Streit um das christliche Symbol
Kruzifix nochmal!
Das Kreuz - wieder einmal Stein des Anstoßes. Dieses Mal in Bayern, wo in jedem staatlichen Dienstgebäude künftig ein Kreuz hängen soll.
Das Kreuz als Symbol für den gewaltsamen Tod Jesu war schon immer ein Zeichen des Anstoßes. Den Juden erschien es als Ärgernis, den Heiden als eine Torheit, erfuhr der Apostel Paulus, wenn er auf Marktplätzen und in Synagogen predigte. Und auch für Muslime, so müsste man heute hinzufügen, ist das Kreuz das reinste Gräuel.
Im öffentlichen Raum einer säkularen Gesellschaft hat indes die dominante Präsenz dieses für Christen zentralen Symbols an Selbstverständlichkeit verloren. Ob auf Bergen, in der Schule oder Gerichtssälen stellt sich die Frage: Aufhängen oder abnehmen?
Ein Miesbacher Jugendrichter ließ zu Jahresbeginn im Prozess gegen einen afghanischen Asylbewerber das Kruzifix aus dem Verhandlungssaal entfernen. Er wollte dem Angeklagten damit verdeutlichen, dass in Deutschland die Religion nicht über dem weltlichen Gesetz und auch nicht über der Justiz steht. Anlass dafür war der Fall selbst: Laut Zeugenaussagen hatte der Sympathisant eines radikalen Islam einen geflohenen Landsmann bedroht, weil dieser Christ geworden war. Der Richter erhielt daraufhin wütende Anrufe und böse E-Mails: Ohne Not habe er ein "kulturell-religiöses Hoheitssymbol" preisgegeben.
Das neue bayerische Kabinett unter Markus Söder (CSU) hat einen Beschluss gefasst, der die Debatte erneut aufflammen lässt. Im Eingang jedes staatlichen Dienstgebäudes soll künftig ein Kreuz hängen. Das Echo ließ nicht lange auf sich warten: Der Humanistische Verband Deutschlands wehrt sich gegen "Zwangskruzifixe", der Nürnberger SPD-Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen wittert einen "politischen Missbrauch der Religion", Studentenvertreter kündigen Widerstand an.
Der Freie Wähler-Europaabgeordnete Arne Gericke empört sich: "Unser Kreuz ist keine Lederhose!" Söders "Kreuz-Zug" sei nur scheinbar geschickt, in Wahrheit aber ein billiges Wahlkampfmanöver. Bayerns Regierungschef erweise dem christlichen Glauben einen Bärendienst, wenn er das zentrale Symbol der Christen "zur weiß-blauen Heimattümelei erklärt".
Tatsächlich hatte Söder den Kabinettsbeschluss mit der Bemerkung begründet, das Kreuz sei kein Zeichen einer Religion und damit auch kein Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht. Vielmehr handle es sich um das grundlegende Symbol "unserer bayerischen Identität und Lebensart".
Erbitterter Streit um Schulkreuze
Das weckt Erinnerungen an den jahrzehntelang erbittert ausgefochtenen Streit um die bayerische Tradition der Schulkreuze. 1995 erklärte Karlsruhe Kruzifixe in Klassenzimmern für verfassungswidrig. Daraufhin demonstrierten mehrere Zehntausend auf dem Münchner Odeonsplatz, Bischöfe und CSU-geführte Staatsregierung im Schulterschluss. Am Ende sorgte ein nach Jahren wiederum höchstrichterlich bestätigtes Landesgesetz dafür, dass die Kreuze hängenblieben, in Einzelfällen aber auf Wunsch von Schülern, Eltern oder Lehrern entfernt werden müssen.
Und was sagen die Kirchen jetzt? Wer ihre jüngsten Stellungnahmen genauer liest, erkennt in ihnen nicht einfach Rückendeckung für Söders Initiative. So sehr man sich freut über die öffentliche Präsenz des Kreuzes, so deutlich lässt sich die Mahnung vernehmen, dass es dabei um mehr als bloße Symbolpolitik gehen müsse. Als staatliches Identitätszeichen will man das Kreuz auf keinen Fall verstanden wissen, sagt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Er spricht von einem Zeichen der Versöhnung, des Friedens und der Solidarität.
Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm betonte, zur Botschaft des Kreuzes zählten Menschenwürde, Nächstenliebe und Humanität. Der katholische Bochumer Theologieprofessor Georg Essen dagegen sieht in dem Beschluss und der Begründung Söders nichts weniger als eine "veritable Häresie". Demnach wäre Söder ein Ketzer.
Muss der Ministerpräsident nun die Inquisition fürchten? Politisch eher nicht. Nach dem Urteil seines Vor-Vorgängers Edmund Stoiber hat der evangelische Franke bisher alles richtig gemacht. Die Umfragewerte für die CSU steigen. Alles hat sich dem Ziel unterzuordnen, dass die absolute Mehrheit der bayerischen Wähler im Oktober an der richtigen Stelle - genau - ihr Kreuzchen macht.
kna