Palmsonntag, Gründonnerstag und Karfreitag ohne Gottesdienst

Jetzt ist wirklich Karwoche

Image

Keine Sonntagsmesse: Das tut vielen weh. Aber kein Palmsonntag, kein Gründonnerstag und kein Karfreitag: Das geht an die christliche Substanz. Wobei: Die Tage fallen ja nicht aus. Vielleicht können wir sie sogar besser verstehen.

Foto: imago images/Peter Widmann
Wann, wenn nicht jetzt, können wir das leidende Antlitz Jesu verstehen?  Foto: imago images/Peter Widmann


Das Wort „Karwoche“ kommt bekanntlich von dem althochdeutschen Wort „kara“ für Klage, Schmerz oder Trauer. Es ist die Woche, in der wir den Kreuzes­tod Jesu beklagen, um ihn trauern. 

Das können wir jetzt gar nicht, sagen manche, es gibt ja keine Gottesdienste. Und wirklich: Das persönliche Gebet zu Hause, für sich selbst auf dem Sofa die Leidensgeschichte lesen oder einen gestreamten Gottesdienst auf dem PC  verfolgen – das ist gut, aber es ist nicht das Gleiche. Diese besonderen Feiern in der Kirche kann nichts ersetzen, das werden wir in diesem Jahr schmerzhaft spüren. 

Wobei schmerzhaft das Stichwort ist. Denn es ist doch so: Die Karwoche ist normalerweise eine schöne Woche. Es sind Ferien, manche verreisen oder planen den Familienbesuch. Die Großeltern freuen sich auf die Enkel, kaufen ein Geschenk, färben Eier, backen Osternester. Normalerweise ist weniger kara, Trauer, angesagt, sondern Vorfreude.

Oder auch normaler Stress. Im Beruf muss alles erledigt sein, im Supermarkt gibt‘s Gedränge vor dem langen Wochenende, der Garten muss ordentlich aussehen. Vorzubereiten gibt es viel.

Einsamkeit, Angst und ein Kuss als Verrat

So gesehen erleben wir dieses Jahr vielleicht eine echte Karwoche. Eine, in der die Grundstimmung ruhig ist, nachdenklich, ja, traurig. Weil eben kein Besuch kommt, kein Enkelkinderlachen durch das Haus schallt und sich nicht alle zum Osterfrühstück versammeln. 

Vor allem aber, weil das, was gerade passiert, Leid bedeutet für die, die wirklich betroffen sind: für Menschen in Altenheimen und Krankenhäusern und ihre Angehörigen, die sich nicht sehen können; für die vielen, die um ihren Arbeitsplatz, um ihre Existenz fürchten; für die Familien, die die Enge nicht ertragen und aggressiv werden; für die Menschen, die wegen Corona um ihr Leben kämpfen oder sogar sterben. Wann, wenn nicht jetzt, ist Karwoche?

Wann, wenn nicht jetzt, können wir spüren, wie wichtig das gemeinsame Mahl ist, das Jesus für alle Zeiten gestiftet hat? Wie sehr wir der Gemeinschaft bedürfen mit ihm und untereinander?

Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit, Jesu Zeichen der Fußwaschung mit Leben zu füllen und einander zu dienen? In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, aber auch in der nachbarschaftlichen Hilfe, in Telefonaten, in lieben Briefen, in emotionaler Nähe auch bei körperlicher Distanz.

Wann, wenn nicht jetzt, können wir uns in die Einsamkeit Jesu in der Gründonnerstagnacht hineinversetzen, in seine Angst: „Meine Seele ist zu Tode betrübt.“ In seine Bitte: „Wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.“

Wann, wenn nicht jetzt, können wir miterleben, dass ein Kuss Verrat bedeuten kann? Und welches Geschenk es ist, wenn ein anderer hilft, das schwere Kreuz zu tragen?

Und wann, wenn nicht jetzt, können Menschen das leidende Antlitz Jesu verstehen, seine Verzweiflung, sein Gebet: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Nein, gemeinsam Gottesdienst feiern können wir in der Karwoche 2020 nicht. Aber dafür kann unser Leben ein Gottesdienst sein.

Susanne Haverkamp