Impuls zur Sonntagslesung am 24. Dezember: Heiliger Abend
Liebe ist ... ein Angebot
Foto: kna/Harald Oppitz
Es ist manchmal schwierig mit der Liebe. Besonders dann, wenn sie einseitig ist, wenn er oder sie sich in jemanden verguckt hat, der oder die diese Gefühle nicht erwidert. Dann helfen weder Blumensträuße noch Komplimente. Und auch die Verwendung eines Zaubertranks, von dem Geschichten aus vielen Jahrhunderten erzählen, endet nie gut. Liebe ist ein Angebot, mein Angebot. Ob jemand anderes es annimmt, liegt nicht in meiner Hand.
Noch nicht einmal Gott kann – oder will – Liebe erzwingen. Obwohl er nie aufgehört hat, sie anzubieten, wie so viele Geschichten im Alten Testament erzählen: angefangen bei Adam und Eva über Rettungsgeschichten wie den Auszug aus Ägypten bis hin zu den Propheten.
Manche sagten Ja zu dieser Liebe, zum Beispiel Jesaja, der nach einer Gottesvision antwortete: „Hier bin ich!“ Viele andere sagten Nein. Wie diejenigen, die lieber ein goldenes Kalb verehrten als einen unsichtbaren Gott. Oder wie Jona, der sich von einem Schiff weit weg von Gott bringen lassen wollte. Oder wie all die, die formal fromme Opfer brachten, aber nicht verstanden, dass die Liebe zu Gott sich darin äußert, die Nächsten zu lieben und besonders den Armen, Kranken und Verlassenen zu helfen.
Das ultimative Liebesangebot Gottes, so glauben Christen, ist seine Menschwerdung. Wer könnte, mag sich Gott überlegt haben, diesem Kind in der Krippe widerstehen? Und so kamen die Hirten von den Feldern und die Weisen aus dem Morgenland und ließen sich berühren von dem, was sie im Stall von Betlehem erlebten.
Allerdings erzählen die Evangelisten Lukas und Matthäus nicht von Besucherscharen. Man könnte es deshalb auch so sehen: Zur Krippe kamen nur ein paar unterprivilegierte Dienstleute und einige Fremde aus einem weit abgelegenen Land. Die meisten Leute kamen nicht. Ja, manche, wie König Herodes, sahen das Kind sogar als Gefahr. Und egal, ob die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten nun historisch ist oder Legende: Klar ist, dass das Liebesangebot Gottes sehr schnell nicht nur auf Gleichgültigkeit, sondern auch auf Ablehnung stieß.
Die meisten kamen nicht
Als das Kind in der Krippe erwachsen wurde, öffentlich von der Liebe Gottes erzählte und für sie warb, änderte sich das kaum. Es kamen einige Menschen zu Jesus: Männer und Frauen, Fischer und Zöllner, Witwen und Sünderinnen. Manche folgten ihm auf seinem Weg quer durch Galiläa und Judäa, andere gaben ihm punktuell Obdach und eine warme Mahlzeit. Sie sahen in ihm mehr als den Zimmermannssohn aus Nazaret.
Die meisten aber kamen nicht. Sie wollten nichts wissen von diesem Wanderprediger, für den Liebe und Barmherzigkeit wichtiger waren als der Tempelkult. Der die Bedürfnisse der Menschen vor die wortwörtliche Befolgung der Gesetze stellte und der das auch noch „Reich Gottes“ nannte. Und Jesus zwang sie nicht, niemals. Er machte nur ein Angebot.
Wie auch diejenigen seiner Jüngerinnen und Jünger, die nach der Auferstehung Jesu zusammenblieben. Die anfingen, seine Botschaft weiterzuerzählen. Zuerst in der eigenen Gegend und dann in der damals bekannten Welt: in Griechenland und Rom, in Gallien und Ägypten. Und überall ließen sich einige überzeugen und gründeten christliche Gemeinden.
Doch die meisten kamen nicht. Sie hingen weiter ihrer eigenen Religion an. Mehr noch: Sie verspotteten die neuen Boten der Liebe Gottes, vertrieben sie aus ihren Orten oder brachten sie gleich um. Und Gott ließ es geschehen, er zwang niemanden zur Umkehr.
Das blieb so bis zur sogenannten Konstantinischen Wende im vierten Jahrhundert nach Christus. Der römische Kaiser Konstantin und mehr noch seine Nachfolger hatten ein anderes Programm: Sie erkannten den neuen Glauben nicht nur für sich als wahr, sondern für ihr ganzes Imperium. Und weil sie römische Kaiser waren, die schon immer mit einem Heer ihre Interessen durchzusetzen wussten, wandten sie diese Politik auch auf den Glauben an.
So begann die jahrhundertelange Missionierung mit Feuer und Schwert. Als ob man mit Gewalt die Liebe zu Gott erzwingen könnte. Oder mit erzieherischem Druck. Mit Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft, wenn jemand anders dachte, anders glaubte, anders lebte. Mit schwerem Ärger in der Familie, wenn jemand nicht zur Kirche gehen wollte. Als ob schweigender Gehorsam ein Zeichen für Liebe wäre – und nicht viel eher für Angst.
Alle sind frei in der Gestaltung des Weihnachtsfestes
Insofern stehen wir heute wieder in einer ganz ähnlichen Situation wie die Menschen damals zur Zeit Jesu. Denn auch heute wird niemand mehr gezwungen, zur Krippe zu gehen. Ob Glaubensfest oder reine Gewohnheit, Christmette oder Après-Ski-Party, Jesuskind oder Geschenkeberg: Alle sind völlig frei in der Gestaltung des Weihnachtsfestes. Oder auch im Ignorieren desselben.
Das mag man bedauern. Schließlich waren es schöne Zeiten, als die ganze Familie gemeinsam in die übervolle Kirche ging, in der „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“ das Herz erwärmten. Andererseits kommen unsere Zeiten vielleicht dem näher, wie Gott seit jeher seine Liebe verstanden hat: als Angebot, auf das wir antworten können, wenn wir wollen. Das wir aber auch einfach ignorieren können.
Womit nicht gemeint ist, dass es egal ist, wie unsere Antwort ausfällt. Jesus hat sich sicher mehr über seine Jünger gefreut als über seine Gegner. Er hat denen Rettung zugesagt, die an ihn und seine Botschaft der Liebe glaubten und ihr im Leben folgten. Er ist dem Schaf nachgegangen, das sich verlaufen hat, und hat ein Fest angekündigt für jeden, der zum Vater zurückkehrt.
Deshalb wird auch an diesem Weihnachtsfest die Freude im Himmel über jene groß sein, die zur Krippe kommen und im Kind das erkennen, was es ist: Gottes ultimatives Liebesangebot. Sein Zeichen, dass er darauf wartet, dass wir Ja sagen, dass wir seine Liebe erwidern. Ganz freiwillig.