Nachfrage nach Kuraufenthalten wächst

Langes Warten auf Erholung

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Bundesweit beobachtet das Müttergenesungswerk einen Ansturm auf Kuren für Mütter und Väter. Das gilt auch für die Caritas im Bistum Osnabrück. Drei Beraterinnen aus dem Emsland und Twistringen sprechen von einer "Ausnahmesituation".


Auszeit für Körper, Geist und Seele: Gerade nach den Herausforderungen der vergangenen zwei Corona-Jahre brauchen viele Mütter und Väter jetzt eine Kur. Foto: imago images/PhotoAlto

„Wir werden fast überschwemmt von Anfragen“, sagt Birgit Kröger, die in der Kurberatung der Caritas in Meppen arbeitet. Auch ihre Kolleginnen Maria Schürmann in Sögel und Claudia Wengorz in Twistringen erleben kaum einen Tag, an dem nicht Mütter und Väter vor ihnen sitzen und eine Kur beantragen wollen. Alle drei sprechen von einer Ausnahmesituation, „die wir so noch nicht erlebt haben“. Gern helfen die Beraterinnen bei der Suche nach einem Platz, aber das ist in diesen Wochen mühsam. Denn viele Kurhäuser sind voll belegt. „Wer jetzt eine Kur beantragt, kann meist erst im nächsten Jahr fahren“, erklärt Kröger.

Die hohe Nachfrage und Auslastung hängt nicht nur damit zusammen, dass viele Eltern ihre schon vor Corona bewilligte, aber dann ausgefallene Kur jetzt nachholen. Sondern auch, weil nach über zwei Jahren Pandemie mit Lockdowns und Einschränkungen, mit Homeschooling und Homeoffice, mit Schul- und Kitaausfällen die Not in den Familien größer geworden ist. Maria Schürmann, Birgit Kröger und Claudia Wengorz erleben regelmäßig Frauen, die schon nach den ersten Worten in Tränen ausbrechen.

Tränen schon bei den ersten Worten

„Ich sehe mehr weinende als nicht weinende Mütter“, sagt Schürmann. Weil sie völlig fertig sind und kaum noch Kraft haben. Kröger und Wengorz, die manche Erlebnisse aus eigener Erfahrungen gut nachvollziehen können, wundert das nicht. „Die Mütter haben viel aushalten müssen – ohne zeitweise irgendeinen Ausgleich“, sagt Wengorz. Mutter-Kind-Gruppen konnten sich nicht treffen, Babykurse fielen aus, Beratung war nur eingeschränkt möglich. „Über viele Wochen hinweg ging ja fast gar nichts.“ Und der Ukraine-Krieg hat die Belastungen noch mal verstärkt, weil Zukunftsängste vielen Familien zu schaffen machen.

Maria Schürmann spricht von „Höchstleistungen“ der Mütter und hat größte Hochachtung. Zugleich macht sie darauf aufmerksam, dass auch pflegende Angehörige und Väter oft deutlich kurbedürftiger sind als noch vor Corona. Die Männer haben nach ihren Worten gleichermaßen den Stress in der Familie erlebt und konnten nicht immer durch flexible Arbeitsbedingungen darauf reagieren. „Ich habe auch viele Väter sehr unter Druck erlebt.“

Daher wünschen sich zunehmend mehr Eltern, als Paar gemeinsam mit den Kindern eine Kur machen zu können. Aber das ist nach Worten der Caritas-Beraterinnen schwierig. „Faktisch ist das kaum möglich, weil nur der oder die mit der Haupterziehungsverantwortung eine Kur beanspruchen kann.“ Ihrer Ansicht stimmen diese Rahmenbedingungen in der derzeitigen Situation nicht mehr. „Heute ist es meist so, dass beide Elternteile arbeiten und sich die Erziehungsverantwortung teilen.“

Manche Mütter haben ihre Erschöpfung unterdrückt

Nicht nur die Nachfrage nach Kuren steigt massiv an, auch die Kurberatungsstellen selbst haben deutlich mehr Besuch. Vor Corona kamen erholungssuchende Mütter zwei- oder dreimal, um vorab Fragen zu klären. „Jetzt haben wir sechs bis sieben Kontakte“, sagt Kröger. Und dabei geht es nicht mehr nur in erster Linie um den Antrag, Formalien und die Suche nach einem Kurhaus. Sondern um das Gespräch selbst als erste Entlastung. „Die Beratung hat einen viel höheren Stellenwert bekommen. Mittlerweile schicken manche Ärzte die Frauen schon deshalb zu uns“, sagt Schürmann. „Unsere Gespräche haben noch nie so viel Wert gehabt wie jetzt.“

Die Beraterinnen wollen den Frauen dabei das Gefühl geben, dass sie sich nicht rechtfertigen müssen für ihre Bitte nach Erholung. Wenn Claudia Wengorz nach dem Empfinden der Mütter fragt, erlebt sie oft, dass ein Vorhang fällt und dann Tränen fließen. „Als ob sie jemand zum ersten Mal richtig wahrnimmt.“ Denn manche haben sich und anderen gegenüber die Situation schön- und ihre Erschöpfung kleingeredet. In den Gesprächen mit den Kurberaterinnen hören sie Anerkennung und Wertschätzung – hören, dass sie müde sein dürfen, dass die vergangene Zeit einfach zu viel war. „Sie sind dankbar, dass sie gehört und gesehen werden und sie bekommen das Gefühl, da nimmt mich jemand ernst und jetzt passiert endlich was.“ Wie Wengorz wünscht sich Maria Schürmann, dass eine Kur nicht als Versagen gewertet wird, sondern eher als „Ich passe gut auf mich auf. Ich mach das jetzt für mich“.

Kleine Oasen im Alltag entdecken

Etwas für sich zu tun, das raten die Caritas-Frauen ihren Klientinnen ausdrücklich, denn bis zum Antritt der Kur kann es dauern. „In der Zwischenzeit muss aber schon etwas passieren“, sagt Birgit Kröger. Das können zum Beispiel wiederholte Gespräche mit den Beraterinnen sein, die auch an andere Einrichtungen vermitteln oder sich beim Bistum erkundigen, ob es andere Auszeiten gibt.

Und sie empfehlen, zu Hause anzufangen. „Es gibt kleine Oasen im Alltag“, sagt Schürmann. „Die muss man entdecken.“ Das kann die Tasse Tee auf der Terrasse sein, der Spaziergang mit der Freundin oder eine Meditation per Kopfhörer. „Und dafür darf man jemanden fragen, der mal eine halbe Stunde auf die Kinder aufpasst“, findet Birgit Kröger. Eins raten die drei Caritas-Frauen allen Erholungssuchenden: nicht zu lange warten und rechtzeitig auf die Bremse treten. „Zu uns kommen, abladen, nicht passiv bleiben, sondern aktiv werden. Das ist der wichtigste Schritt“, sagt Maria Schürmann.

Petra Diek-Münchow

Der Caritasverband bietet an 16 Orten im Bistum Kurberatung an. Die Hilfe reicht unter anderem vom Erstgespräch, dem Antrag und der Vorbereitung auf die Maßnahme über Gespräche mit den Krankenkassen bis hin zur Nachbereitung. Mehr Infos dazu gibt es auf der Homepage der Caritas Osnabrück.