Mutter Elisabeth von der Heiligen Eucharistie
„Ihr Lächeln erhellte uns alle“
Diese französische Briefmarke wurde 1961 zu Ehren von Mutter Elisabeth – einer Heldin des Widerstands – herausgegeben. |
Nach der Besetzung Frankreichs durch das NS-Regime 1940 und der sich anschließenden Judenverfolgung entschied Mutter Elisabeth mit Unterstützung des französischen Kardinals Pierre- Marie Gerlier (Erzbischof von Lyon), die verschiedenen Klöster ihres Ordens für Verfolgte zu öffnen. Zahlreiche Zeugnisse berichten, dass Mutter Elisabeth jüdische Frauen, Säuglinge und Kinder in ihren Einrichtungen aufgenommen und versteckt hat. Sie kümmerte sich auch um langfristige Verstecke für ältere Juden außerhalb des Klosters und wirkte an einem geheimen Hilfe-Netzwerk mit, dem Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Lyon, der jüdischen Pfadfinderinnen und andere nicht jüdische Retter angehörten. Später gab sie dem französischen Widerstand (Résistance) das Einverständnis, ihr Kloster zur Lagerung von Waffen und Munition nutzen zu dürfen.
Nach einer Denunziation wurde Mutter Elisabeth schließlich im März 1944 zusammen mit ihrer Stellvertreterin, Schwester Maria von Jesus, durch die Gestapo verhaftet und in das Gefängnis Fort Montluc bei Lyon gebracht. Bei ihrer Verhaftung übernahm sie alle Verantwortung und bat für die ihr Anvertrauten: „Meine Herren, ich bitte Sie, die Schwestern und die Kinder nicht anzurühren.“
Ablegen des Ordenskleides als schlimmster Verlust
Über mehrere Zwischenstationen in Frankreich und Deutschland wurde Mutter Elisabeth im Juli 1944 in das überfüllte Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück überführt. Nach ihrer Verhaftung wurde sie gezwungen, ihren Ordenshabit abzulegen, was sie tief getroffen hat: „Nichts Schlimmeres kann mir jetzt passieren. Man hat mir mein Ordenskleid ausgezogen.“ Im Konzentrationslager setzte sie aber durch, dass sie ein einfaches schwarzes Kleid – ähnlich ihrem Ordenshabit – tragen konnte und damit als Ordensfrau erkennbar blieb. Sie betete mit den katholischen Mitgefangenen den Rosenkranz, sammelte sie sonntags um sich und betete aus dem Gedächtnis mit ihnen die Messgebete.
Viele ehemalige Leidensgenossinnen berichteten von der außergewöhnlichen Ausstrahlung und Persönlichkeit Mutter Elisabeths, die selbst geschwächt war und im Lager unter ihrer angegriffenen Gesundheit litt: „Sie gab allen Häftlingen Zuwendung und Trost gleich welcher Überzeugung und Stellung sie waren. … Sie kam mit uns zur harten Arbeit, ermutigte uns, tröstete uns, … brachte uns, die wir noch jung waren, abends noch etwas von ihrer eigenen Suppenration. … In ihrer Nähe hatten wir das Gefühl, von aller Gefahr entfernt zu sein. Sie war so wundervoll mutig, nahm alle Demütigungen an, alle Arbeiten, alle Frondienste auch wenn sie ihre Kräfte überstiegen, mit einer außerordentlichen Ruhe und Gelassenheit. … Ihr Lächeln erhellte uns alle. … Sie war die Seele des Lagers. In dieser Welt des mörderischen Wahnsinns war sie ein Pol der Gelassenheit und Hoffnung, der liebevollen Präsenz mit ihren Gefährtinnen.“
Gegen Kriegsende war das Konzentrationslager Ravensbrück maßlos überbelegt, die Zustände unvorstellbar. Tausende Frauen starben an Entkräftung und einer Typhus-Epidemie, Tausende wurden selektiert, erschossen, vergiftet oder vergast. Im März 1945 wurde Mutter Elisabeth mit 1500 anderen Frauen in ein Außenlager in der Uckermark überführt und dort bei der Selektion wegen ihrer geschwollenen Beine dem Sonderblock zugewiesen – der letzten Station vor dem Transport in den Tod.
„Ich breche auf in den Himmel. Gebt Nachricht in Lyon …“
Am Karfreitag, dem 30. März 1945, kurz vor der Befreiung des Lagers, wurden Frauen aus diesem Sonderblock zum Appell aufgerufen – zur Auswahl für den Transport in die Gaskammer. Auf den mehrfachen Aufruf der Häftlingsnummer einer verzweifelten Familienmutter meldete sich Mutter Elisabeth statt dieser Frau. Mutter Elisabeth betrat an deren Stelle den Lastwagen in die Gaskammer und verabschiedete sich bei einer überlebenden Gefangenen mit den Worten: „Ich breche auf in den Himmel. Gebt Nachricht in Lyon …“
Im November 1945 verlieh die französische Regierung Mutter Elisabeth postum das „Croix de guerre“ mit Stern, 1961 ehrte sie die Französische Republik mit einer Briefmarke und 1979 wurde eine Straße in Lyon nach ihr benannt. An dieser Zeremonie nahmen drei französische Rabbiner teil und präsentierten eine Dankesrolle zum Gedenken an „die mutige Frau, die ihr eigenes Leben opferte, um das Leben vieler Juden zu retten“. 1991 eröffnete Kardinal Albert Decourtray in Lyon ihren Seligsprechungsprozess. 1996 ernannte die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem Mutter Elisabeth zur Gerechten unter den Völkern.
Von Ulrich Schnauder