Lösungsentwurf zu Paragraf 219a
Kompromiss bleibt umstritten
Im Streit um den Paragrafen 219a haben sechs Bundesminister einen Lösungsentwurf vorgelegt: Ärzte und Kliniken dürfen über Abtreibungen informieren, das Werbeverbot bleibt aber bestehen. Kirchliche Vertreter sind uneins über den
Vorschlag, Gegnern des Paragrafen geht er nicht weit genug.
Jetzt kann es schnell gehen. Nachdem sich die Bundesregierung auf einen Kompromiss beim Werbeverbot für Abtreibungen verständigt hat, soll die geplante Novellierung zügig vom Bundestag verabschiedet werden. Eine Zustimmung dort gilt als sicher, waren doch an der Einigung sechs Minister von SPD und Union beteiligt. Nach ihrem Gesetzentwurf soll Werbung für Abtreibungen weiter verboten bleiben. Der Paragraf 219a wird aber um einen Passus ergänzt, der Ärzten und Kliniken künftig erlaubt, über ihr Angebot zu informieren. Zudem soll die Bundesärztekammer eine Liste von medizinischen Einrichtungen, die Abbrüche vornimmt, im Internet publizieren.
Das allerdings stößt bei der Deutschen Bischofskonferenz auf Vorbehalte. Wie deren Sprecher Matthias Kopp erklärte, sei die gute Beratung von Frauen in Konfliktlagen zentraler Bestandteil des Konzepts zum Schutz des ungeborenen Lebens. Die geplanten Listen „wären nach unserem Dafürhalten am besten im geschützten Raum der Beratung aufgehoben“, so Kopp. „Da die Beratung für den Schwangerschaftsabbruch verpflichtend ist, wäre auch gewährleistet, dass alle Frauen Zugang zu diesen Informationen erhielten.“ In einer Stellungnahme des Katholischen Büros in Berlin zum Gesetzentwurf heißt es zudem, die geplanten Ergänzungen zum Paragrafen 219a „schießen über das Ziel“ hinaus.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Evangelische Kirche, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und die katholische Schwangerenberatung Donum Vitae begrüßten dagegen die Neureglung. Damit sei neben der Rechtssicherheit für Ärzte sichergestellt, dass sich Frauen gut informieren könnten, sagt die familienpolitische ZdK-Sprecherin Birgit Mock. Zugleich sei damit gewährleistet, dass Abtreibungen weiterhin nicht als gewöhnliche Dienstleistung verschleiert werden könnten. Ein Abbruch bleibe eine rechtswidrige und nur „unter klar definierten Voraussetzungen straffreie Handlung“.
Verurteilung von Kristina Hänel entfachte die Debatte
Die Debatte über das Werbeverbot wurde entfacht, als die Ärztin Kristina Hänel 2017 wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 219a zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Die SPD wollte das Gesetz abschaffen, zog aber einen Antrag wieder zurück, um den Koalitionsfrieden zu wahren. Die Union bestand darauf, den Paragrafen zu belassen. Er untersagt „das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen“ von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in „grob anstößiger Weise“ geschieht.
Wie es weitergeht, lässt sich derzeit noch nicht exakt sagen. Gut möglich, dass sich im Bundestag noch einmal ein besondere Dynamik entwickelt, da dort eine Mehrheit – Grüne, Linke und viele SPD-Abgeordnete – den Paragraf 219a gerne ganz abschaffen will. Klar ist zudem, dass es vielen Gegnern des Werbeverbots, etwa der Humanistischen Union, um viel mehr geht. Sie wollen auch den Paragraf 218 kippen und damit Abtreibungen insgesamt legalisieren. Dann muss die Kirche laut
werden.
Andreas Kaiser