Fastenserie: Weniger ist mehr - Teil 1

Locker am Stau vorbei

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In der Fastenzeit steht Verzicht ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze. Verzicht kann wehtun, aber er lohnt sich auch: Weniger kann mehr sein. Etwa in Sachen Mobilität. 
Teil 1 unserer Fastenserie.

Fotos: imago images / Westend61 und istockphoto.com / Contributor
Die Natur genießen, statt im Stau stehen: Ein Wechsel auf das Fahrrad ist nicht bequem, aber er lohnt sich. Fotos: imago images / Westend61 und istockphoto.com / Contributor

Das Gehupe der Autofahrer, denen es an der Ampel nicht schnell genug geht, nervt Stefan Düing dann doch. Und dass manche beim Überholen nicht genug Abstand zum Fahrradweg halten. „Das ist manchmal echt gefährlich.” Seit zwei Jahren fährt der 52-Jährige jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Neun Kilometer sind es von seinem Wohnort Wallenhorst bis zu seinem Büro in der Osnabrücker Innenstadt. Die fährt er auch bei schlechtem Wetter. Denn er hat sich vorgenommen, so oft wie möglich auf sein Auto zu verzichten. 

Dass das auch Nachteile hat, merkt er gerade jetzt im Winter. Bereut er es, das beheizte Auto gegen Wind und Regen auf dem Fahrrad eingetauscht zu haben? „Nein“, sagt Düing, „die Kälte spüre ich schon gar nicht mehr.“  

In den ersten Monaten fuhr Düing noch mit einem normalen Fahrrad. Vor allem auf dem Rückweg, wenn er einen zwei Kilometer langen Anstieg hoch muss, sei er komplett verschwitzt angekommen, sagt er. Deshalb ist er inzwischen auf ein E-Bike umgestiegen und fährt mit elektrischer Unterstützung.  „Aber ich nehme meistens nur die niedrigste Stufe.”

Das Fahrradfahren ist für Düing aber nicht nur eine sportliche Herausforderung. Er nutzt die Fahrt bewusst, um den Kopf freizukriegen. Früher, als er noch jeden Tag mit dem Auto fuhr, sei er oft gestresst gewesen vom Lärm und von der Hektik des Verkehrs, erzählt er –  vor allem, wenn Baustellen die Fahrbahn blockiert haben. Insgesamt habe er auf der Strecke bestimmt mehrere Wochen im Stau gestanden. „Heute genieße ich es, an den Schlangen vorbeizuradeln.“

Meistens nimmt er extra einen längeren Weg durch ein ruhiges Wohngebiet, um nicht an der vielbefahrenen Hauptstraße entlang zu müssen. Zwar spart er auf dem Fahrrad keine Zeit, aber langsamer als mit dem Auto ist er auch nicht. Rund 25 Minuten benötigt er für die Strecke. Manchmal kommt er an Kollegen, die Auto fahren, vorbei – und ist vor ihnen im Büro.  

Als er sich entschieden hat, auf sein Auto zu verzichten, ging es Düing aber nicht darum, Zeit zu sparen oder das Verkehrschaos zu umfahren, sagt er: „Es ging mir um Nachhaltigkeit.“ Bei seiner Arbeit als Diözesansekretär des Kolpingverbandes sei das ein wichtiges Thema. Auch privat beschäftigt ihn der Klimawandel. „Ich habe mich gefragt, was ich im Kleinen dagegen tun kann“, sagt Düing. Er beschloss, ab sofort nur noch mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Am Anfang wollte er das erst mal nur ein paar Tage ausprobieren – aber schon nach einer Woche packte ihn der Ehrgeiz: „Ich wollte mir beweisen, dass ich durchhalten kann.“ 

Autofahren war früher selbstverständlich

Ist ihm der Verzicht aufs Auto schwergefallen? „Das nicht“, sagt Düing, aber es sei dennoch eine Umstellung gewesen. „Ich bin immer gern Auto gefahren.“ Für ihn, der im Emsland aufgewachsen ist, war es als Jugendlicher das Wichtigste, so schnell wie möglich den Führerschein zu machen – schon allein, weil dort kaum ein Bus fährt. Auch später war Autofahren für ihn selbstverständlich. Selbst für kürzere Strecken, etwa zum Einkaufen oder zum Rathaus, nahm er das Auto. 

Dass er sein Verhalten bewusst geändert hat und auf Gewohnheiten verzichtet, ist für Düing eine Form zu fasten. „Fasten bedeutet für mich, Abstand zum Alltag zu schaffen“, sagt er. Er ist überzeugt, dass es ihn ausgeglichener und zufriedener macht, nicht mehr mit dem Auto zu fah­ren. „Für mich ist das ein Gewinn“, sagt er. 

Seitdem er jeden Tag das Fahrrad nimmt, spürt er, dass sich vieles verändert hat: Er ist sportlicher geworden und dreht nach Feierabend lieber noch eine Runde, statt daheim auf dem Sofa zu sitzen. Am Wochenende trifft er sich jetzt öfter mit einem Freund, um Fahrradtouren zu unternehmen. „Es ist ein schönes Hobby“, sagt er. Außerdem genießt er es, durch die Natur zu fahren. Wenn er nach der Arbeit nach Hause fährt, hält er unterwegs manchmal an, um sich irgendwo umzuschauen. Mit dem Auto hätte er das nie gemacht, sagt Düing.

Noch legt er nicht alle Strecken mit dem Fahrrad zurück. Wenn er etwas Schweres transportieren will oder an Orte muss, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen sind, nimmt er das Auto. Aber auch das will er reduzieren. Neulich, als er ein sperriges Teil mit zur Arbeit nehmen wollte, hat er erst mal versucht, ob es nicht auch in seine Fahrradtasche passt. 

Und er hat sich noch etwas vorgenommen: Wenn er in Zukunft mit dem Auto in die Stadt muss, weil er noch einen Geschäftstermin hat, will er das nicht als Ausrede gelten lassen, um bequem in die Tiefgarage neben dem Büro zu fahren. Stattdessen will er sein Fahrrad mitnehmen, am Stadtrand parken und zumindest die letzten Kilometer mit dem Rad fah­ren. Ist das nicht umständlich? „Ja“, sagt Düing, „aber es geht ums Prinzip.“ 

Sandra Röseler