Unterwegs mit einem Malteser-Impfteam
Impfen als Nächstenliebe
Während Dr. Karl-Heinz Dreier impft und im Hintergrund die Schwester die nächste Spritze aufzieht, dokumentiert Anne Olbrisch vom Malteser-Impfteam die Impfungen. Fotos: Raphael Schmidt |
Der vorige Freitag hat für Beate Lemberg vor dem Sonnenaufgang begonnen. Bereits um 5.45 Uhr startet das Malteserfahrzeug Richtung Impfzentrum. Das ist an jedem Impftag derselbe Weg, egal wo es danach hingeht. Dort übernimmt das Team nicht nur den Impfstoff für den Tag, dort müssen die Mitglieder des Teams die Corona-Tests über sich ergehen lassen, jeden Tag aufs Neue. „Angenehm ist anders“, sagt Beate Lemberg. Sie ist Einheitführerin und leitet bis zu drei Teams, die täglich unterwegs sind.
Vom Impfzentrum aus führte der Weg am vorigen Freitag nach Niesky, in das Pflegeheim der Diakonissenanstalt Emmaus. Gleich zu Beginn der Corona-Pandemie sind dort Heimbewohner gestorben. Umso sehnlicher werden die Retter mit den Nadeln herbeigewünscht. Es ist der erste Termin in diesem Haus. 200 Impfdosen sind veranschlagt für Bewohner des Pflegeheimes und des Hospizes und für ausgewähltes Personal, das mit den Bewohnern im Kontakt ist.
Alles muss genauestens dokumentiert werden
„Alles ist gut vorbereitet worden von den Heimleitungen. Beim ersten Mal ist der Aufwand größer, die Mitarbeiter in den Häusern wissen noch nicht, was auf sie zukommt“, sagt Beate Lemberg, die seit dem 21. Januar mit Impfteams an mindestens fünf Tagen in der Woche unterwegs ist. Sie sagt: „Es ist viel Papierkram, der dahintersteckt: Chipkarten einlesen, schauen, ob alle Unterschriften gegeben wurden, auch die des Impfarztes. Es muss alles genauestens dokumentiert werden, auch zum Verbleib eines jeden Impf-Fläschchens, wann diese rausgenommen wurden aus den Kühl-Containern, wann die erste Spritze daraus aufgezogen wurde“. Der Impfstoff kommt tiefgefroren bei minus 18 Grad an, wird eine halbe Stunde lang aufgetaut, muss vorsichtig geschwenkt, nicht geschüttelt werden, sonst kann er seine Wirksamkeit verlieren oder Teile davon. „Das erfordert Zeit und Aufmerksamkeit. Auch die Berechtigungen müssen kontrolliert werden, damit sich nicht sogenannte Impfdrängler dazwischen mogeln können.“ Und dies alles geschieht „im Eilverfahren“, denn im nächsten Pflegeheim wartet man bereits. Das befindet sich eine halbe Autostunde in nördlicher Richtung, in Weißwasser. Im „Kursana-Domizil“ wissen die Mitarbeiter bereits, wie es läuft, denn hier wird zum zweiten Mal geimpft. Etwa 100 Impfdosen werden in diesem Haus an diesem Nachmittag verimpft. Die Technik ist aufgebaut, alle Mitwirkenden sind bereit. „Wir sind ein eingespieltes Team. Jeder kann sich auf den anderen verlassen“, sagt Beate Lemberg im Raum mit Computern und Druckern. Sie erklärt: „Bei der ersten Impfung drucken wir zwei Blätter aus – und das Pflegeheim hat zuvor bereits fünf Blätter ausgedruckt für jeden zu Impfenden. Bei der Zweitimpfung drucken wir noch mal ein Blatt aus und das Pflegeheim zwei.“ Hinter den Geräten, Kabeln und Stromverteilern sitzen zwei Frauen. „Ich bin froh, dass ich hier aufgenommen wurde, bin eigentlich Friseur und gerade arbeitslos. Ich bin ganz dankbar, dass ich hier einen Job bekommen habe. Damit kann ich mich etwas über Wasser halten“, sagt sie. Ab dem 1. März schneidet sie wieder Haare, dreht ein, färbt Ansätze oder ergraute Häupter. Der Andrang ist mindestens ebenso groß, wie hier beim Impfen. Die zweite Helferin an der Technik ist ansonsten im Fahr- und Mahlzeitendienst der Malteser in Görlitz beschäftigt. Beide sind sich einig darin: „Was die Heimleiterin mit ihrem Team hier vorbereitet hat, das ist nicht in einer halben Stunde gemacht, das ist richtig Arbeit. Zusätzlich zu den täglichen Abläufen in der Pflege. Es ist phänomenal vorbereitet.“ Sie erleben es auch anderes. „Wir benötigen beispielsweise die Papiere – und wenn die nicht vorbereitet sind, verzögert sich alles. Wir sind da auch schon aneinander geraten mit denen, die dachten, wir sind hier der Voll-Dienstleister, ohne Eigenanteile. Das geht so nicht – nur gemeinsam schaffen wir das.“ Für Beate Lemberg und ihr Team ist es auch aus anderer Sicht ein guter Tag. „Wir sind heute willkommen, es ist eine wunderbare Atmosphäre. Gebäck, Brötchen und Getränke stehen für uns bereit. In Niesky war eigens für uns Kuchen gebacken worden. Wir wurden sogar ermahnt, etwas zu essen und zu trinken, weil man das mitunter vergisst.“ So umsorgt zu werden, ist bei Weitem nicht überall der Fall: „Wir waren in Heimen, wo wir überhaupt nicht freundlich aufgenommen wurden. Das für mich schlimmste Erlebnis war, dass wir in einem Abschiedsraum unser Essen einnehmen sollten, bei dem die Aufbahrungsfläche für Verstorbene als Tisch dienen sollte. Das habe ich als unwürdig angesehen. In einem Heim hatten wir nach Gläsern gefragt, um daraus Leitungswasser zu trinken. Nach dem vierten Mal Bitten wurden sie uns gegeben.“
Diese Helferinnen sorgen für geordnete Abläufe beim Impfen. |
Der Impfstoff wäre zu wenig ausgereift
Beate Lemberg gehörte zu denen, die sich anfangs selbst nicht impfen lassen wollten. Sie glaubte, dass der Impfstoff zu wenig ausgereift wäre. Ihre Meinung hat sich geändert, als ihr ein Impf-arzt über eigene Erfahrungen berichtete. Vor der Impfung hatte er sein Blut analysieren lassen und nach der zweiten Impfung nochmals. Das Ergebnis: sein Blut hatte gegen das Virus Antikörper gebildet. So hat sie sich danach auch impfen lassen. „Außer etwas Muskelkater und dem Gefühl, als ob ich einen Stein tragen musste und einem Tag Schmerzen im Arm war alles in Ordnung“, sagt sie.
Einige Meter neben dem Technik-Raum impft der promovierte Allgemeinmediziner Karl-Heinz Dreier. Für jeden und jede hat er ein nettes Wort. Er sticht nicht nur Kanülen in Oberarme, „er verbreitet darüber hinaus eine überaus positive Stimmung“, sagt Beate Lemberg. „Das sehe ich auch als meine Aufgabe an. Ich bin der Entertainer meiner Patienten“, sagt er und sieht Impfen als „die beste und einzige Chance, um das Virus zeitnah unschädlicher zu machen“. Zur These, die einige Leute vorbringen: Nach der Impfung sterben doch sowieso alle, sagt er: „Das können sie ja erzählen. Bedenklich stimmt mich, dass Leute aus anderen Berufen mehr wissen wollen, als die Fachleute, die jahrelang studiert haben, die weltweit forschen und nichts auf den Markt bringen würden, was Menschen schadet.“
Beate Lemberg und ihre Leute sind gern zu diesem zweiten Termin nach Weißwasser gekommen, „Bereits beim ersten Mal hat Doktor Dreier geimpft und uns gesagt: Ich hoffe, dass wir uns beim zweiten Termin wiedersehen – es war super, mit euch zu arbeiten. Das freut uns aus dem Munde eines Arztes besonders, denn wir sind alles Laien, haben bisher mit Medizin nichts zu tun gehabt. Erst durch die Schulungen sind wir mit dem Thema Impfen näher in Kontakt gekommen“, sagt die Einheitführerin. Mit dem Impfvorgang haben sie und ihr Team nichts zu tun, „doch die Überwachung, dass alles so verwendet wird, wie vorgeschrieben, das haben wir auch zu überprüfen. Darum ist ständig eine von uns beim Impfen dabei“, sagt sie.
Am Ende des Arbeitstages ist der Impfstoff restlos verimpft. Mit der Ankunft am Malteserhaus – an diesem Tag gegen 20.30 Uhr – ist für Beate Lemberg die Arbeit noch nicht ganz zu Ende. Einige Formulare muss sie noch ausfüllen. Samstag und Sonntag hat sie frei, zwei Tage in der Woche, nicht immer die Wochenenden. Am nächsten Tag fährt ein anderes Team. Da geht es nach Hoyerswerda, zur Zweitimpfung. Der Allgemein- und Notfallmediziner Marcus Meixner ist dort der Impfarzt. Am besten sei es, wenn der Arzt impft, „der die meisten Patienten unter den Heimbewohnern hat, denn es ist wichtig, dass die alten Leute den Arzt kennen und ihm vertrauen. So kann man die Situation besser managen.“
Wenig Verständnis hat Meixner einerseits dafür, wenn sich von 25 Personen des Personals nur drei impfen lassen wollen – und das sind die Hausmeister. Ebensowenig Verständnis hat er für jene, „die sich vordrängeln und damit denen den Impfstoff wegnehmen, die ihn dringender nötig haben, weil sie viel mehr gefährdet sind als andere. Auf das Einhalten dieser Regeln, als ein Akt der Nächstenliebe, sollte auch in Predigten hingewiesen werden“, sagt er.
Von Raphael Schmidt