Gedenken an verstorbene Kinder
Kein Name geht verloren
Nichts ist für Eltern schlimmer als der Tod des eigenen Kindes. Um einen Raum für die Trauer zu geben, findet einmal im Jahr in Ostfriesland ein Gottesdienst zum Gedenken an verstorbene Kinder statt – jetzt am Sonntag in Aurich.
Pfarrer Johannes Ehrenbrink hält eine Karte in der Hand. Ein Regenbogen zieht sich über das Papier – er verbindet Erde und Himmel, verbindet die Menschen mit Gott. Auf den Karton schreiben trauernde Eltern einen Namen. Und Gedanken, die sie gerade bewegen. „Wenn wir das vorlesen, ist das immer ein berührender Moment“, sagt Ehrenbrink.
Der Seelsorger aus Aurich gehört zu einem Arbeitskreis aus der katholischen, reformierten und lutherischen Kirche in Ostfriesland, der erneut einen Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder gestaltet. Betroffene Mütter und Väter sind dazu eingeladen – ganz gleich, ob sie ihr Kind schon früh oder im Erwachsenenalter verloren haben. Geschwister, Großeltern, Paten, Verwandte, Freunde, Nachbarn und auch andere Gäste sind ebenfalls herzlich in Aurich willkommen.
Ein Songtext des Künstlers Adel Tawil gibt das Thema vor: „Ist da jemand, der mein Herz versteht?“ Diese Frage könnten auch Jana Siebert und Erna Campen stellen. Beide gehören zum Vorbereitungsteam – und beide haben ihre Töchter verloren. Lea starb mit siebeneinhalb Monaten durch den plötzlichen Kindstod, Linda erlag mit elf Jahren einer schweren Krankheit.
Wenn Kinder vor ihren Eltern sterben, wird alles außer Kraft gesetzt. Wie aus der Welt gefallen, fühlt es sich an. Wie in zwei Teile gerissen: davor und danach. „Das ist das Schlimmste, was mir passiert ist“, sagt Erna Campen. Und sie sagt auch, dass der Schmerz nicht weniger wird. „Man lernt nur, ihn auszuhalten.“ Denn in Gedanken laufen die Kinder immer mit: bei Geburtstagen, bei Familienfesten, an Weihnachten, an jedem Tag.
Was brauchen betroffene Mütter und Väter in dieser Situation? „Menschen, die da sind und zuhören. Eltern müssen ihre Geschichte erzählen dürfen – und wenn es das 1000. Mal ist“, sagt Erna Campen, die auch als Trauerbegleiterin arbeitet. Aber nicht alle Eltern finden solch’ einen Beistand. Manche fühlen sich allein gelassen und missverstanden. Manche müssen sich dumme Ratschläge anhören, die eher schmerzen als helfen. Man kann Trauer nicht einfach beerdigen und es „gut sein lassen“. Denn es wird nicht alles wieder gut.
Seit 2003 gibt es den Gedenkgottesdienst
Was Eltern hilft, ist Solidarität und Verbundenheit mit Menschen in einer ähnlichen Lage – wie in dem ökumenischen Gedenkgottesdienst. Schon seit 2003 gibt es dieses Treffen einmal im Jahr in wechselnden Kirchen in Ostfriesland. In ähnlicher Besetzung bereitet das Team die Stunde intensiv vor. Das verändert die acht Frauen und Männer mit der Zeit. „Mich hat das sehr viel sensibler gemacht“, sagt Johannes Ehrenbrink. „Ich höre jetzt anders hin.“ Zwischen 80 und 150 Gäste fahren zu dem Gottesdienst: einige zum ersten Mal, andere sind immer dabei.
„Viele nehmen dafür weite Wege auf sich“, sagt Präses Hilke Klüver. Sorgsam sucht der Arbeitskreis für den Sonntag Gebete, Texte und Lieder aus. Passende Musikstücke spielen Jana Siebert und Christoph Otto Beyer aus dem Ostfriesischen Kammerorchester. Die Predigt hält jetzt Pastor Andreas Scheepker. Er möchte dabei „Worte finden für das, wofür es eigentlich kaum Worte gibt.“ Und er möchte von der Hoffnung sprechen, die uns Christen trägt.
In einer sehr persönlichen Zeremonie lesen die Mitglieder des Teams dann die Namen der verstorbenen Kinder vor. Die Gäste können sie zuvor in die Regenbogen-Karten schreiben – zusammen mit ihren Gedanken, ihren Wünschen und Bitten. Dieser Moment ist für die Eltern stets der Wichtigste. „Kein Name geht bei Gott verloren“, sagt Hilke Klüver.
Petra Diek-Münchow
Der ökumenische Gedenkgottesdienst findet am Sonntag, 25. Februar, um 15 Uhr in der katholischen St.-Ludgerus-Kirche am Georgswall in Aurich statt. Danach wird zu einer Begegnung bei Tee eingeladen.