Umgestaltung der Sankt Hedwigs-Kathedrale

Kathedrale soll lebendiges Denkmal bleiben

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Um viele Details der Umgestaltung der Sankt Hedwigs-Kathedrale wird noch gerungen. Doch allen Beteiligten ist klar: Die neue Innengestaltung soll es erleichtern, das Göttliche im Leben wahrzunehmen.

Dompropst Tobias Przytarski vor dem Bauzaun der Sankt Hedwigs-Kathedrale.    Foto: Walter Plümpe

Werden der heilige Petrus und die heilige Hedwig wieder aufgestellt, wenn der Umbau der Sankt Hedwigs-Kathedrale vollendet ist? Wird man den Wandteppich vom Chorraum wieder sehen können? Werden das Altarkreuz und der Tabernakel weiter verwendet? Eine endgültige Antwort auf solche Fragen hat auch der mit dem Umbau beauftragte Dompropst Prälat Tobias Przytarski nicht, noch nicht. Zusammen mit einem Team aus Liturgie-Fachleuten, Architekten, Kulturhistorikern und Künstlern arbeitet er an vielen Ideen, die Kathedrale als lebendiges Denkmal weiterzuentwickeln.
Als Ziel gilt für ihn weiterhin: „Die beste Denkmalpflege für eine Kirche ist ja die lebendige Nutzung mit der Feier der Liturgie, mit der Einladung zum stillen Gebet.“ Diesem Ziel sehen sich auch die Preisträger des 2013 vom Erzbistum Berlin ausgeschriebenen „Wettbewerbs zur Neugestaltung des Innenraums und des baulichen Umfelds“ der Kathedrale verpflichtet. Der Wiener Künstler Leo Zogmayer, dem mit den Architekten Sichau und Walter aus Fulda dieser Preis 2014 zugesprochen wurde, betont: „Die neue Architektur soll einen Ort für Frieden und Versöhnung zwischen Gott und den Menschen stiften.“ Dieser Leitidee ist für ihn alles unterzuordnen: ein möglichst barrierefreies Ineinanderfließen  von Gemeinde- und Altarbereich, der neue Ort für den Altar in der Mitte der Bischofskirche, die weite Öffnung des Okulus der Kuppel darüber als Symbol der Transparenz des Göttlichen, die  Anordnung von Bänken in konzentrischen Kreisen um den Altar als Ausdruck des Dialogs aller am Gottesdienst Beteiligten.

Altar und Kuppel bilden ein Ganzes
Zogmayer weist darauf hin, dass  „der Altar in der Mitte der Kathedrale die Form einer Halbkugel erhält, die komplementär auf die über dem Zentralraum aufgespannte Kuppel antwortet. Die Halbkugel aus hellem Kalkstein behauptet sich ikonisch als auch liturgisch in dem monumentalen Raum.“ Die Idealform der Kugel soll in der Halbierung zeichenhafte Bedeutung erhalten: „Was in der dualistischen Welt geteilt und gebrochen erscheint, soll im Vollzug der Gottesdienste heil werden. In der massiven Kuppa der Altarhalbkugel variiert sich das jedem Besucher des Pantheons bekannte Zusammenspiel der oberen, sichtbaren Gewölbehalbkugel mit der ungebauten, unsichtbaren unteren Hälfte.“ Bekanntlich würde die zur vollständigen Kugel ergänzte Kuppel den Boden berühren.
Bernd Streich, ehemaliger Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum, ist davon überzeugt: „Die Sankt Hedwigs-Kathedrale wird auch nach der Umgestaltung wieder ein geistlicher Ort werden, so wie sie es über Jahrzehnte war – ein Ort für Gebet, Lobpreis und Klage.“ Darüber hinaus werde sie einladend für eine Begegnung mit Gott sein. Kardinal Alfred Bengsch, ehemaliger Bischof von Berlin, hat 1963 in einem Hirtenwort geschrieben: „Unsere Kathedrale soll uns Trost und Zuversicht geben. Wir sind im Glauben, in der Liebe, in den Sakramenten Glieder des Leibes Christi, den niemand zerstören kann.“ Daher sieht Streich es als hilfreich an, wenn es in der umgebauten Sankt Hedwigs-Kathedrale Erinnerungs- und Anknüpfungspunkte an die Vergangenheit gibt, ohne dass sie dabei zum Museum wird. „Dies können Gegenstände aus der bisherigen Kathedrale oder auch aus dem gelebten Glauben in unserem Erzbistum sein.“ Gleichzeitig solle die Kathedrale ein Ort sein, wo neue Zugänge zu Kontemplation und zur Begegnung mit Gott ermöglicht werden. „Dabei spielt Offenheit und Glaubwürdigkeit eine große Rolle. Einen Event-Ort brauchen wir nicht. Die Kathedrale als Gotteshaus darf schlicht sein.“
Wie wollen wir als Christen in Zukunft Kirche sein? Eine Antwort auf diese Frage wird sich nach Streich auch in der Gestaltung der Sankt Hedwigs-Kathedrale zeigen müssen. Ebenso, wie Kirche Frieden stiften, Gemeinschaft leben und Hoffnung verbreiten kann.
Viele fragen sich, wo die beweglichen Kunstwerke der Kathedrale zurzeit gelagert werden. Dompropst Przytarski klärt auf: „Der Großteil der Ausstattung lagert in einer derzeit nicht für Gottesdienste genutzten Kirche, insbesondere die Orgel mit ihren über 4800 Pfeifen. Einige Kunstwerke und Möbel sind auch an anderen kirchlichen Orten untergebracht. Die besonders empfindliche hölzerne Pietà aus dem 14. Jahrhundert ist dank der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die Zeit der Baumaßnahmen im Depot des Bodemuseums eingelagert.“ Sowohl die Orgel als auch die Marienfigur und der heilige Petrus werden künftig in der Oberkirche wieder ihren Platz erhalten. In der Krypta soll die kostbare neopolitanische Weihnachtskrippe aus dem 18. und 19. Jahrhundert erstmals eine eigene Kapelle haben.

Finanzieller Rahmen soll eingehalten werden
Der Bauantrag des Erzbistums ist am 16. Juli 2020 vom Bezirksamt Mitte genehmigt worden. Zurzeit wird mit allen Beteiligten in regelmäßigen Treffen die Feinabstimmung vorgenommen. Zudem gibt es Treffen mit den Denkmalbehörden und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Przytarski betont: „Von Anfang an war klar, dass der finanzielle Rahmen von 60 Millionen Euro nicht überschritten werden darf, auch wenn das bedeutet, dass wir auf ursprünglich geplante Maßnahmen verzichten (zum Beispiel die Hofunterkellerung) oder andere reduzieren müssen. Ich bin sicher, dass uns dies gelingt, ohne dass wir Abstriche an der Qualität des Entwurfs machen.“ Nach wie vor ist die Altarweihe für den 1. November 2023 geplant, dem 250. Jahrestag der Weihe der Kathedrale. Das Gesamtprojekt wird aber vermutlich erst 2024 fertiggestellt.
Inzwischen gibt es einige Konkretisierungen in Bezug auf die Umgestaltung. Um den Altar soll es mindestens eine Stufe geben, hat Erzbischof Heiner Koch entschieden. Von der Vorhalle wird durch das Mittelportal eine Treppe in die Krypta führen. Zusätzlich soll ein Fahrstuhl Gehbehinderten einen Zugang ermöglichen. Gegenwärtig geht die Planung von Bänken statt von Stühlen aus (die übrigens nie frei beweglich sein sollten). Dies soll ein ruhigeres Gesamtbild erzeugen und eine flexiblere Belegung ermöglichen. So können beispielsweise Familien mit kleinen Kindern einfacher in einer Bank zusammensitzen als auf einzelnen Stühlen.
Auch wenn nach wie vor noch um viele Details gerungen wird, ist allen Beteiligten klar: Die neue Innengestaltung der Kathedrale soll es Besuchern erleichtern, das Göttliche im Leben wahrzunehmen. Eine Reduzierung bisheriger Bauelemente soll einen von Ablenkungen möglichst freien Blick auf das Wesentliche erreichen: auf den neuen Altar. So wird es eher möglich, dass Gläubige wie Suchende mit dem Göttlichen in Berührung kommen.
In einer gesonderten Ausschreibung hat das Architekturbüro Max Dudler den Zuschlag für den Umbau des Bernhard-Lichtenberg-Hauses erhalten. Während der Altbau ertüchtigt werden soll, ist für den Bau aus den 70er Jahren eine völlige Neugestaltung geplant. Eine Zone für Besucher (mit Café und Kathedralforum), Tagungs- und Seminarräume, die Büros des Erzbischofs und des Dompropstes, aber auch Wohnungen sind vorgesehen. Das Haus soll einen einladenden Charakter bekommen und ein Ort sein, in dem man sich über die katholische Kirche informieren und ihr begegnen kann – in ganz unterschiedlicher Intensität.

Entstandene Gräben überbrücken
Pressesprecher Stefan Förner hat nach der jüngsten Gerichtsentscheidung publiziert: „Wir nehmen die Argumente der Freunde der Sankt Hedwigs-Kathedrale ernst.“ Przytarski: „Wir setzen uns mit den Kritikpunkten aus dem Umkreis der ‚Freunde‘ natürlich auseinander und lassen uns von ausgewiesenen Fachleuten beraten. Ein großes Thema wird für uns sein, wie wir die entstandenen Gräben zwischen Gegnern und Befürwortern der Umgestaltung künftig überbrücken. Auch wenn ich nicht verschweigen will, dass ich manchmal auch nicht weiß, wie ich mit hasserfüllten und verleumderischen Behauptungen umgehen soll. Am Ende wird es hoffentlich auch die Qualität der Umgestaltung sein, die viele Kritiker überzeugen wird.“

Kleine wie große Spenden sind weiterhin erwünscht. Und es wird Einzelprojekte geben, für die Sponsoren gebraucht werden. Informationen und Kontakt: www.hedwigs-kathedrale.de

Von Walter Plümpe