Kunstwerk verbindet Kirchen

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Seit 40 Jahren hängt die „St. Lucius“ in St. Petrus in Finkenwerder. Poul Erik Thomsen hatte das Modellschiff dem Bischof von Kopenhagen geschenkt. Dr. Martensen gab es mit Zustimmung des Erbauers nach Hamburg weiter.

Die Steuerbordseite des Modellschiffs „St. Lucius“ von Poul Erik Thomsen in St. Petrus Finkenwerder
Die Steuerbordseite des Modellschiffs „St. Lucius“ mit Apostel-Figuren. Der dänische Katholik Poul Erik Thomsen hatte mehr als zwölf Jahre lang an dem Kunstwerk gearbeitet.  Fotos: Matthias Greve

Die „St. Lucius“ ist das Lebenswerk des dänischen Katholiken Poul Erik Thomsen aus Roskilde. Er schenkte dieses Modell eines mittelalterlichen Linienschiffs dem damaligen Bischof von Kopenhagen, Dr. Hans Ludwig Martensen SJ (1927 bis 2012, Bischof in Dänemark 1965 bis 1995), als Votivgabe für Gesundung nach schwerer Krankheit. Mit Zustimmung des Erbauers gab Bischof Martensen das Schiff als Geschenk an die Kirche von Hamburg weiter, wo 1974 bis 1977 Dr. Hubertus Brandenburg (1923 bis 2009) als Osnabrücker Weihbischof und Bischofsvikar den Verband der katholischen Kirchengemeinden leitete. Bischof Martensen mochte sich wohl daran erinnert haben, dass dieser die Nordischen Bischöfe zu ihrer Konferenz im Februar 1975 nach Hamburg eingeladen hatte und alle am 3. Februar an der ökumenischen St.-Ansgar-Vesper in der Hauptkirche St. Petri teilnahmen.

Historische Zeichnungen dienten als Vorlage

Das Modellschiff „St. Lucius“ hängt in St. Petrus in Hamburg-Finkenwerder
Die „St. Lucius“ in St. Petrus Finkenwerder.

Thomsen arbeitete an diesem Schiff als Komposition nach his­torischen Zeichnungen mehr als zwölf Jahre. Gründlich studierte er die einschlägige Literatur und vorhandene Schiffsmodelle in Kopenhagen und Stockholm, um mit der „St. Lucius“ das Modell eines mittelalterlichen Schiffes zu erstellen, wie es um das Jahr 1500 von der Bremerholmens-Werft in Kopenhagen hätte gebaut werden können. Er nannte dieses Schiff nach dem Märtyrerpapst Lucius I. (253 bis 254). Dieser ist der Patron der Domkirche von Roskilde. Über einem Nordportal der Kirche ist er auf einer runden Kupferplatte dargestellt. 

Die Kirche in Roskilde geht in ihren Anfängen auf das 10. Jahrhundert zurück. Seit dem 15. Jahrhundert ist sie die bevorzugte Grabstätte des dänischen Könighauses. Im 11. Jahrhundert erhielten Chorherren des Stiftes bei einer Reise nach Rom aus der Kalixtus-Katakombe die Gehirnschale des heiligen Papstes, den der heilige Kyrillos von Alexandrien (gest. 444) als Nachfolger des Papstes Kornelius (gest. 253) und Märtyrer aus der Verfolgungszeit des Kaisers Valerian (253 bis 259) rühmend erwähnt. Diese vornehmste Reliquie der Domkirche erhielt im Lauf der Zeit ein wertvolles Reliquiar, das sich noch heute im dortigen Domschatz befindet. Die Reliquie selber wurde in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts an die katholische Domkirche St. Ansgar in Kopenhagen gegeben und erhielt dort ein neues Reliquiar, das alljährlich in feierlicher Prozession durch die Kirche getragen wird. (Fest am 4. oder 5. März).

96 Kanonen auf drei Schiffsdecks

Das Linienschiff „St. Lucius“ fand in Hamburg seine Heimat in der St. Petrus-Kirche in Finkenwerder. Mit einer Winde kann es zu eingehender Betrachtung auf Augenhöhe herabgelassen werden. Dann erkennt man auf der Heckseite das Bild der Domkirche von Roskilde, umrahmt von den Stadtgründern und Heiligenfiguren. Die Backbord- und die Steuerbordseite sind mit Bildern aus dem Alten und Neuen Testament geschmückt, zudem mit den Figuren der zwölf Apostel, auf jeder Seite sechs. Über drei Schiffsdecks reichen die Mündungen für 96 Kanonen. Engel schauen versöhnlich darauf nieder.

Auf einem Kleinlaster war das Schiff „St. Lucius“ noch ohne Takelage im September 1977 nach Hamburg gekommen. Poul Erik Thomsen arbeitete vier Wochen vor Ort, um Masten und Rahen, Spill und Winsch und das letzte Stück Tampen an den richtigen Platz zu bekommen. Er war fest davon überzeugt, dass sein Schiff voll seetüchtig war, zu Wasser gelassen werden und segeln könnte. Aber weil es als Votivschiff seinen Platz in einer Kirche finden sollte, wollte er das doch lieber nicht experimentell ausprobieren.

Dann konnte am 29. Oktober 1977 die „St. Lucius“ durch Weihbischof Brandenburg und den damaligen Gemeindepfarrer Augustinus Cordes (1929 bis 2003) bei einem Festgottesdienst mit anschließendem Empfang im Gemeinderaum feierlich gesegnet werden. An der Feier nahmen auch viele Familienangehörige und Freunde von Poul Erik Thomsen teil sowie der damalige Generalvikar von Kopenhagen, Ib Andersen. Weihbischof Brandenburg wies in seiner Ansprache auf die engen Beziehungen zwischen den Katholiken Dänemarks und Hamburgs hin und auch auf die verbindende Seefahrt, die beiden Ländern so viel bedeutet. Damals ahnte noch niemand, dass Brandenburg am 21. November 1977 zum Bischof von Stockholm ernannt werden würde.

Auch gerade nach der Wiederbegründung des Erzbistums Hamburg ist dieses Kunstwerk in der von dem Architekten Karlheinz Bargholz (1920 bis 2015) in den Jahren 1956 bis 1958 erbauten Kirche, der heutigen Klosterkirche der Karmelitinnen von der Menschwerdung Christi, eine ständige Mahnung und Erinnerung, die Verbindungen zu den nordischen Kirchen zu pflegen.

Text: Msgr. Wilm Sanders