„Wort zum Sonntag“-Sprecherin Lissy Eichert

„Ich will aufrütteln“

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Auf kreative Weise versucht die Pastoralreferentin aus Berlin-Neukölln, die Aufmerksamkeit der Fernsehzuschauer am späten Samstagabend zu wecken.

„Wort zum Sonntag“-Sprecherin Lissy Eichert
„Wort zum Sonntag“-Sprecherin Lissy Eichert

Von Sandra Röseler

Eine Rückmeldung zu einem ihrer „Worte zum Sonntag“ berührt Lissy Eichert bis heute. Ein Mann, ein trockener Alkoholiker, schrieb ihr, dass er eines Samstagabends in eine Kneipe gegangen sei, um zu trinken. Er hatte das Bier schon vor sich stehen. Doch in der Kneipe lief das „Wort zum Sonntag“. Was genau sie damals in der Sendung gesagt hat, weiß Eichert heute nicht mehr. Aber ihre Worte scheinen den Mann erreicht zu haben. „Er schrieb, er habe die Flasche stehen lassen und sich noch in der Nacht in eine Klinik eingewiesen, um sich vor einem Rückfall zu bewahren.“ Das, sagt Eichert, „war schon eine krasse Reaktion“. 

Eichert ist 55 Jahre alt, lebt in der geistlichen Gemeinschaft der Pallottiner und arbeitet als Pastoralreferentin in Berlin-Neukölln. Seit mehr als sechs Jahren spricht sie regelmäßig das „Wort zum Sonntag“ in der ARD. Insgesamt treten acht katholische und evangelische Männer und Frauen abwechselnd in der Sendung auf. Eicherts erstes „Wort“, wie sie sagt, lief im Februar 2015. 

Mit rund 1,5 Millionen Zuschauern zählt das „Wort zum Sonntag“ zu den quotenstärksten kirchlichen Sendungen. Eichert kommentiert diese Zahl mit Bescheidenheit: Ihr gehe es nicht um die Quote, sondern darum, ob das, was sie sagt, bei den Menschen ankommt. So wie bei dem Mann in der Kneipe oder der Frau, die ihre Worte an eine kranke Freundin geschickt hat, um ihr Trost zu spenden. 

Keine bessere Botschaft als die Liebe Gottes

Genau das sollten kirchliche Verkündigungssendungen im Fernsehen bewirken, findet Eichert: „die Leute aufzubauen und ihnen Mut zu machen“. Wir lebten, sagt sie, „in einer Welt, in der Menschen zunehmend die Orientierung verlieren und Halt suchen. Was haben wir da für eine bessere Botschaft als die Liebe Gottes?“ Aber sie weiß auch, dass diese Botschaft heute längst nicht mehr alle Fernsehzuschauer interessiert. Wie geht sie damit um? Wie versucht sie, auch die Menschen zu erreichen, die eigentlich nur auf den Film im Spätprogramm warten? „Die Frage stelle ich mir jedes Mal“, sagt Eichert. „Wie kriege ich das hin, dass die Leute zu einer Zeit, zu der sowieso alle müde sind, auch das hören, was ich sage?“

Sie versucht, möglichst lebensnah zu erzählen. Eichert sagt, sie wolle weder klugscheißerisch rüberkommen noch von oben nach unten über Moral predigen: „Das, was ich sage, muss lebbar sein.“ Zum Beispiel beim Thema Klimaschutz. Nicht jeder könne es sich zum Beispiel leisten, in einem Unverpacktladen einzukaufen, sagt Eichert. Sie erzählt dann lieber davon, dass sie bei der Essensausgabe für Obdachlose, bei der sie sich in ihrer Gemeinde engagiert, die Mahlzeiten in Schraubgläsern ausgeben, um Müll zu vermeiden. 

Politik muss vorkommen

Wenn Eichert sich auf ihr „Wort zum Sonntag“ vorbereitet, schaut sie sich vorher die Nachrichten an und spricht mit Leuten, um herauszufinden, welche Themen sie bewegen. Eichert, die viel mit Geflüchteten arbeitet, bringt im „Wort zum Sonntag“ gern auch mal strittige Themen wie Flüchtlingspolitik unter: „Ich will aufrütteln.“ Politik dürfe in der Sendung durchaus vorkommen – sie müsse es sogar, findet sie: „Ich kann gar nicht unpolitisch sprechen, weil das Wort Gottes immer politisch ist.“ Aktuelle Themen und Gespräche sind für die Vorbereitung das eine – „aber ich suche vor der Sendung immer auch Orientierung im Gebet“, sagt sie. „Ich versuche dann herauszufinden: Was will Gott durch mich verkündigen?“