„Jeder kann Widerstand leisten“
Foto: Marco Heinen
Kiel (hix). Einen Tag vor dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz versammelten sich rund 150 Parlamentarier und Gäste im Kieler Landeshaus zur Gedenkstunde. Außer Landesrabbiner Isak Aasvestad und Walter Joschua Pannbacker, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Kiel, beteiligte sich auch Weihbischof Horst Eberlein an der Gedenkstunde.
Angesichts von Deportationsfantasien, die seitens der Alternative für Deutschland (AfD) als „Remigration“ beschrieben werden, war die Feier eine klare Positionierung. Landtagspräsidentin Kristina Herbst verwies auf die Widerständigen der NS-Zeit: die Menschen im Warschauer Ghetto, die Frauen und Männer des 20. Juli 1944, die „Weiße Rose“ und die Lübecker Märtyrer. „Bei all diesen widerständigen Frauen und Männern stand die Selbstbehauptung als freier Mensch gegen eine brutale Übermacht der Unmenschlichkeit im Zentrum ihres Handelns. Sie ließen sich nicht zu Opfern machen, sondern setzten dem NS-Regime mit ihren Mitteln etwas entgegen“, so Herbst. Das Erinnern wäre jedoch „kraftlos, ja, bedeutungslos“, wenn es nicht auch moralische Richtschnur und Verpflichtung für die Gegenwart wäre. Eine Gegenwart, in der es ein „erschreckendes Erstarken antidemokratischer Haltung, antisemitischen Hasses und offener Gewalt“ gebe. Es stelle sich die Frage, ob sich unsere Gesellschaft wieder auf dem Weg in eine neue Zeit von Hass, Rassismus und Antisemitismus befinde. „Es liegt an uns allen, ob ein ähnlicher Zivilisationsbruch wie die NS-Herrschaft sich wiederholt oder nicht. Jeder und jede kann Widerstand leisten, auch wenn es schon zu spät erscheint“, sagte Herbst.
In ihrer Gedenkrede über den Aufstand im Warschauer Ghetto sagte Professorin Dr. Andrea Löw, stellvertretende Leiterin des Instituts für Holocaust-Studien München: „Menschen vor gut 80 Jahren hatten Handlungsspielräume und sie haben Entscheidungen getroffen. Immer wieder, viele einzelne Entscheidungen, jeden einzelnen Tag. Sie waren Akteure. So wie wir Akteure unserer Zeit sind. Lassen sie uns die Entscheidung treffen, Antisemitismus und Rassismus entgegenzutreten – immer wieder von neuem, jeden einzelnen Tag.“