Profess einer 23-Jährigen
Klartext reden mit Gott
Schwester Maria Serafina an der Tür der Damiano-Grotte, die die Klarissen im Klostergarten errichtet haben. Foto: Dorothee Wanzek |
Sie leben jetzt schon drei Jahre im Kloster. Von Menschen, die sich so jung für eine Ehe entschließen, hört man zuweilen, dass sie irgendwann die Sorge erfasst, sie könnten in ihrem Leben etwas verpasst haben. Kennen Sie dieses Gefühl auch?
Nein, diesen Eindruck hatte ich bisher nicht. Eher habe ich das Gefühl, die anderen verpassen etwas, das ich habe. Klar, nicht jeder ist zum Ordensleben berufen. Ich spüre jedenfalls sehr deutlich: Ich habe den Weg gewählt, auf dem ich mich glücklich fühle.
Was haben Sie in den vergangenen Jahren am Klosterleben am meisten lieben gelernt?
Zuerst fällt mir da das Miteinander ein. Miteinander feiern, Freude haben, aber auch das Ringen um die Einheit. Das ist so etwas Kostbares!
Haben Sie auch Phasen erlebt, in denen Ihre Gewissheit, zum Leben im Kloster berufen zu sein, nachließ? Phasen zum Beispiel, in denen Sie keine Antwort auf Ihre Gebete vernommen haben?
Ja, solche Momente kommen immer wieder. Ich finde aber, mit Gott kann ich Klartext reden wie mit menschlichen Freunden. Ich sage ihm zum Beispiel: „Was hast du da verbockt? Warum hast du mich hierhergeführt?“ Gefühle auszusprechen tut mir gut. Was mir auch hilft, ist, auf meinen Berufungsweg zurückzuschauen. Wenn ich mir all die vielen Kleinigkeiten noch einmal vor Augen halte, die dazu geführt haben, dass ich meine Berufung verstanden habe, dann kann ich einfach nicht anders als an diese Berufung zu glauben. Man kann Geschichte nicht ungeschehen machen, nur weil man daran zweifelt. Man muss natürlich darauf vertrauen, dass das, was man wahrgenommen hat, wahr ist. Das ist genauso, wie wenn man in einen Menschen verliebt ist und es dann irgendwann nicht mehr spürt. Da muss man darauf vertrauen, dass das Gefühl nicht ersponnen, sondern wahr war.
Wenn ich mal nicht so große Lust habe zu beten, mache ich es trotzdem. Das kann und sollte man üben. Ich mache mir klar, dass ich ja nicht in erster Linie beten möchte, damit es mir selbst gutgeht, sondern dass ich Jesus meine Zeit schenken will. Wenn ich keinen Bock habe, sage ich auch manchmal: Jesus, vielleicht kannst du meine Mühe für jemanden verwenden. Ältere Schwestern würden vielleicht sagen: Ich opfere das.
Was fällt Ihnen schwer? Sind das genau die Dinge, die Sie vor Ihrem Klostereintritt erwartet haben oder vor denen wohlmeinende Menschen Sie warnten?
Ein bisschen schwierig sind manchmal genau die Kleinigkeiten, die ich bereits vorhergesehen habe, aber sie sind wiederum nicht so schwierig, dass sie mich davon abgehalten hätten, auf das Große, das mich hier erwartet, zu verzichten. Dass ich gewarnt wurde, kann ich so nicht sagen, aber zuweilen bin ich auf Unverständnis gestoßen, weil ich keinen Beruf habe, um im Falle meines Austritts versorgt zu sein, und weil ich mich freiwillig entschieden habe, nur an einem Ort zu bleiben und die Freiheit aufzugeben, dorthin zu gehen, wohin ich gerade will. Einmal hatte ich in der Tat unglaublich große Lust, Zug zu fahren. Ich musste mich dann ein bisschen gedulden. Natürlich muss ich auf manches verzichten, aber es ist ja nun auch nicht so, dass ich nie die Möglichkeit habe, die Klausur zu verlassen. Es gibt Ausbildungskurse, es gab Treffen von Novizinnen: Mit dem Zug bin ich gefahren, um unsere Seniorin kennenzulernen, die in einem Schwestern-Altenpflegeheim in der Eifel lebt. Ich fühle mich hier am richtigen Platz. Für Prüfungen an der Uni zu lernen, könnte ich mir gerade nur schwer vorstellen, ich war auch nie ein Partymensch.
Was kann das Ordensleben retten? |
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Wir sind ja zuerst Jüngerinnen Jesu und erst dann Ordensfrauen. Wenn wir das vergessen, wird das Ordensleben auf Dauer untergehen. Ich frage mich oft, wie es gut in die Zukunft gehen kann. Ich denke, wir brauchen nicht so viele Regeln, sondern müssen nach dem Wesentlichen fragen. Wichtig ist, miteinander und mit Gott auf dem Weg zu bleiben und dafür auch manche Unsicherheiten in Kauf zu nehmen. Dafür ist es erforderlich, als Schwestern miteinander in Beziehung zu bleiben, viel zu kommunizieren. Das ist mühseliger als sich strikt an Regeln zu halten, aber auch fruchtbarer. Ein Beispiel: Früher gab es Rituale, mit denen Schwestern ihren Oberinnen Respekt bezeugten. Wir haben an unsere Chortür geschrieben „Übertrefft einander in gegenseitiger Achtung!“ Wie dies gehen kann, versuchen wir im Alltag herauszufinden. Äbtissin Maria Clara Faltermaier, Bautzen |
Gehorsam leben und die eigene Persönlichkeit entfalten – geht das eigentlich zusammen?
Unsere Äbtissin achtet darauf, dass wir unsere Persönlichkeit nutzen und einbringen. Ich habe sie manches Mal gefragt: Wie macht man denn hier dieses oder jenes? Sie sagt mir dann nicht: So und so geht es. Sie bringt mich dazu, selbst hinzuhorchen. Sie stellt Fragen: Worum geht es? Was ist dein Ziel? Wie fühlst du es? Einem Befehl zu folgen wäre manchmal einfacher.
Wie geht es Ihnen als Jüngste in einer Gemeinschaft, in der die Älteste Ihre Großmutter sein könnte?
Ich finde es schön, mit einer Oma zusammenzuleben. Es ist bereichernd, dass bei uns praktisch alle Generationen vertreten sind. Oft spielt das Alter eigentlich gar keine Rolle. Manchmal merke ich aber auch, dass wir unterschiedliche Vorstellungen haben, weil wir anders aufgewachsen sind, und das kann das Zusammenleben etwas mühselig machen. Die Musik, die ich liebe, ist den Älteren beispielsweise fremd.
Ich sehe aber auch, wie sie sich öffnen. Sie sagen mir, dass ich manches Neue anstoße, in der Musik oder mit meiner kreativen Art zu kochen. Wir singen jetzt auch Lieder aus dem „Liederwald“ oder neuere Lieder aus dem Gotteslob. Manchmal bekommen wir Lebensmittel geschenkt, von denen niemand von uns so recht weiß, wie man sie isst. Mir macht es Spaß, in der Küche zu experimentieren, und manchmal erfinde ich neue Rezepte, zum Beispiel den Radieschenpuffer.
Wie gehen Sie mit Konflikten um? Machen Sie alles allein mit Gott aus oder sprechen Sie Strittiges an?
Das kommt darauf an, worum es geht. Wenn es um unsere Schwächen geht – die eigenen und die der anderen – muss man manches einfach annehmen oder ertragen. Jede von uns merkt, dass manche unserer Fehler sich kaum bessern, obwohl wir uns solche Mühe geben.
Wenn es Streitpunkte gibt, lässt sich manches zu zweit oder dritt klären, bei schwerwiegenden Themen ist es manchmal gut, wenn alle zuhören. Das kann dabei helfen zu erkennen, worin der eigene Anteil im Konflikt besteht, und eine Lösung oder einen Kompromiss zu finden.
Was empfinden Sie, wenn Sie hören, dass seit einiger Zeit so viele Klöster schließen müssen und dass die Zahl der Ordensfrauen – jedenfalls in Europa – sinkt?
Ich finde das traurig. Wenn ich es höre, frage ich mich: Wo sind diese Klöster stehengeblieben, dass es nicht weitergeht? Ich denke, dass es wichtig ist, auf dem Weg zu bleiben und sich der Frage nicht zu verschließen, was Gott in dieser Zeit von uns möchte. Zugleich empfinde ich Dankbarkeit, in einem Kloster leben zu dürfen, das auf dem Weg ist und wo der Altersdurchschnitt nicht 70 ist.
Ist es eine Frage des Mutes, ins Kloster zu gehen?
Ja und nein. Mir hat es Kraft und Mut gegeben, dass es Menschen gab, die mir gesagt haben: Deine Gedanken, das, was du da spürst, ist richtig. Viele andere haben mir gesagt: Du bist viel zu jung. Ich wollte aber nicht warten, bis ich im Omaalter bin. Ich bin einfach losgegangen, weil ich mir sicher war – und habe es nicht bereut. Als ich auf die Profess zuging, gab es schon Augenblicke, in denen ich nicht sicher war, ob es für diesen Schritt wirklich schon der richtige Zeitpunkt ist. Einen Tag lang war ich total aufgeregt und konnte die Bräute verstehen, die kurz vor der Hochzeit Panik kriegen und weglaufen. Besonders kostbar, um Klarheit zu gewinnen, war die Exerzitienwoche kurz vor der Profess. Nach dieser Woche konnte ich das, was ich fühle, auch ins Wort fassen: Was auch immer kommen mag, das hier ist das, was ich will.
Welche Reaktionen auf Ihre Professfeier haben Sie am meisten berührt?
Als ich mich nach der Profess umgedreht habe und viele gesehen habe, denen Tränen in den Augen standen. Viele haben mir gesagt, wie schön sie den Gottesdienst fanden. Meine Freunde haben musiziert. Von denen, die mir anfangs ihr Unverständnis gezeigt hatten, sagen heute übrigens manche: Wir verstehen dich immer noch nicht, aber wir sehen, dass es dir gut damit geht.
Interview: Dorothee Wanzek