Verantwortliche der katholischen Kirche fordern schnelles Handeln
Mehr Klimaschutz - jetzt!
Schon heute hat die Erderhitzung weltweit verheerende Auswirkungen. Und das ist erst der Anfang. Früher oder später bedroht sie jeden Einzelnen existenziell – das spüren auch Verantwortliche in der katholischen Kirche. Andreas Lesch hat
sieben von ihnen gefragt, was passieren muss, um einen Klimakollaps zu verhindern und eine lebenswerte Welt zu erhalten.
Die Armen müssen vom Klimaschutz am meisten profitieren
Eines hat uns der Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich vor Augen geführt: Das Ausmaß, in dem unsere Lebensweise auf fossilen Energien fußt, ist dramatisch. Unser Wohlstand, unser Komfort, unsere Ernährung und Medizin – alles setzt auf den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas. Unter dem Schock explodierender Gaspreise und im Angesicht manifester Knappheiten sprechen wir nun endlich über die vielen Möglichkeiten, Energie einzusparen und fossile Energieträger zu ersetzen. Um der Klimawende willen hätten wir dies längst mit gleicher Ernsthaftigkeit tun sollen.
Seit Jahren wissen wir, dass mit jedem Kubikmeter Gas, den wir verbrauchen, und mit jedem Liter Öl, den wir verfeuern, die CO2-Belastung der Erde steigt. Und mit der CO2-Last steigen die Temperaturen. In der Arbeit der Caritas sind die Folgen der Erderwärmung überall sichtbar – in Pakistan, im Sudan, in Brasilien: zunehmende Naturkatastrophen infolge des menschengemachten Klimawandels, steigende Zahlen von Klimaflüchtlingen weltweit. Überall sind es die Ärmsten, die die Rechnung zahlen. Auch in Europa. Klimapolitik ist daher längst globale Sozialpolitik. Klimasozialpolitik muss Klimaschutz so gestalten, dass die Armen am meisten profitieren. International und national. Der Stromspar-Check der Caritas ist ein Beispiel dafür, wie das geht. Berater suchen die versteckten Stromfresser und geben Tipps, wie man den Energieverbrauch drosseln kann. Leider ist die Finanzierung des Bundes gerade eingefroren. Nachhaltige Klimasozialpolitik stellen wir uns anders vor.
Eva Maria Welskop-Deffaa | Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes
Alte Menschen müssen besser vor Hitzewellen geschützt werden
Eine konkrete Auswirkung der Erderwärmung ist in der Langzeitpflege nicht erst in diesem Jahr spürbar geworden: Unter den Hitzewellen der vergangenen Sommer haben alte, pflegebedürftige Menschen besonders stark gelitten. Die Sommerhitze kann sich für sie nicht selten lebensbedrohlich auswirken. Insbesondere alte, alleinlebende Menschen sind gefährdet. In den Pflegeeinrichtungen wird der Gefahr durch besondere Hitzeschutzkonzepte begegnet, jedoch sind unterstützend bauliche Maßnahmen dringend erforderlich, etwa angemessene Beschattungsanlagen und – vor allem – energetische Sanierung. Letztere ist auch hinsichtlich der CO2-Bilanz von Gebäuden angezeigt.
Die Politik muss trotz der aktuellen außenpolitischen Herausforderungen und der damit verbundenen Einschränkung klimawirksamer Maßnahmen eine entschiedene Klimapolitik gestalten und die Rahmenbedingungen für eine klimaneutrale Sozialwirtschaft schaffen. Wünschenswert für die Träger der Langzeitpflege sind gezielte Förderungen von energetischen Maßnahmen, die zum Beispiel als dauerhaft und niederschwellig abrufbare Gelder in den Kommunen zur Verfügung stehen. Die Träger von Pflegeeinrichtungen brauchen Sicherheit über die Finanzierung der nötigen Investitionen. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Gelder für Klimaanpassungen im sozialen Sektor in Höhe von 15 Millionen Euro pro Jahr bis 2026 stehen in keinem Verhältnis zu den Bedarfen. Die fehlende Planungssicherheit darf nicht zum Investitionshemmnis für den dringend notwendigen Klimaschutz werden.
Eva-Maria Güthoff | Vorsitzende des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland e.V. (VKAD)
Der ökologische Umbau schafft Chancen für Innovationen
Beim Klimaschutz läuft uns die Zeit davon! Schon heute sind viele Prozesse nicht mehr umkehrbar. Das Eis in Grönland schmilzt. Die Biodiversität schwindet. Der Hunger nimmt zu, auch durch die Klimakrise.
Wir brauchen eine planbare Erhöhung des CO2-Preises in Deutschland und Europa. Wir müssen soziale und ökologische Fragen besser als bisher zusammen denken. Wir brauchen internationale Abkommen mit Kompensationsmechanismen für den Globalen Süden. Wenn wir jedem Land CO2-Rechte zuteilen, können Länder mit geringem Verbrauch wie Senegal oder Ghana ihre Verschmutzungsrechte an Länder wie Deutschland, USA, China verkaufen.
Wir müssen die Welt global denken und lernen, als globale Zivilgesellschaft zu handeln. Das ist auch eine Aufgabe der Kirchen. Bisher gehen diese aber nicht ausreichend mit gutem Beispiel voran.
Ich sehe die Verzweiflung gerade junger Menschen. Ich sehe die Hilflosigkeit vieler Politiker. Ich habe die Versalzung der Böden im Irak und in Usbekistan gesehen; der dortige, riesige Aralsee ist kilometerweit einfach versickert! Die Klimakrise zieht Hunger, Migration, Konflikte um Land und Wasser, aber auch gestörte Lieferketten und Inflation nach sich.
Aber ich bin nicht hoffnungslos. Für Unternehmen bedeuten CO2-Preise zwar höhere Kosten, aber der große ökologische Umbau ist längst in der Wirtschaft angekommen. Er schafft Chancen für technische und soziale Innovationen. Wenn Unternehmen diese Chancen ergreifen, leisten sie einen wesentlichen Beitrag zum Gemeinwohl. Was die meisten von ihnen ja auch wollen.
Ulrich Hemel | Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU)
Die Landwirtschaft kann ein gutes Klima mitgestalten
Das Thema Klimaschutz drängt. Je länger wir mit wirksamen Veränderungen warten, desto größer werden die Veränderungen sein, die uns durch den Klimawandel aufgezwungen werden. Die drohende Energiekrise müsste Anlass zum Umdenken sein. Noch haben wir die Möglichkeit, freiwillig auf bestimmte, zum Teil überflüssige Dinge in unserem Leben zu verzichten.
Der Klimawandel nimmt vielen Menschen schon jetzt die Lebensgrundlage, nämlich den Boden. Selbst wir werden inzwischen in Teilen unseres so fruchtbaren Kontinents mit der Versteppung ganzer Landstriche konfrontiert. Hitze, Trockenheit und Extremwetterereignisse stellen gerade die Landwirtschaft vor Herausforderungen. Vegetationsperioden verschieben sich. Extremwetterereignisse häufen sich und vernichten Teile der Ernte. Die Ernteerträge sinken sowohl quantitativ als auch qualitativ. Die Verbreitung von Schädlingen und Krankheiten, Erosion des Bodens, Hitzestress für die Tiere sind weitere Auswirkungen, die wir als Konsumentinnen und Konsumenten oft nicht wahrnehmen.
Die Landwirtschaft ist auf das Wetter angewiesen und wird sich ebenso verändern müssen, wie sich das Klima ändert. Gleichzeitig hat die Landwirtschaft die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen für ein gutes Klima mitzugestalten: durch die Art der Bewirtschaftung, Humusbildung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, die Tierhaltung, Wassermanagement und Diversifizierung. Das alles ist möglich, wenn wir bereit sind, angemessene Preise für die Produkte unserer Landwirtinnen und Landwirte zu zahlen.
Bettina Locklair | Bundesgeschäftsführerin der Katholischen Landvolkbewegung Deutschland (KLB)
Die Krise kann ein Katalysator für eine gerechtere Politik sein
In diesem Sommer standen mir die Auswirkungen der Klimaerhitzung erneut klar vor Augen: Dürre, und gesundheitsgefährdende Hitze in Deutschland; in Pakistan eine furchtbare Flut mit fast 1500 Toten; im Pazifikraum steigende Meeresspiegel und Zunahme von Vulnerabilität; in Ostafrika jahrelang ausbleibende Regenfälle. Dabei tragen Länder des Globalen Südens selbst kaum zu den Treibhausgasen bei, die weltweit Millionen Menschen unter der Erderhitzung leiden lassen.
Die Auswirkungen der Klimakrise im Globalen Süden bewegen uns bei Misereor, auch wenn sie medial nicht immer präsent sind. 2021 mussten 23,7 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Naturereignissen, beeinflusst durch den Klimawandel, verlassen. Starkregen, Hitzewellen und Stürme trafen auf Menschen, die sich kaum schützen können. Sie leben an absturzgefährdeten Hängen, in unsicheren Hütten, sind nicht versichert, haben kaum Zugang zu Gesundheitsdiensten. Klimaschutz und Armutsbekämpfung bedingen sich gegenseitig.
Bis zur Jahrtausendwende haben die Industrienationen mehr als die Hälfte der Emissionen verursacht. Misereor fordert die Bundesregierung auf, die Menschen, die unter den Folgen der Klimakrise leiden, zu unterstützen, damit sie die nicht vermeidbaren Schäden und Verluste bewältigen können. Parallel dazu gilt sicherzustellen, dass beim Rohstoffabbau für die Energieversorgung in Deutschland Menschenrechte und Umwelt weltweit umfassend geschützt werden. Die aktuelle Krise in der Energieversorgung kann ein Katalysator für eine gerechte Rohstoffpolitik sein und ein Schritt zur größeren Klimagerechtigkeit.
Pirmin Spiegel | Hauptgeschäftsführer von Misereor
Wir haben seit 2011 eine negative CO2-Bilanz
Für uns in der Abtei Münsterschwarzach sind die Auswirkungen das Klimawandels bereits sehr deutlich geworden, vor allem in diesem Sommer. Eine fünfjährige Forschungsstudie der Universität Würzburg, zu der wir Daten beigetragen haben, zeigt, dass der Anstieg der mittleren Jahrestemperatur in den letzten 50 Jahren über einem Grad Celsius lag. Die Tendenz ist exponentiell steigend. Auch die Sommer werden trockener, was unsere Land- und Forstwirtschaft vor große Herausforderungen stellt. Diese Entwicklungen sind weltweit zu beobachten.
Was können wir dem entgegensetzen? In der Abtei Münsterschwarzach haben wir seit dem Jahr 2000 sukzessive auf regenerative Energien (Photovoltaik, Wasserkraft, Windkraft, Biogasanlage sowie regenerative Heizenergie) umgestellt und inves-
tieren auch weiter. Durch Einspeisungen in das Stromnetz haben wir seit 2011 sogar eine negative CO2-Bilanz. Stetig versuchen wir, durch Baumaßnahmen oder Optimierungen an den Anlagen unseren ökologischen Fußabdruck weiter zu verbessern.
Doch es muss weltweit gehandelt werden. Die Ziele des Pariser Abkommens von 2015 sind nicht mehr erreichbar. Deshalb braucht es sofortige Maßnahmen aller Staaten und Gesellschaften zum umfassenden und nachhaltigen Klimaschutz.
Es können nur noch regenerative Energiequellen zulässig sein, Energie muss effektiv genutzt und die Reduktion von Klimagasen aus der Atmosphäre muss vorangetrieben werden. Der vom Klimawandel benachteiligte Teil der Menschheit muss dabei berücksichtigt werden und Hilfe erfahren.
Pater Christoph Gerhard | Leiter des Energie-Projektes der Abtei Münsterschwarzach
Junge Menschen setzen sich seit Jahren für eine faire Welt ein
Seit Jahren ist die dringende Notwendigkeit eines konsequenten Klimaschutzes bekannt. Die besondere Dringlichkeit zeigt sich nun auch bei uns, extreme Wetterereignisse nehmen hierzulande zu. Global ist das schon länger zu beobachten. Dass die Ursache ein von Menschen verursachter Klimawandel ist, ist wissenschaftlich unumstritten.
Zur Klimakrise kommen weitere Krisen hinzu. Statt die sozial-ökologische Transformation dadurch auszubremsen, sollten die Krisen für eine starke Klimapolitik genutzt werden. Ein Ausbau erneuerbarer Energien, ein Neustart der Transformation und eine Mobilitätswende müssen gerade jetzt vorangetrieben werden. Sie dienen dem Klimaschutz und der Bewältigung anderer gesellschaftlicher Herausforderungen.
Besonders junge und ärmere Menschen sind von der Klimakrise betroffen. Wenn nicht jetzt in die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze investiert wird, werden Extremwettereignisse weiter zunehmen, unumkehrbare Kipppunkte erreicht und der menschliche sowie finanzielle Schaden unermesslich wachsen. Ein ambitionierter Klimaschutz heute ist eine Investition in eine generationengerechte und global faire Zukunft.
Junge Menschen setzen sich dafür seit Jahren ein und zeigen, dass eine lebenswerte und gerechte Welt nur existieren kann, wenn jetzt sofort Klimagerechtigkeit umgesetzt wird.
Gregor Podschun | Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)