sich gegenseitig, es war Leben da, wir waren wie eine Familie. Die Senioren, die alleine zu Hause leben und die Tagespflege und andere Angebote nicht besuchen konnten, haben noch einmal viel deutlicher Einsamkeit erlebt.
Wie blicken Sie in den Herbst?
Mit Blick auf Corona positiv – immer in der Hoffnung, dass es uns gelingt, dass sich die Delta-Variante des Virus nicht flächendeckend ausbreitet. Ich bin hoffnungsvoll, dass viele Menschen sich impfen lassen, weil wir damit die Pandemie bewältigen können. Ich vertraue darauf, dass das seine Wirkung zeigt.
Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?
Wir möchten die Seelsorge und die Angehörigenarbeit ausbauen und sind hier im Gespräch mit Christiane van Melis, beim Bistum zuständig für die Seelsorge für Menschen im dritten und vierten Lebensalter. Corona hat uns letztlich gezeigt, wie wichtig das ist, zum Beispiel, dass Angehörige nicht vernünftig Abschied nehmen können. Es geht um Abschied, Trauerbewältigung, Begleitung und seelsorgliche Unterstützung. Wir freuen uns aber auch, dass weltliche Dinge wieder in den Vordergrund treten, dass wir Feste und Geburtstage feiern können. Unser Café ist geöffnet, es gibt Gruppenangebote und ehrenamtliches Engagement. All diese Dinge müssen wiederbelebt werden und da sind wir dabei.
Interview: Astrid Fleute
Ausführliche Berichte über die aktuelle Situation in den Alten- und Pflegeheimen sowie zur Krankenhausfinanzierung lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Kirchenboten.