Urlauberseelsorge
Kirche – auch in den Ferien?
Was im Alltag oft dem Zeitdruck zum Opfer fällt, gelingt den Menschen im Urlaub leichter: Sich mit den Fragen des Lebens und des Glaubens zu beschäftigen. Die Urlauberseelsorge bietet ein buntes Programm für Jung und Alt. Jeder kann mitmachen.
Gottesdienste am Strand, Lieder am Lagerfeuer, ein Spaziergang in den Sonnenaufgang, eine Meditation auf dem Seelenpfad, viele Einzelgespräche – seit gut vier Jahren ist Pfarrer Egbert Schlotmann Seelsorger auf der Nordseeinsel Wangerooge und begleitet neben der kleinen Inselgemeinde Tausende Urlauber, die Ruhe und Erholung aber auch Rat und Hilfe suchen. Denn Sorgen und Nöte aus dem Alltag begleiten die Menschen auch in die Ferien. Die guten Gespräche und Erlebnisse, die der Seelsorger bietet, nehmen nicht nur die Urlauber gerne mit. Auch die Mitarbeiter der Urlauberseelsorge erhalten neue Impulse und fahren oft bereichert und mit vielen neuen Ideen wieder nach Hause.
Was bietet die Urlauberseelsorge den Menschen auf der Insel?
Wir bieten die Dinge an, die in den Talenten des Teams stecken. Wenn wir Menschen dabei haben, die gerne vorlesen, wird es Leseabende geben. Aber auch Meditationen, Bastelangebote, musikalische Veranstaltungen sind oft dabei. Je nachdem. Was wir immer anbieten sind Morgen- und Mittagsimpulse und Gottesdienste, die durchaus an verschiedenen Orten der Insel stattfinden und so auch das Leben der Insulander mit in den Blick nehmen. Da sind wir zum Beispiel am Strand, in den Dünen, beim Leuchtturm, bei der Feuerwehr oder im Rosengarten. Die Insulaner freuen sich darüber und auch die Gäste sehen, dass Kirche auch an anderen Orten der Insel gelebt werden kann, nicht nur in der Kirche. Kirche ist unterwegs, meldet sich, zeigt sich. Das tut den Menschen gut und sie merken: Ich bin nicht alleine Christ. Als wir einmal in den Dünen waren, fuhr die Inselbahn vorbei und hupte. Das tut sie an dieser Stelle sonst nie. Dieses gegenseitige Wahrnehmen ist schön.
Kommen viele Gäste zu den Angeboten?
Die Kirche ist im Sommer wirklich immer sehr gut besucht, auch zum Strand gehen die Menschen gerne mit. Es sind viele, die mir erzählen, dass sie sonntags nicht mehr zur Kirche gehen. Hier wird ihre Sehnsucht gestillt, hier haben sie Zeit dafür. Das tut gut. Wir haben natürlich auch viele Möglichkeiten, mal etwas anderes anzubieten. Ich führe auch viele Einzelgespräche. Oft geht es um ein erfüllteres Leben. Als ausgebildeter Exerzitienbegleiter und systemischer Berater versuche ich, auf das Anliegen der Menschen einzugehen und zu helfen. Die Menschen erzählen, ich höre zu, gehe ein Stück mit und wir schauen, wie es weitergehen kann. Das ist eine große Chance und ein Geschenk – auch für mich.
Warum ist die Urlaubszeit eine so sensible Zeit?
Man sagt: Die Urlaubszeit ist der Sonntag des Jahres. Alle freuen sich darauf, sind sehr fixiert und wenn die Zeit da ist, bricht plötzlich etwas auf. Ich empfehle immer, den Urlaub nicht zu stark zu verplanen. Natürlich muss man sich vorher Gedanken machen, wo man hinfahren will, wie man reisen möchte. Aber man muss sich auch auf spontane Änderungen einlassen können. Das Wetter zum Beispiel kann einem schon mal einen Strich durch die Rechnung machen. Es ist Urlaub, man muss nicht immer noch mehr machen. Man ist einfach da. Hier hat die Insel einen entscheidenden Vorteil: Man kommt nicht so schnell weg.
Wie gelingt es, die Erholung in den Alltag zu retten?
Auch bei den Exerzitien empfehle ich den Menschen oft, etwas von der Insel mitzunehmen: eine Muschel, etwas Sand, eine kleine Postkarte. Eine kleine Erinnerung an den Urlaub. Die Postkarte kann ich an meinen Schreibtisch hängen, die Muschel in die Hosentasche stecken. Es sollte etwas sein, was greifbar ist, mit dem ich den Urlaub wieder nachspüren kann, durch das ich den Geruch des Meeres noch einmal wiederbekomme. Dann erinnere ich mich daran, was mir gutgetan hat in dieser Zeit.
Was erleben die Mitarbeiter in den Teams der Urlauberseelsorge?
Jeder Tag bei uns ist anders gestaltet. Wir singen, musizieren zusammen, man fühlt sich sofort als Familie und ist nicht allein. Dann gestalten wir natürlich das Programm. Das ist schon Arbeit, keine Freizeit. Aber die, die dabei sind, sind oft ganz erfüllt vom Miteinander. Sie erleben etwas, was sie sonst oft in der Kirche nicht erleben, können ihre Begabungen einbringen. Das wird gut angenommen, aber es können auch gerne immer wieder neue Leute dazukommen. Wir haben die Sommerteams und gestalten die Kar- und Ostertage sowie Weihnachten und Silvester. Jeder kann teilnehmen, auch Familie. Allerdings sollten die Kinder mindestens neun Jahre alt sein. Eine Teamzeit dauert zwei bis drei Wochen, das Team wohnt bei mir im Haus Ansgar, wir essen mittags zusammen und gestalten ein umfangreiches Programm.
Astrid Fleute