"Die Fragen der Menschen"

Leichte Sprache in der Kirche

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„Die Fragen der Menschen“: Hier stehen Antworten , die Klarheit bringen. Zum Thema Leichte Sprache antwortet Anne Badmann, Referentin für Bildungsangebote in Leichter Sprache bei der KEB im Bistum Limburg.

Anne Badmann Foto: privat
Anne Badmann ist Referentin bei
der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB)
im Bistum Limburg.

Was ist Leichte Sprache?

Leichte Sprache ist eine stark vereinfachte Form der deutschen Sprache, die vor allem in der Schriftsprache Anwendung findet. Leichte Sprache ist ein feststehender Begriff, daher das große „L“. Die Leichte Sprache wurde entwickelt, um Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistigen Behinderungen die Möglichkeit zu geben, sich zu informieren und ihnen so Handlungsspielräume zu eröffnen. Nur wer sich zum Beispiel über den Wohnungsmarkt oder Bildungsangebote informieren kann, ist in der Lage, selbstständig Entscheidungen zu treffen.

Leichte Sprache folgt Regeln, die sich sowohl auf die Sprache selbst als auch auf die Gestaltung der Texte beziehen. Gebräuchliche, kurze Wörter und ein einfacher Satzbau sowie eine übersichtliche Gliederung der Texte erleichtern ungeübten Lesern den Zugang. Zum Text passende Bilder helfen beim Verstehen und erhöhen die Lese-Motivation. Texte in Leichter Sprache sollten von der Zielgruppe geprüft werden, also in der Regel von Menschen mit geistigen Behinderungen. Sie sind die wahren Experten für Leichte Sprache, weil nur sie entscheiden können, ob ein Text verständlich ist.

Leichte Sprache ist in der Regel ein alternatives Angebot zu den Standardtexten. So wie jemand mit Rollstuhl statt der Treppe eine Rampe oder einen Fahrstuhl braucht, benötigen einige Menschen Leichte Sprache, um teilhaben zu können.

Wer sind die Nutzer?

Neben Menschen mit geistigen Behinderungen profitieren von Leichter Sprache zum Beispiel auch Menschen mit Demenz, Gehörlose, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen und gering literalisierte Menschen, also Menschen mit unzureichender Lesekompetenz. Die aktuelle Level-One Studie (LEO, 2018) zeigt, dass 4,2 Prozent der deutsch sprechenden Erwachsenen keinen Satz und weitere zwölf Prozent keinen kurzen Text sinnerfassend lesen können. Insgesamt gibt es also mindestens 6,2 Millionen Menschen in Deutschland, die keine Fahrpläne lesen, keine Mietverträge verstehen und keine Wahlbenachrichtigung als solche erkennen können.

Warum muss Kirche sich damit beschäftigen?

Leichte Sprache ist ein wichtiger Beitrag zu Inklusion, also zu gleichberechtigter, selbstbestimmter Teilhabe aller Menschen. Ich verstehe Inklusion als zutiefst christlichen Auftrag. Bereits im Alten Testament lesen wir: Gott hat die Menschen nach seinem Abbild geschaffen. Gott nimmt uns demnach so an, wie wir sind – mit all unseren Unterschieden, Unzulänglichkeiten und Krankheiten.

Auch im Neuen Testament wird an vielen Stellen betont, dass jeder Mensch gleich wertvoll ist. Jesus selbst hat Menschen mit Behinderungen, Alte, Schwache und Kranke immer wieder in den Mittelpunkt seines Handelns und seiner Gleichnisse gestellt. Mir gefällt besonders eine Erzählung des Evangelisten Markus: Helfer können einen gelähmten Mann wegen der Menschenmenge nicht zu Jesus bringen. Kurzerhand tragen sie den Mann auf das Dach des Gebäudes, machen einen Durchbruch und lassen den Mann in seinem Bett an Seilen zu Jesus herab (Markus 2,1-12). Die Helfer überwinden die Barriere mit Hartnäckigkeit, Kreativität und hohem persönlichen Einsatz. Das sollte uns Ansporn sein. Nicht die Menschen sind behindert, sondern wir als Gesellschaft behindern sie – durch Bauwerke, Gewohnheiten und Gedankenlosigkeit.

Welche Arten von Texten werden übersetzt? Auch theologische Fachtexte oder Predigten? Gibt es die Bibel in Leichter Sprache?

Entwickelt wurde die Leichte Sprache ursprünglich, damit Menschen mit geistigen Behinderungen amtliche Vordrucke, Anträge und Verträge, die sie betreffen, verstehen können. Bundesbehörden müssen seit 2011 Informationen in Leichter Sprache über ihre Internetangebote vorhalten. Inzwischen gibt es Texte zu unterschiedlichsten Themen wie zum Beispiel Kochbücher, Stadt- und Museumsführer und Patienteninformationen. Einige Verlage haben sich auf Romane in einfacher Sprache und Übersetzungen von literarischen Klassikern wie „Robinson Crusoe“ spezialisiert.

Das Projekt „Evangelium in Leichter Sprache“ stellt jede Woche das Sonntagsevangelium in Leichter Sprache kostenlos im Internet zur Verfügung und hat diese Texte auch in Buchform herausgebracht. Predigten in Leichter Sprache gibt es vor allem in Einrichtungen für Menschen mit geistigen Behinderungen und in bewusst inklusiv gestalteten Gottesdiensten. Das Hirtenwort von Bischof Georg Bätzing (Limburg) wird regelmäßig in Leichte Sprache übersetzt. Zurzeit arbeiten wir an Begleitmaterialien in Leichter Sprache zu „Katharinas Spuren“ in Dernbach, um Leben und Wirken der Heiligen Katharina Kasper noch mehr Menschen näherzubringen.

Welche Schwierigkeiten gibt es beim Übersetzen?

Sprache ist in der Regel nicht eindeutig. Sender und Empfänger einer Botschaft interpretieren das Gesagte oder Geschriebene möglicherweise ganz unterschiedlich. Es ist also wichtig, vor der Übersetzung eines Textes in Leichte Sprache zunächst die Intention der Verfasserin oder des Verfassers und die Lebenswirklichkeit der Zielgruppe in den Blick zu nehmen. Erst dann werden die Kernaussagen des Ursprungstextes übersetzt, was nicht Satz für Satz und auch nicht in der gleichen Reihenfolge geschehen muss. Aus diesem Grund gibt es bisher weder ein Übersetzungsprogramm noch ein wirklich gutes Wörterbuch der Leichten Sprache.

Als besondere Herausforderung empfinde ich die Tatsache, dass durch das Weglassen von sprachlicher Variation, bildhafter Ausdrücke und Sprachwitz eher nüchterne Texte entstehen, die nicht immer als schön empfunden werden.

Muss da manches nicht sehr verkürzt wiedergegeben werden? Hinterlässt das ein ungutes Gefühl?

Leichte Sprache geht häufig mit einer inhaltlichen Verkürzung einher, um die Lesbarkeit zu verbessern und die Lese-Motivation aufrechtzuerhalten. Ich schreibe viele Texte in Leichter Sprache selbst und stelle fest, dass meine Gedanken schon beim Verfassen klarer und strukturierter sind als sonst. Beim Übersetzen fremder Texte ist es wichtig zu verstehen, was genau gemeint ist, weil man nur dann die Grundgedanken richtig wiedergeben kann. Wenn das mit Sorgfalt und, wenn möglich, in Abstimmung mit der Verfasserin oder dem Verfasser des Originals geschieht, hinterlässt es bei mir sogar ein gutes Gefühl. Schließlich weiß ich dann, dass ich den Text verstanden, das Wesentliche herausgearbeitet und für andere Menschen einen Zugang zu diesem Text geschaffen habe.


Fragen zusammengestellt von Heike Kaiser.