Kirchen auf dem Prüfstand
Andreas Hüser
Ortstermin in Hamburg-Horn: Still ist es am Freitagvormittag rund um das Gemeindezentrum St. Olaf. Dafür, dass die Kirche in der Großstadt liegt, gibt es viel Platz, viel Grün und viele Gebäude, unter anderem mit dem Geistlichen Zentrum San Damiano, das mehrere Gästezimmer hat. Auch der dominierende Rundbau der Kirche bietet Raum in Fülle. 800 Menschen können in St. Olaf Gottesdienst feiern. Selten ist die Kirche so voll. Aber es kommt vor, sagt Pater Matthias Rojek – wenn sich die kroatische Gemeinde an Festtagen versammelt. Der Innenraum wird getragen von drei zueinander geschwungenen Wänden, die die Dreifaltigkeit symbolisieren – das Auferstehungslicht von der Kuppel, das emporstrebende Kruzifix, die farbige Fensterreihe des Kreuzwegs: Pfarrer Matthias Rojek schwärmt von dieser Kirche. Aber auf dem Weg zum Altar wird klar: Nicht alles ist im Idealzustand. Gelbes Klebeband am Boden warnt vor den Stellen vor den Altarstufen, wo sich die Bodenplatten gelöst haben. Der Franziskanerpater zuckt mit den Achseln. „Kein Wunder, wenn man 50 Jahre nichts macht!“
Das Referat Bau und Bauaufsicht der Abteilung „Immobilien und Bau“ kennt dieses Problem. Der Termin vor Ort soll den Experten einen direkten Eindruck geben. Die fünfköpfige Gruppe besichtigt auch die Steueranlage der Kirchenheizung. „Heizung, Lüftung und die für den Bedarf beziehungsweise den Räumen richtige Kirchenraumtemperierung, das ist ein komplexes Thema, das man gemeinsam angehen muss“, sagt Heike Krüger-Farchmin, Leiterin des Referats Bau und Bauaufsicht.
St. Olaf ist nur der erste Standort, den das Team besucht. Anschließend geht es nach Hamm, Barmbek und Steilshoop. So wie in der Pfarrei St. Franziskus geschieht es in allen 28 Pfarreien des Erzbistums. „14 davon, also die Hälfte haben wir schon bereist“, sagt René Pourrier, Leiter des Referats Bauprojektentwicklung. Nur die 29. Pfarrei gehört nicht zum VIR-Prozess: St. Michael auf Helgoland.
Die Begehungen stehen im Zusammenhang mit der Immobilienreform „VIR“. Dieser Prozess ist in den Pfarreien zumeist weit fortgeschritten. Das Ziel: eine Pfarrei soll nur noch die Gebäude betreiben, die sie auf die Dauer finanzieren kann – das heißt in vielen Fällen: Gebäude umnutzen oder abgeben. In den pfarrlichen Immobilienkonzepten werden „Primär-“ und „Sekundär-Immobilien“ unterschieden. Primärimmobilien sind die pastoral genutzten, die nach den Entscheidungsprozessen in den Pfarreien erhalten bleiben. Sekundärimmobilien sind zur künftigen Umsetzung des „kirchlichen Sendungsauftrags“ wünschenswerte, jedoch nicht erforderliche Immobilien. Diese sollen „nachgenutzt“ werden: verkauft, vermietet oder in Erbbaurecht vergeben werden. „Sieben Pfarreien haben inzwischen ihre Immobilienkonzepte vorgelegt“, sagt René Pourrier. Drei sind bereits vom Erzbischof genehmigt, zum Teil mit Nachbesserungs-Auflagen.
Was zählt, ist nicht nur der Bauzustand
An diesem Prozess sind nicht nur Baufachleute beteiligt. In einer Austauschrunde werden die Konzepte mit anderen Abteilungen besprochen. Die Frage des Standorts ist nicht nur eine Kostenfrage, sondern vor allem eine Frage der pastoralen Erfordernisse.
Aber erst einmal muss man wissen, in welchem Zustand sich die Immobilien befinden und wie sie gegebenenfalls verändert werden könnten. „Wir gehen da professionell vor“, sagt René Pourrier. „Jede Immobilie wird untersucht. Die Ortsbesichtigungen sind nur ein Schritt der Bestandsaufnahme.“ Im nächsten Schritt erfolgt die Nachbereitung und Analyse der Standorte. Letztlich helfe das den Pfarreien – vor allem denjenigen, die keine Bauexperten in den eigenen Reihen haben. „Die Gebäude und Grundstücke sind in der Regel im Eigentum der Pfarreien. Aber einige Pfarreien sind mit den ungewohnten Aufgaben überfordert“, sagt Pourrier. Wie hoch ist der Verkehrswert eines Grundstücks? Was bedeutet eine Umnutzung, wenn der Bebauungsplan der Kommune eine kirchliche Nutzung festgelegt hat? Wie könnte man ein Gebäude umbauen, welche Kosten sind zu erwarten? Wie erfolgt die Finanzierung? All das erfordert professionelle Kenntnisse.
Die Pfarrei St. Franziskus hat gerade ihr Konzept fertig. „Wir wollen alle unsere Kirchen halten“, sagt Pfarrer Matthias Rojek. „Denn wir haben in den letzten Jahren schon drei Gebäude abgegeben.“ Dazu zählt das Pfarrhaus in Hamm (heute Kindergarten) und ein Wohnhaus in Horn, worin jetzt der Konvent der Franziskaner, auch Pater Matthias, wohnt. Trotzdem ist klar: Der Reformprozess ist noch nicht abgeschlossen. Voraussichtlich in drei Jahren wird die Pfarrei ihr Immobilienkonzept erneut überprüfen.
Weiter geht es nach Hamm. Andere Kirche, anderes Umfeld. Hier ist es nicht ruhig. Dafür sorgen allein die Kita und die Schule. Ein Boni-Bus fährt vor, Menschen wimmeln vor der Kirchentür. Hinter der Kirche stehen Bagger für Reparaturen auf dem Schulhof. Auch in Hamm ist die deutsche Gemeinde nicht allein. Der Verein „Feine Ukraine“ betreibt dort eine Beratungsstelle, in der Herz-Jesu-Kirche werden die Messen auf Polnisch, Kroatisch und Deutsch gefeiert. „Hier kann man sich rund um die Uhr den Segen holen“, sagt Ingrid Rex vom Gemeindeteam. Dass die lebendige Herz-Jesu-Kirche bleiben soll, steht für die Gemeinde außer Frage. Renovierungsbedarf gibt es aber auch hier. Wie lange die Erdgas-betriebene Warmluft-Heizung betrieben werden kann, ist heute noch nicht klar. Und fast muss sich Pater Matthias entschuldigen: „Sie sehen, unsere Kirche sieht schmutzig aus. Das darf auch sein. Denn sie ist zuletzt 1985 renoviert werden.“