Berliner Comboni-Missionar Gregor Schmidt lebt im Südsudan

Kirche als Friedenshort

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Seit über neun Jahren lebt der Berliner Comboni-Missionar Gregor Schmidt (48) im Südsudan beim Hirtenvolk der Nuer. Während seines Heimatbesuchs wird er in Berliner Gemeinden von seinen Erfahrungen erzählen.

Unterwegs zu den Katholiken seines Pfarrgebiets muss Pater Gregor Schmidt häufig durch Sumpfgebiet waten.    Fotos: Comboni-Missionare

 

„Die Nuer erblicken in der Schöpfung den Schöpfer, der sich durch Ernten und andere freudige Ereignisse gnädig erweist.“ So kennzeichnet Pater Gregor Schmidt den Glauben des Volkes, mit dem er seit mehr als neun Jahren zusammenlebt. Das Leben der Nuer sei jedoch nicht nur von Frömmigkeit, sondern auch von Gewalt geprägt. Hier setzt die Arbeit der Missionare an, die Menschen zu einer Begegnung mit Jesus Christus zu begleiten. Dabei sieht sich der Comboni-Missionar als „Hebamme, die bei der Geburt des Gottessohnes in den Herzen der Menschen assistiert.“
Vor drei Jahren besuchte Pater Gregor ein Dorf, in dem noch nie ein Missionar war. Trotzdem wurde er von den Einwohnern eingeladen, dort eine Messe zu feiern. Erstaunlicherweise kannten die in der Mehrheit Nichtgetauften die liturgischen Lieder auswendig. Sie werden bei der Arbeit und unterwegs beim Wandern gesungen und verinnerlicht. „Man könnte die Kirchenlieder hier mit Hits aus dem Radio vergleichen, modern und mit Schwung“. So gelangt die Frohe Botschaft lange vor den Missionaren in die entlegensten Dörfer.
Die Nuer rechnen mit dem Tod als etwas Unausweichlichem – ähnlich wie der Sonnenuntergang. „Es gibt keine Erwartungshaltung an Gott auf ein langes Leben.“ Auch die Trauerphase für Verstorbene ist extrem kurz. Das säkulare Europa könnte sich nach Ansicht des Paters beschenken lassen von der Zuversicht der afrikanischen Christen, „dass Krankheit und Tod kein Gewicht haben im Vergleich zur Herrlichkeit Gottes.“

 

Wie anderswo in Afrika auch, wird der Gottesdienst durch Trommelklänge begleitet.


Die Comboni-Missionare wurden vor 23 Jahren vom Ortsbischof eingeladen, Katholiken in den Dörfern der Region Fangak im Sumpfgebiet des Nils zu begleiten. Seitdem sind die Missionare zu Fuß unterwegs, geführt von Katecheten. Straßen gibt es nicht. Die entlegensten Kapellen sind bis zu vier Tagesreisen vom Pfarrzentrum entfernt. Das Pfarrgebiet ist etwa acht Mal so groß wie Berlin. Pfade, die nicht benutzt werden, verschwinden innerhalb weniger Wochen in der unablässig wuchernden Vegetation. Das halbe Jahr über fluten die Wasser des Nils und die Regenfälle die Region, die so flach wie eine Scheibe ist. „Auf unseren Wanderungen durchqueren wir Gewässer, die uns bis zum Hals reichen. Tropische Krankheiten gehören zum Alltag und sicheres Trinkwasser ist selten“, erzählt der Berliner Missionar.

Der christliche Glaube reicht erstaunlich weit
Die Grundnahrung der Nuer besteht aus Hirse mit Milch oder Fisch. Es gibt keine Telefon, keinen Handy-Kontakt, keine Post, kein Stromnetz, keine lokale Radiostation. Nur Kurzwelle ist über Weltempfänger zu hören. Die Missionare haben eine Satellitenschüssel für Internet-Empfang auf ihrem Gelände. Pater Gregor ist dankbar, „dass der Dreifaltige Gott an einem der entlegendsten  Orte der Welt angebetet wird“.
Die Gemeindemitglieder haben zwar einen starken, aufrichtigen Glauben, aber wenig Bildung. Daher steht das Katechumenat für Erwachsene im Mittelpunkt der Gemeindearbeit. Etwa die Hälfte der Einwohner von Fangak County ist mittlerweile getauft. Da über 95 Prozent der Bevölkerung in diesem Teil des Südsudan aufgrund ihrer Isolation  Analphabeten sind, unterstützt Pater Gregor mit seinen zwei Mitbrüdern Bildungsprogramme auf Nuer und Englisch. Seit 2014 gibt es eine Grundschule im Pfarrzentrum.
Außerdem gehört zu den wichtigen Aufgaben für die Kirche im Südsudan die Befriedung von lokalen Sippenfehden zur Eindämmung der Blutrache. Ferner bemühen sich Katholiken um die Aussöhnung verschiedener  ethnischer Gruppen, die aktuell gegeneinander Bürgerkrieg führen.
Das kirchliche Leben ist für die Nuer ein Schutzraum. Hier wird ein neuer, friedvoller Umgang gepflegt. Aktive Katholiken sind merklich weniger gewalttätig als der Durchschnitt der Nuer, stellt der Pater fest. Die katholische Kirche sei bekannt und geschätzt dafür, dass Meinungsverschiedenheiten hier oft ohne Gewalt ausgetragen werden. Anders als bei traditionellen Festen und Zusammenkünften sind Waffen und Alkohol bei Kirchenfesten und auf dem Kirchengelände nicht erlaubt. Pater Gregor: „Alle, die sich für diesen alternativen Lebensstil interessieren, können bei uns mitmachen.“

 

Der Comboni-Missionar tauft eine junge Frau.


Wie blickt Pater Gregor mit seiner Erfahrung bei den Nuer auf den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Deutschland? „Bei den Nuer wäre so eine Situation undenkbar, weil sie die Rolle einer unantastbaren Person nicht kennen. Jeder wird gnadenlos nach seinem realen Verhalten beurteilt.“ Wenn ein Erwachsener ein Kind zum Schweigen verpflichten wollte, wäre das wie der Versuch, den Wind aufhalten zu wollen. Es gibt bei ihnen keine „schrecklichen Geheimnisse“, jedenfalls nicht für lange. „Nuer lügen auf ihre Weise“, aber nicht, wenn ihnen etwas Schlimmes durch jemand anderen widerfahren ist. Das wird dann öffentlich ausgesprochen, und Täter sind schnell geständig. „Das ist ein gesunder Aspekt der Nuer-Kultur.“

Was der Missionar vom Synodalen Weg denkt
Und seine Sicht auf den Synodalen Weg? „Soweit ich verstehe, wurde dieses Gesprächsforum ins Leben gerufen, um in der Kirche Strukturen zu etablieren, die den sexuellen Missbrauch institutionell eindämmen. Das ist sehr wichtig. Aber ich verstehe nicht, wie die Themenkreise dort Abhilfe schaffen können, abgesehen vom ersten Forum ‚Macht und Gewaltenteilung in der Kirche‘. Aber auch hier würde ich anders ansetzen. Beim Thema Macht sollte nicht zuerst überlegt werden, wie diese besser zwischen Klerikern und Laien beziehungsweise zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden soll, sondern wie Jesu Herrschaft unser Leben durchdringen kann.
„Er als Auferstandener allein hat alle Macht“, ist dem Missionar wichtig. „Es ist seine Kirche“. Nur wenn die Christen ihr Leben bedingungslos ihm anvertrauen, seien sie auf dem Weg zum Heil und könnten einander mit der Achtsamkeit begegnen, die notwendig sei, um andere nicht zu missbrauchen oder zu gebrauchen. „Aus meiner Sicht wird die Kirche in Deutschland sich durch Selbst-Säkularisierung auflösen, wenn es nicht primär um Neuevangelisierung und persönliche Umkehr zu Jesus Christus geht“, betont Gregor Schmidt.

Gelegenheiten, mit Pater Gregor Schmidt in Berlin heilige Messe  zu feiern und ins Gespräch zu kommen: 15. August 11.15 Uhr St. Marien-Liebfrauen (Wrangelstraße); 19. August 9 Uhr St. Alfons (Beyrodtstraße); 22. August 10.30 Uhr Hl. Familie (Wichertstraße); 26. August 18.30 Uhr St. Michael (Waldemarstraße); 29. August 11 Uhr Mater Dolorosa (Kurfürstenstraße); 1. September 9 Uhr St. Georg (Kissingenstraße); 5. September 9 Uhr St. Johannes-Evangelist (Sembritzkistraße); Am 30. August findet um 19 Uhr ein Gesprächskreis in St. Georg (Kissingenstraße) statt.

Von Walter Plümpe