Ute Rosenbach ist Lehrerin aus Berufung
Lehren und lernen
Foto: Stefan Schilde
„Mein Beruf erfüllt mich, weil ich den Kindern und Jugendlichen etwas mit auf den Weg geben kann. Aber ich kann mich auch kritisch anfragen lassen.“ Lehrerin zu sein, ist für Ute Rosenbach nicht nur Beruf, sondern Berufung. Beim Unterrichten fühle sie sich lebendig, gerade, wenn sie bei ihren Schülern auf positive Resonanz stoße. „Es kam vor, da wurde am Ende der Stunde geklatscht.“ Erfahrungen wie diese, sagt sie, motivieren sie auch nach 35 Jahren täglich aufs Neue.
Dabei wollte sie eigentlich Musikerin werden. 1959 in Mönchengladbach geboren, sang sie im Kinderchor ihrer Heimatgemeinde; in den Choralämtern, bei denen ihr Vater sang, sei die Orgelbühne ihr „zweites Zuhause“ gewesen, sagt sie. Später spielte sie Klavier und Geige im Jugendsinfonieorchester. Ihr Urgroßonkel war der Militärkapellmeister und Komponist Franz Doelle, auf dessen Musik der Stummfilm „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ von 1929 beruht.
Doch als Ute Rosenbach vor dem Abitur stand, starb ihr Vater. Als älteste von drei Schwestern, die jüngste erst zwei Jahre alt, wurde sie fortan von ihrer Mutter in Entscheidungen eingebunden. „Die Situation war für meine Mutter sehr hart. Die Gespräche mit ihr waren nicht einfach. Sie hat oft mit Gott gehadert. Dabei war ich ja ihre Tochter, nicht Seelsorgerin“, sagt Rosenbach heute.
Mit all dem fertigzuwerden, dabei halfen Gespräche mit ihrem Religionslehrer und mit Priestern, „mehr aber noch philosophische Gespräche mit Freunden“, sagt sie. Prinzipiell an Gott gezweifelt habe sie deswegen nicht. „Ich habe es als meine Aufgabe gesehen, mein Leben weiterzuführen.“
Aber es gab Auswirkungen auf ihre Berufswahl. „In unserer Situation brauchte ich etwas, mit dem ich festes Geld verdienen konnte.“ Inspiriert von ihren „sehr glaubwürdig wirkenden“ Religionslehrern, entschloss sie sich, Latein und katholische Theologie für das Lehramt zu studieren. Musiklehramt wäre nicht infrage gekommen. „Da hätte ich deutlich mehr Zeit zum Üben gebraucht.“
Am Anfang musste sie kämpfen
Weil in Nordrhein-Westfalen Lehrerschwemme herrschte, verschlug es sie zum Referendariat nach (West-)Berlin, an die Schadow-Oberschule in Zehlendorf. 1988 wechselte sie ans Canisiuskolleg der Jesuiten. Womit sie nicht gerechnet hatte: „Gerade in meiner Anfangszeit bin ich von den Schülern stark provoziert worden.“ Viele in ihrer Klasse hätten partout keine theologischen Texte lesen wollen. Hinzu kam: „Ich war die erste weibliche katholische Religionslehrerin am Canisiuskolleg. Ich musste mir erst mal Respekt verschaffen.“ Am Anfang, erzählt sie, hätten einige Jungs demonstrativ die Zeitung aufgeschlagen, wenn sie ins Klassenzimmer kam.
Das ist lange vorbei. Ute Rosenbach erhielt bald positives Feedback. Manche Schüler hätten ihr bescheinigt: „Bei Ihnen in Religion haben wir das Denken gelernt.“ In Religion, sagt die Lehrerin, erfahre man nicht nur viel über Gott und den Glauben, „sondern auch: Wie gehe ich mit einem Text oder mit Ideologien um, die ich befremdlich finde?“
Doch auch der Lateinunterricht könne viel bewirken. „Das Schönste ist, wenn man merkt, die wollen das wirklich: lernen, wie sich die Sprache auf das Denken auswirkt.“ Einige ihrer Latein-Schüler, so Rosenbach, seien später sogar Priester geworden.
Im Unterricht versuche sie, ihren Stoff in die Fragen der Schüler einzubetten. „Zum Beispiel Fragen nach Arm und Reich, oder wie man mit Mobbing umgehen kann.“ Eine Schülerin habe anderthalb Jahre mit dem Krebs gekämpft. „Wir haben darüber gesprochen, sind nach der Stunde in die Kapelle gegangen, haben Kerzen arrangiert und gebetet.“ Über einen Computer-Avatar habe man das Mädchen manchmal aus dem Krankenhaus in den Unterricht zugeschaltet, um zu zeigen: Wir sind mit dir.
Heute seien die Fragen, die Schüler an sie stellen, auch andere: „Ein Mädchen wollte wissen, warum meine Generation nichts gegen den Klimawandel unternommen hat. Ich versuchte, ihr zu erklären, dass die Sorgen der Nachkriegsgenerationen damals andere waren.“ Sie habe festgestellt, dass der traditionelle Glaube bei jungen Menschen an Bedeutung verliere, das entstandene spirituelle Vakuum aber dennoch gefüllt werde wolle.
Sie engagiert sich für neue Liturgien
Diese Entwicklung habe nicht nur schlechte Seiten, findet sie. „Als Lehrerin kann ich auch von den Schülern lernen.“ Das Mädchen, dem der Klimaschutz sehr am Herzen lag, habe vorgeschlagen, dass die ganze Schule sich in der Fastenzeit mit dem Problem von zu viel Plastik beschäftigen soll. Der bisweilen kontroverse Austausch mit ihren Schülern, so Rosenbach, bringe sie auch persönlich stetig weiter.
In ihrer Gemeinde St. Otto in Berlin-Zehlendorf schreibt sie Beiträge für den Pfarrbrief, engagiert sich im Liturgieausschuss, führt mit ihren Mitstreitern neue geistliche Formate ein: „Praise & Pray“ (moderner Lobpreis), „Jazz meets Mystic“ (Jazz, moderner Liturgiegesang und Gregorianik) oder „Sonntag 17:30“, das mit verschiedenen Elementen spielt und sich stetig entwickelt.
Ginge es nach ihr, sollte die Kirche offener für andere Gottesdienstformen sein. „Wenn sie sich zu sehr auf die Eucharistie konzentiert, erstarrt sie und fördert den Klerikalismus.“ Sie habe selbst erlebt, dass Gemeindemitglieder, die etwas gestalten wollten, mit ihren Anliegen von Priestern wieder weggeschickt worden seien. „Ich selbst lasse mich davon nicht entmutigen, aber das gelingt nicht allen“, sagt Ute Rosenbach. Sie habe entschieden: „Ich bleibe dabei – auch wegen der vielen anderen, die etwas bewegen wollen.“
„Ungerecht“ findet sie, wie ihre Kirche mit Homosexuellen umgeht, aber auch mit Frauen. „Warum soll es eine Frau nicht wert sein, Christus zu vertreten, auch in Weiheämtern?“, fragt sie. Auch die Kirche sei im Laufe der Jahrhunderte immer im Fluss gewesen und habe sich verändert. Sie habe erlebt, wie Schülerinnen wegen der Stellung der Frau aus der Kirche ausgetreten sind.
"Es muss Orte geben, wo man mit seinem Gott ganz allein ist."
Neue Kraft tankt Ute Rosenbach bei Einkehrtagen und Exerzitien. „Es muss Orte geben, wo man mit seinem Gott ganz allein ist, ohne Termine im Hinterkopf. Nur mit einer Bibelstelle, in die man sich hineinbegibt und die dann regelrecht lebendig wird.“
Besonders die Einzelexerzitien der Jesuiten hätten ihr viel gebracht. Als sie noch ein junges Mädchen war, waren es die Exerzitien der Steyler Missionare.
Eine weitere Kraftquelle ist Ute Rosenbach die Musik geblieben. Diese sei verbindendes Element ihrer Familie. „Mein Sohn ist Jazztrompeter, meine Tochter wird Lehrerin für Biologie und Musik.“ In der „Langen Nacht der Religionen“, in der unterschiedlichste Religionsgemeinschaften in Berlin Interessierten ihre Pforten öffnen, musiziert sie mit ihrer Tochter, bildet mit ihr ein Klezmerduo mit Violine und Keyboard.
Unter den Komponisten schätzt sie Gustav Mahler: „Das Mystische, die Vielschichtigkeit, dass so viel Unerwartetes passiert. Die Bandbreite an Instrumenten und die dadurch entstehende Klangfarbenfülle. In diese Musik kann ich mich fast schon hineinlegen und darin baden.“ Und wenn sie selbst singt? „Dann glaube ich auch daran, was ich singe. Wenn ich im Gottesdienst Psalmen vorsinge, dann verkündige ich. Auch so finde ich zu Gott.“