Kirche zu Hause – geht das?

Image

Dass die Familie die kleinste Zelle der Kirche ist, hat eine lange Tradition. Viele pastorale Dokumente sprechen von der „Hauskirche“. Plötzlich gibt es nur die „Kirche zu Hause“. Geht das überhaupt? Hier einige Erfahrungen:

Kreuzweg in Coronazeiten als Leporello
Die Karwoche, von der Familie Aulbach als Leporello-Faltblatt gestaltet. Foto: privat

Wie gestalten wir in unserer Familie die Karwoche und Ostern? Vor dieser Frage standen Anna-Maria Aulbach und ihre vier Kinder vor einigen Wochen. Ihre Kirche St. Marien auf Föhr, wo die Familie aktiv ist, ist geschlossen wie alle anderen Kirchen. Eine Möglichkeit: Die Gottesdienste im Internet verfolgen. „Aber vor dem Laptop sitzen und dann Gottesdienst feiern? Das konnte ich mir gar nicht vorstellen und die Kinder auch nicht.“ Die Aulbachs ließen sich etwas einfallen. Sie nahmen Leporello-Faltblätter und ließen die Kinder für die Tage der Karwoche etwas malen. „Eigentlich waren die Vorlagen zum Ausmalen da. Aber wir haben mehr gemacht. Die Kinder konnten das malen, was bei ihnen hängen geblieben ist und was ihnen selbst wichtig ist.“ 

Fertiges und mit eigenen Ideen kombinieren

Und für die häusliche Feier der Osternacht hatte sich die Familie an etwas erinnert, was sie vom „Gastpriester“ Klaus Warning, Pfarrer in Lingen und vormals in Kiel, kennengelernt hatten. Ein Kind stellt den Eltern Fragen: „Warum feiern wir diese Nacht?“, so lautet die erste. Dieser Ritus stammt eigentlich aus der jüdischen Pessach-Liturgie, die auch in den Familien gefeiert wird. „Für die Kinder ist das etwas besonders Feierliches und Eindrucksvolles, diese Fragen selbst stellen zu dürfen“, sagt Anna-Maria Aulbach. Eine weitere Idee: Zu Gründonnerstag die Getsemani-Szene nachstellen, indem für jeden eingeschlafenen Jünger eine Kerze ausgeblasen wird. 

Bei der Gestaltung der Tage hat die Familie Aulbach aber auch auf das Angebot der Pfarrei setzen können. „Claudia und Christoph Meinka und das Kinderkirchenteam auf Sylt haben den Familien auf digitalem Weg richtig gutes Material gegeben. Wir haben beides miteinander kombiniert. So hat es für uns gut gepasst.“  

In der Kirche zu Hause lassen sich Kinder gut beteiligen. Diese Erfahrung hat auch Annika Bender in Schwerin gemacht. Zusammen mit zwei anderen Familien mit je zwei Kindern gestaltet sie Hausgottesdienste per „Skype“. Also per Videokonferenz, in der alle Teilnehmer auf dem Bildschirm zu sehen sind. Die jeweils älteren Kinder sollten eigentlich in St. Anna zur Erstkommunion gehen. 

Mit drei Familien per Skype verbunden

Aus der Not heraus haben sie ihren kleinen Gottesdienstkreis gebildet. „Skype haben unsere großen Kinder in der Schule entdeckt“, erzählt Annika Bender. Was in der Schule funktioniert, das geht auch zu Hause. „Wir haben das so gemacht, um einen Rhythmus zu behalten.“ Gottesdienst auf dem Bildschirm und zu Hause. Das ist nicht wie in der Kirche, aber einiges würde in der Kirche nicht funktionieren. Zu Hause kann man schnell noch eine neue Idee umsetzen. Zum Beispiel das Evangelium aus Legosteinen nachbauen. Bei wenigen Beteiligten darf jeder seine Lieblingslieder singen, und die kleineren Kinder können zwischendurch auch mal weggehen. „Das ginge in St. Anna natürlich nicht.“ Und alle Kinder durften viel selbst machen: Den Tisch decken, die Kerzen anzünden, das Evangelium aus der Kinderbibel lesen. 

Hauskirche geht aber nicht nur mit Kindern. Lydia Kunert aus Mölln hat angesichts der geschlossenen Kirche die Möglichkeit entdeckt, mit alten Leuten zu Hause einen Wortgottesdienst zu gestalten. „Seit März halten wir mit unseren Senioren nebenan (87 J. und 94 J.) regelmäßig Hausgottesdienste, auch in der Karwoche und auch heute mit Segnung des (Weih-)Wassers“. Besonders bewegend ist, dass mein Vater, der schon lange nicht mehr aktiv an einer heiligen Messe teilnehmen kann, die bekannten Gebete und viele Lieder von früher nach wie auswendig mitbetet und in Ansätzen mitsingt oder zumindest die Lippen bewegt. So kommt auch er noch zu einer Mit-Feier eines Gottesdienstes.“ 

Neuentdeckungen in der Corona-Krise. Was wird davon bleiben in der Zeit nach Corona? Das Wohnzimmer ersetzt nicht die Kirche, auch nicht der Computerbildschirm. Die Erstkommuniongruppen werden sich wieder leibhaftig begegnen. „Aber vielleicht ist das Feiern per Skype eine Möglichkeit für Menschen, die weit weg voneinander leben“ sagt Annika Bender.

Text: Andreas Hüser