Gebetsschule
Im Gebet weltweit vernetzt
Wäre es nicht schön, wenn jederzeit andere mitbeten könnten? In meinem eigenen Anliegen oder auch in den Anliegen der ganzen Kirche oder Welt? Immer geöffnet hat das Internet. Und es lädt tatsächlich auch zum Gebet ein.
„Heute wird mein Papa untersucht, ob er dem Krebs in den Hintern getreten hat, was ich doch sehr hoffe. Ich brauche all eure Gebete“, schreibt Laura auf der Internetseite „Click to pray“. Adeline antwortet ihr, dass sie Gott bitte, Lauras Vater mit Gesundheit zu segnen. Rino sendet das Bild einer betenden Hand. Insgesamt haben 32 Menschen für Lauras Anliegen gebetet.
Wer Laura ist und wie die Untersuchung ihres Vaters gelaufen ist, wissen diese Menschen nicht. Sie leben an verschiedenen Orten auf der Welt und treffen sich zufällig im virtuellen Gebetsraum der Internetseite. Hier teilen sie persönliche Bitten um Heilung und Kraft in Krankheit, aber auch grundsätzliche Anliegen für die Kirche oder den Frieden in umkämpften Regionen miteinander. Mit einem Klick zeigen sie: Ich habe für dich gebetet.
Die Internetseite „Click to pray“ ist nur eine von vielen digitalen Möglichkeiten zum Gebet. „So wie das Gebet eine persönliche und sehr individuelle Angelegenheit ist, so gibt es viele verschiedene Angebote und Möglichkeiten, im Internet oder über Apps auf dem Handy zu beten“, sagt Andrea Imbsweiler, Referentin für Evangelisierung und Digitalisierung an der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt.
Bei „Click to pray“ können die Nutzer ihre persönlichen Anliegen aufschreiben. Sie finden aber auch Anregungen zu den liturgischen Gebetszeiten, und die Gebetsanliegen des Papstes werden dort veröffentlicht. Damit erfüllt die Seite die Hauptanliegen von Online-Betern: Sie suchen Gemeinschaft und möchten sich online vernetzen oder brauchen eine Anleitung für ihre eigenen Gebete.
Ein leichtes Handy statt schwerer Bücher
„Das digitale Gebet ist keine Spezialform von Gebet“, sagt Imbsweiler. „Das Medium entspricht aber oft dem Lebensgefühl der Menschen. Sie kaufen online ein, lesen ihre Bücher auf einem Tablet. Da ist es für sie einfach normal, auch im Digitalen zu beten.“
Sie kennt viele Nutzer, die etwa das Stundengebet über eine App auf ihrem Handy abrufen. „Da ist ein ganz praktischer Ansatz ausschlaggebend: Das Handy habe ich immer dabei, ohne die dicken Bücher mitschleppen zu müssen“, sagt Imbsweiler.
Andere suchen, ähnlich wie Laura, gezielt die weltweite Gebetsgemeinschaft im Internet. „Die Menschen haben in ihrem Umfeld oft niemanden, an den sie sich mit der Bitte um ein Gebet wenden können. Sie trauen sich nicht zu sagen: Bete für mich!“, sagt Imbsweiler. Internetseiten, wie „Click to pray“, „Amen.de“ oder die vielen Homepages von Klöstern und Ordensgemeinschaften, auf denen Gebetsanliegen geschrieben werden können, sind für diese Menschen eine gute Alternative.
Andere finden im Internet das, was es in ihren Pfarrgemeinden nicht gibt: Das Stundengebet etwa wird selten in Kirchengemeinden gebetet. Beim Kurznachrichtendienst Twitter sammelt sich seit 2014 aber eine Fangemeinde des Stundengebets. Rund 2800 Nutzer folgen der Seite Twomplet. Der Name setzt sich aus Twitter und Komplet zusammen. Freiwillige bereiten das Gebet vor und moderieren es täglich ab 21 Uhr online. „Gerade diese zusätzlichen gemeinschaftlichen Gebete oder eine besonders gestaltete Andacht suchen die Menschen online“, sagt Imbsweiler.
Gemeinschaft im anonymen Internet? Ja, das geht, sagt Andrea Imbsweiler. Sowohl die Twomplet als auch das morgendliche Gegenstück Twaudes seien gute Beispiele dafür. „Die regelmäßigen Teilnehmer dieser Angebote verstehen sich als Gemeinschaft“, sagt Imbsweiler. Dazu gehöre auch, dass man Persönliches miteinander teile, das über das Gebet hinausgehe: „Es gibt auch die Tendenz, wenn die Menschen nicht zu weit auseinander wohnen, dass sie sich treffen möchten. Das kann der zweite Schritt sein, der sich aus so einer digitalen Gebetsgemeinschaft entwickelt.“
Imbsweiler sagt, dass 90 bis 95 Prozent der digitalen Beter mehr oder weniger christlich geprägt seien. Darunter seien auch solche Menschen, die in ihren Kirchengemeinden vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht haben, die nicht in einen klassischen Gottesdienst gehen, aber dennoch das persönliche Gebet vermissen.
Aber ist ein schneller Klick im Internet nicht zu oberflächlich, um als Gebet zu gelten? „Das muss nicht sein“, sagt Andrea Imbsweiler. Zum einen würden kleine Rituale helfen, sich nicht ablenken zu lassen. Imbsweiler, die regelmäßig die Twomplet auf Twitter mitbetet, zündet zum Beispiel dabei eine Kerze an.
Überhaupt, sagt sie, könne man das Gebet in der Kirche und das Online-Gebet nicht gegeneinander ausspielen. Wichtig sei es, die Bitte im Internet zu lesen, einen Moment in sich zu gehen oder zu sagen: Lieber Gott, kümmere dich darum, sagt Imbsweiler. „Ich muss mich nur in Kontakt mit Gott bringen. Das macht das Gebet aus.“ Dann sei es egal, ob es ein kurzer Gedanke online ist oder der Rosenkranz, der offline gebetet wird.
Kerstin Ostendorf