Taufpastoral
"Ich bin Kirche wichtig"
Wie können wir Christen erreichen, die im Gottesdienst nicht auftauchen? Vielleicht so wie in Köln: Jede Familie, die ein Kind zur Taufe anmeldet, wird dort von einem Gemeindemitglied besucht. Und die Leute sind begeistert.
Anfangs, erzählt Marion Campmann, hätten sich einige ihrer Mitstreiter ein bisschen überwinden müssen. Kein Wunder: Sie sollten schließlich zu Familien fahren, die sie nicht kennen – und mit ihnen über die Taufe ihres Kindes sprechen. Darüber, wie sie werden soll. Und was sie der Familie bedeutet. Ganz schön persönlich, so ein Besuch.
Mittlerweile sind die Bedenken verflogen. Denn die meisten Familien reagieren nicht abweisend und pikiert, sondern offen und begeistert. Campmann berichtet: „Der große Tenor ist: Es ist toll, dass ich Kirche wichtig bin.“ Genau darauf hatten Marion Campmann, ihre Kolleginnen und Kollegen gehofft, als sie ihr Projekt vor vier Jahren begonnen haben: Sie wollten den Menschen das Gefühl vermitteln, dass sie der Kirche nicht egal sind. Und dass sie nicht nur dann zählen, wenn sie zum Gottesdienst kommen. Sie wollten Leute erreichen, die man sonntags in der Kirche nicht sieht. Sie wollten sie überraschen – auf eine positive Art.
Jede Familie, die in ihrer katholischen Gemeinde St. Hubertus und Mariä Geburt in Köln ein Kind zur Taufe anmeldet, wird von einem Mann oder einer Frau aus dem Taufbegleitungsteam besucht. Von einem ganz normalen Gemeindemitglied also. Der Besucher bringt eine Mappe mit möglichen Taufsprüchen, Bibeltexten und Liedern für den Taufgottesdienst mit. Diese Vorschläge sollen der Familie helfen zu überlegen, was davon wirklich zu ihr passt.
Später kommt die Familie dann ins Pfarrheim zu einem zweiten Gespräch. Dort wird der Ablauf des Gottesdienstes besprochen, fertiggestellt und an den Pastor weitergeleitet. Eine der beiden Frauen, die diese Gespräche führt, ist Marion Campmann. Sie sagt: „Mir bringt das Freude. Weil ich sehe, mein Glaube kann für andere wichtig sein.“ Oft spürt sie, dass sie einer Familie einen wertvollen Impuls gegeben hat, einen Gedankenanstoß, der ihr etwas bringt.
Marion Campmann und ihr Team sprechen mit den Vätern und Müttern der Täuflinge nicht nur über Abläufe und Formalitäten. Häufig erzählen die Menschen auch persönliche Geschichten. Davon, dass sie eigentlich gern mehr mit der Kirche zu tun hätten, aber dass ihre Formen ihnen nicht passen. Davon, dass sie schon irgendwie an Gott glauben und dass ihnen die Taufe wichtig ist. Aber auch davon, warum ihnen die Kirche fremd geworden ist.
Manchmal staunt Marion Campmann, wie offen die Täuflingseltern ihr begegnen. Sie spürt, wie wertvoll diese Offenheit ist – und sie ahnt, was daraus noch werden könnte. Oft hat sie den Eindruck: „Das, was ich sage, fällt wirklich auf fruchtbaren Boden.“ Ihr Team tut natürlich auch viel dafür, um den Familien die Gemeinde näherzubringen. Wenn sie bis zur Taufe Fragen haben, können sie ihren Taufbegleiter anrufen. Zur Taufe bekommen sie vom Vorbereitungsteam dann ein Geschenk: ein Holzkreuz und eine Karte mit der Aufschrift „Du bist ein Gedanke Gottes“, dazu ein paar schöne persönliche Worte.
Jedes Gespräch mit den Eltern ist ein Gewinn
Später, berichtet Marion Campmann, trifft sie ab und zu Täuflingsfamilien auf dem Spielplatz und plaudert mit ihnen. Sie und ihre Mitstreiter laden die jungen Eltern auch zu Kindergottesdiensten ein. Marion Campmann würde gern mehr machen. Sie würde die Chance, die die Taufvorbereitung durch Gemeindemitglieder bietet, gern nachhaltiger nutzen – und die jungen Familien auch nach der Taufe weiter an die Gemeinde binden. Ideen dazu hat sie genug. Sie fände etwa ein Müttercafé toll, in dem es nicht nur um den Glauben geht, sondern auch um ganz weltliche Alltagsthemen: Erziehung, Gesundheitsvorsorge, Partnerschaft. Sie würde den Müttern bei diesen Treffen gern vorleben, wie die Kirche ein Ratgeber fürs Leben sein kann. Aber für ein Projekt wie das Müttercafé, sagt sie, fehlten in ihrer Gemeinde erfahrene Kräfte, die es leiten und prägen könnten.
So steht also die Taufvorbereitung erst einmal für sich, und Marion Campmann muss damit leben, dass trotz ihrer Bemühungen der Kontakt zu vielen Familien nach der Taufe wieder abreißt. Wertvoll ist das Projekt trotzdem. 70 bis 100 Täuflingsfamilien begleiten die ehrenamtlichen Helfer pro Jahr, und jedes einzelne Gespräch mit den Müttern und Vätern empfindet Marion Campmann als Gewinn – für beide Seiten. „Man macht ja eine Arbeit, weil sie einen Sinn haben soll“, sagt sie. Diesen Sinn spürt sie immer wieder aufs Neue.
Andreas Lesch