Einblicke in die Schaustellerseelsorge
Kirche an der Achterbahn
Wer in Hamburg vom „Dom“ spricht, meint meistens die Kirmes auf dem Heiligengeistfeld. Aber auch dieser Dom hat einen Geistlichen: Sascha Ellinghaus ist katholischer Zirkus- und Schaustellerseelsorger. Ein Priester ohne Kirche…
Noch bis zum 22. April läuft der Frühjahrsdom auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg Sankt Pauli, einer der größten Jahrmärkte in Deutschland. Für die Gäste ist die Kirmes eine Attraktion und ein Vergnügen. Für die Menschen, die in den Buden stehen und die Karussells betätigen, ist das harte Arbeit. Die Schausteller-Familien ziehen von Stadt zu Stadt. Und ihrem katholischen Seelsorger geht es ähnlich. „Wir selber haben keine Kirche“, sagt Pastor Ellinghaus. „Wir haben dafür einen Kleinbus mit einem Packabteil hinten. Und darin befindet sich der Altar, Decken, Messgewänder, Leuchter, Kreuz und selbst einem Orgamaten, falls ich vor Ort keinen kriege, damit vor Ort auch die Orgel über den Autoscooter schallen kann.“
Sascha Ellinghaus ist Leiter der „katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge“ in Deutschland. Das ganze Jahr ist er unterwegs zu seiner reisenden „Gemeinde“. Die wilden Sachen wie Achterbahn, Big Monster und Airwulf lässt er mittlerweile links liegen. Zuckerwatte und Schokoäpfel gibt es nur noch in Maßen. Aber ein Rundgang über den Dom, das muss sein. Und dabei will der Priester dieses Mal ein Kommunionkind treffen, dem er erst kürzlich die Erstkommunion gespendet hat.
Stets unterwegs und nah an den Menschen
„Ich musste die Kommunion schon vorverlegen, weil ein Fahrgeschäft – aus Herford stammend – die Zulassung für den Frühlingsdom bekommen hat. Wenn ich dann hier auf den Hamburger Dom zum Rundgang komme, dann freue ich mich, wenn ich die Familie und das Kommunionkind wieder sehe.“
Hochzeiten und Taufen müssen Kirmesleute dann feiern, wenn es passt. Langfristige Planungen sind in dem Geschäft nicht möglich. Also kommen sie nicht in die Kirche. Der Pfarrer kommt zu ihnen. „Wir Schaustellerseelsorger sind stets unterwegs, um jene Menschen zu begleiten, die uns mit ihren Attraktionen auf den Volksfesten oder im Zirkus erfreuen. Und so arbeiten wir genau so, wie der Herr es uns aufgetragen hat, immer am Mann oder an der Frau.“
Was Sascha Ellinghaus ärgert: Noch immer gibt es Menschen, die über Zirkusleute, über Leute vom Dom oder einer Kirmes leicht die Nase rümpfen. Er selbst bewundert die Rücksichtnahme und den Zusammenhalt der Schausteller. Zusammenhalten müssen sie allein dadurch, dass ihr zu Hause, ihre Wohnwagen so dicht beieinander stehen. Und als Zweites: „Familie nimmt einen großen Wert ein. Man bemüht sich auch trotz aller Arbeit, die ja diametral zum Freizeitverhalten der übrigen Gesellschaft ist, Zeit zu finden. Familie und Kinder sind immer wichtig, auch wenn sie natürlich in diesem ganzen Geschehen mit aufwachsen und auch recht früh eingebunden werden.“
Also: Wer jetzt auf den Frühjahrsdom geht: Nicht nur Geld da lassen, sondern auch mal ein gutes Wort für die Leute, die uns den Spaß ermöglichen.
Text: Klaus Böllert