Neu: Freiwilliges Ordensjahr

Intensive Auszeit

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Wer will, kann neuerdings ein Freiwilliges Ordensjahr machen. Schwester Maria Stadler koordiniert das Projekt. Sie erklärt, wie das Jahr die Teilnehmer bereichern soll – und warum auch die Ordensleute davon profitieren können.

Foto: kna/Harald Oppitz
Gelebter Glaube: Das gemeinsame Gebet gibt dem Alltag der Ordensleute eine Struktur. Foto: kna/Harald Oppitz


Für viele Menschen, beobachtet Schwester Maria Stadler, ist ihre Gemeinde nicht mehr die geistliche Heimat, die sie mal war. Kein Wunder: Die Gottesdienste werden leerer, und überschaubare Einheiten werden zu unübersichtlichen Großpfarreien fusioniert. Die Menschen aber sehnen sich nach wie vor nach einem Ort, an dem sie sich geborgen fühlen und Gott begegnen können. Einige gehen für eine Auszeit ins Kloster. 

„Die Heimat, die sie in ihren Gemeinden nicht mehr finden, suchen manche jetzt bei uns“, sagt Schwester Maria. Die Orden bieten Stabilität, sie sind an einem Ort verwurzelt und haben eine jahrhundertelange Erfahrung im geistlichen Leben. Schwester Maria sagt: „Das ist der Schatz, den wir haben.“

Viele Klostergäste finden diesen Schatz so wertvoll, dass sie gefragt haben, ob sie nicht mal länger bleiben können. Darauf haben die katholischen Orden in Deutschland reagiert. Ab sofort bieten sie die Möglichkeit, ein Freiwilliges Ordensjahr zu absolvieren. Drei bis zwölf Monate können Interessierte in einer der 31 teilnehmenden Ordensgemeinschaften verbringen. Sie beten dann mit den Ordensleuten, sie essen mit ihnen, sie arbeiten mit ihnen. Sie sollen tief eintauchen in ihr Leben.

Schwester Maria koordiniert das Projekt für die Deutsche Ordensobernkonferenz. Sie sagt, die Gäste sollten „erfahren, wie ihr Glauben und ihr Alltag eine Einheit werden können“. Sie sollten spüren, wie der Tag durch die Gebetszeiten eine Struktur bekommt. Und sie sollten erfahren, was es bedeutet, in einer Ordensgemeinschaft zu leben: „Die Menschen lernen, wie wir uns gegenseitig tragen und ertragen.“

Vier Zielgruppen wollen die Orden mit diesem Angebot ansprechen. Junge Leute, die gerade die Schule, das Studium oder die Ausbildung beendet haben, können sich in dem Freiwilligen Ordensjahr klarwerden, wie sie weitermachen wollen – und ob ein Leben im Orden vielleicht das richtige für sie ist. Menschen, die einige Jahre im Beruf stehen, können ihren Alltag entschleunigen und lernen, wie sie auch in stressigen Zeiten ein geistliches Leben führen können. 

Menschen in der Lebensmitte können neue Impulse für ihren Glauben bekommen. Wenn sie eine schwierige Phase durchlebt haben, können sie sie im geschützten Rahmen der Ordensgemeinschaft noch einmal anschauen. „Das ist keine Therapie, ganz sicher nicht“, sagt Schwester Maria. „Aber es kann helfen.“ 

Menschen, deren Berufsleben zu Ende geht, können innehalten, zurückschauen und überlegen, wie sie ihre Zeit als Rentner gestalten und worin sie sich künftig engagieren wollen. 

„Es ist kein Urlaub oder ein leichtes Reinschauen“

Wer das Jahr beginnt, soll wissen, worauf er sich einlässt. „Es ist kein Urlaub oder ein leichtes Reinschauen, sondern ein richtiges Mitleben“, betont Schwes-ter Maria. „Da gehört viel dazu.“ Wer das übersieht, den kann das Jahr überfordern. Deshalb werden vorab alle Fragen geklärt. „Es ist wichtig, von Anfang an ehrlich miteinander umzugehen, damit keine falsche Erwartungen entstehen“, sagt Schwester Maria. Der Orden schließt mit dem Teilnehmer auch einen Vertrag. So sind rechtliche Fragen geregelt; es wird aber auch verdeutlicht, wie verbindlich das Jahr ist.

Für alle Fragen während des Jahres steht jedem Teilnehmer ein Ordensmitglied als Lernpartner zur Verfügung. „Das Ordensleben ist ja doch für die meisten etwas sehr Fremdes“, sagt Schwester Maria. Die Partner sollen helfen, es zu erklären. Viermal im Jahr können die Teilnehmer zu Fortbildungswochenenden reisen, um sich mit Freiwilligen aus anderen Klöstern auszutauschen. 

Auf den Austausch hoffen auch die Ordensleute. Sie glauben, dass nicht nur ihre Gäste von dem Jahr bei ihnen profitieren, sondern auch sie selbst. Weil sie Menschen treffen, die Kinder haben, im Arbeitsleben stehen und als Gläubige in ihrem Unternehmen vielleicht ganz allein sind. Weil sie also einer Lebenswelt begegnen, die sie so nicht kennen. Und weil sie diese Welt dadurch ein bisschen besser verstehen.


Zur Sache

Jeder zwischen 18 und 75 Jahren kann sich für das Ordensjahr bewerben. Voraussetzungen sind Offenheit für das Klosterleben und psychische Stabilität. Ob der Teilnehmer in dem Jahr weiterarbeitet, wie er versichert ist und was er zahlt, wird individuell geklärt. Weitere Informationen bei Schwester Maria Stadler (Telefon 01 57/50 11 75 08) oder unter www.ordensjahr.de

Andreas Lesch