Gotteserfahrungen im Alltag
Ist da jemand?
Jetzt im Sommer zieht es viele Menschen in die Natur. In der Schönheit der Schöpfung kann man sich erholen – und Gott begegnen. Doch nicht nur hier. Die Wege, Gott zu erfahren, sind vielfältig.
Von Ulrich Waschki
Wer am Ufer des Meeres steht, die unendliche Weite, die verschiedenen Farbtöne oder die gewaltige Kraft der Wassermassen bewundert, bekommt eine Ahnung, dass es mehr gibt als unsere naturwissenschaftlich erklärbare Welt. Das alles soll Zufall sein? Oder steckt dahinter nicht doch ein Schöpfer? Beweisen kann man das nicht. Und dennoch ist die Natur für viele Menschen ein Ort, um Gott nachzuspüren, ihm zu begegnen. Gibt es Gott überhaupt? Wie kann ich ihm begegnen? Fragen, die jeden Gläubigen begleiten. „Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen“, formuliert der Dichter Huub Osterhuis.
Aber: Gott lässt sich eben nicht beweisen. Eine Anleitung, wie man ihm begegnen kann, gibt es nicht. Wer fünf, sieben oder gar zehn Punkte präsentiert, um Gott zu entdecken, verspricht zuviel. Weil wir gewohnt sind, alles mit Fakten zu beweisen, weil wir Gott aus dem Alltag verbannt haben und ihn nicht mehr zur Erklärung der Welt benötigen, sind wir sehr zurückhaltend geworden, über Gotteserfahrungen zu sprechen. Prediger, besonders aus dem evangelikalen Milieu, die Gottes Handeln ganz klar nachweisen können, gar im Gebet Botschaften von ihm erhalten, sind uns suspekt. Zurecht. So einfach ist Gott nicht zu packen. Der Kirchenlehrer Augustinus schreibt sogar: „Wenn du es begriffen hast, dann ist es nicht Gott.“
Wo sind Sie Gott begegnet?
Und doch: Es gibt Gott. Man kann ihn erfahren und ihm begegnen. Wir haben geistliche Autoren gefragt, wo und wie sie Gott erfahren haben. Ihre Antworten zeigen: Gotteserfahrungen sind sehr persönlich. „Solche Erfahrungen haben etwas mit meinem gelebten Leben zu tun, mit Bedeutungen, die ich solchen Zeichen gebe – und die müssen keinem anderen etwas sagen“, schreibt etwa die Autorin Andrea Schwarz. Man kann Gott in der Natur entdecken, in der Begegnung mit anderen Menschen, in der Stille, im Gebet und im Gottesdienst und in vielen anderen Situationen.
Doch Gottesbegegnungen sind flüchtig. „Brannte uns nicht das Herz?“, fragen sich die Emmausjünger, nachdem sie Jesus erkannt hatten. Da war er aber auch schon weg. Gotteserfahrungen sind auch nicht beliebig wiederholbar, wie ein naturwissenschaftlicher Versuch, schreibt der Benediktiner Notker Wolf.
Oft erschließen sich Gotteserfahrungen erst im Nachhinein. So war es ja auch auf dem Weg nach Emmaus. Als Jesus das Brot bricht, erkennen ihn die Jünger. So richtig verstehen, was geschehen ist, können sie aber erst im Nachhinein.
Aber sie sind bereit, das Erlebte als Gotteserfahrung zu deuten. Diese Offenheit ist wichtig. Natürlich kann ich sagen, dass es Zufall war, wenn ein Mensch mir in auswegloser Situation geholfen hat. Ich kann aber auch für möglich halten, dass Gott seine Hände im Spiel hatte. Ich kann es für sentimental halten, wenn der Publizist Bernhard Meuser über seine Erfahrungen in Taizé schreibt und von der „wunderbaren Musik, in der die Seele atmet und Gebete aufsteigen“ schwärmt. Oder ich kann für möglich halten, dass das eine Begegnung mit Gott war. Und Sie? Wo sind Sie Gott begegnet? Wo spüren Sie seine Gegenwart?
Liebe Leserinnen und Leser,
haben Sie schonmal eine Gotteserfahrung gemacht? Wie hat sie sich angefühlt? Was hat sie bewirkt? Schreiben Sie uns! Senden Sie einen Brief mit dem Stichwort "Gotteserfahrung" an die Adresse Ihrer Kirchenzeitung oder an leserbriefe@bistumspresse.de