Eindrücke von einer Taufe im Universal Circus Traber.

Manege frei für Amandas Taufe

Image

Zirkusfamilien ziehen von Ort zu Ort und haben meist keine feste Gemeinde. Doch viele von ihnen sind katholisch. Für sie ist Pfarrer Sascha Ellinghaus zuständig.

Zirkusseelsorger Pfarrer Sascha Ellinghaus tauft Amanda im Zirkuszelt
Pfarrer Sascha Ellinghaus tauft Amanda im Zirkuszelt. Links steht Familienoberhaupt René Traber, hinten die Eltern Jessica und Stephan.  Foto: Marco Heinen

Im Rampenlicht zu stehen, das scheint der kleinen Amanda im Blut zu liegen: Die Salbung mit Chrisamöl durch den Priester quit­tiert sie mit einem Jauchzer. Und nach der Taufe mit Weihwasser im Scheinwerferlicht des Zirkusrunds hat sie ein großartiges Lächeln für die versammelte Runde aus Eltern, Pfarrer, Taufpaten und Verwandten übrig. Amanda Loredana Thea Traber, so heißt die Lütte nun. Getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Willkommen in der Manege des Lebens, möchte man ihr zurufen.

Familienoberhaupt und Taufpate René Traber, der den „Universal Circus Traber“ leitet, ist stolz. „Das Schönste was’ gibt“, sagt er und: „Das ist ein ganz bedeutsamer Tag.“ Den Eltern, Stephan und Jessica Traber, ist die Taufe im Zelt wichtig, damit die Kinder „mit Gott gehen, vom Anfang bis zum Ende“, wie Stephan Traber sagt. Praktisch jeder hier wurde in der Manege getauft, in großen und kleinen Orten. 

Ein gutes Dutzend Menschen hat sich an diesem Donnerstag im Juni im Zirkuszelt versammelt. Einige Verwandte aus der Familie Traber konnten nicht kommen, weil sie selbst in anderen Zirkussen arbeiten und die Saison gerade beginnt. Vorne im Rampenlicht ist ein Altar aufgebaut. Luftballons hängen wie Perlen von der Decke. Der Pfarrer zieht ohne Messdiener ein, dafür aber mit ferngesteuerter Musik vom Keyboard. Es klingt ein bisschen, als stünde ein Leierkastenmann in der Kulisse. Jeden Moment könnten Pferde in die Manege preschen. Dass auch der Pfarrer über Lautsprecher verstärkt wird, das passt zu diesem Gottesdienst, der ganz schlicht und doch sehr besonders ist. Am Ende betet Pfarrer Sascha Ellinghaus das „Gebet der Circusleute und Schausteller“, das auf dem Liedzettel steht. 

Pfarrer Ellinghaus ist der einzige hauptamtliche katholische Seelsorger, der sich nur um Zirkusleute und Schausteller kümmert. Er ist im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz in ganz Deutschland unterwegs und Erzbischof Heße als zuständigem Bischof für Migration unterstellt. Sachsen, Berlin, Flensburg, das waren die Stationen seiner Arbeitswoche bis zur Taufe in Viöl. Der Ort mit gut 2000 Einwohnern liegt rund 15 Kilometer nordöstlich von Husum in Nordfriesland. 

Draußen geht inzwischen ein Regenschauer nieder. Während er das Keyboard abbaut, erzählt Pfarrer Ellinghaus von den Menschen, mit denen er täglich zu tun hat. Rund 250 Familien-Zirkusunternehmen gibt es in Deutschland, dazu noch einige große Zirkusse, die nicht nur aus Familienmitgliedern bestehen. Insgesamt sollen es bis zu 5000 Zirkusleute sein. Hinzu kommen 38 000 Schausteller auf Jahrmärkten sowie Marktkaufleute und 25 000 Mitarbeiter in Freizeitparks. Diese älteren Zahlen sind nur grobe Anhaltspunkte. Wie zuverlässig sie sind, ist schwer abzuschätzen.

Stephan und Jessica Traber haben sich über Facebook kennengelernt ebenso wie Denise Wieczorek und ihr Partner. Erst haben sie im Chat geflirtet, dann haben sie sich persönlich getroffen. Dazwischen lagen Hunderte Kilometer. Das war bei Jessica so und bei Denise auch. Jetzt leben die Paare 24 Stunden täglich zusammen. Das ist nicht immer einfach. Man muss manchmal die Zähne zusammenbeißen und auch über seinen Schatten springen. „Das ist das A und O überhaupt in der Familie und im Zirkusleben, dass man einen Zusammenhalt hat“, sagt Denise Wieczorek.

Ihr Vater Felix ist pessimistisch, was die Zukunft der Zirkusse angeht. Die Kosten steigen kontinuierlich, doch die Zahl der Besucher sinkt – ebenfalls kontinuierlich. Zirkusse mit Tieren müssen sich überdies regelmäßig mit einzelnen Tierrechtsorganisationen auseinandersetzen, die Tiere in der Manege grundsätzlich ablehnen. Dabei dreht es sich längst nicht nur um Elefanten oder Raubkatzen. Viele Kommunen verweigern den Zirkussen inzwischen sogar den Aufenthalt, weil sie keinen Ärger mit den Tierschützern wollen. Dass viele Zirkusfamilien damit ihre Existenzgrundlage verlieren und ein Stück Kultur verloren geht, das steht auf einem anderen Blatt Papier. 

Der Universal Circus Traber hat ebenfalls Tiere: Hunde, ein paar Ponys, Ziegen und vier Lamas. Eines der Lamas ist gerade erst vor drei Tagen zur Welt gekommen. Reporter, die es fotografieren wollen, müssen vorher intensiv die Ziegen kraulen.

Der Regen hört langsam auf. Aus dem Zirkuszelt – ein Chapiteau, so der französische Fachbegriff – riecht es intensiv nach Gegrilltem. Amandas Taufe wird gefeiert und Gastfreundschaft wird dabei groß geschrieben. Pfarrer Ellinghaus muss nach dem Essen los. Er wird in Nordrhein-Westfalen erwartet. Familie Traber zieht erst nächste Woche weiter, hoffend auf einen netten Ort und viele Zuschauer.

Der Universal Circus Traber ist vom 13.–15. Juli am Elkierdamm in Sörup. Vorstellungen: Freitag und Samstag um 17 Uhr, Sonntag um 14 Uhr.

Text u. Foto: Marco Heinen