Ausstellung in der Celler Synagogo

Meine jüdischen Eltern – meine polnischen Eltern

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Von ungefähr einer Million wurden gerade einmal 5000 jüdische Kinder vor dem Holocaust in Polen gerettet. Die Schicksale von fünfzehn Kindern stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung in der Celler Synagoge.


Der Innenraum der Celler Synagoge.

„Geboren wurde ich im Warschauer Ghetto. Soviel weiß ich bestimmt. Meine Geburtsurkunde ist ein silberner Teelöffel mit eingraviertem Vornamen und Geburtsdatum“, erzählt Elżbieta Ficowska. Mit 17 Jahren erst hat sie erfahren, wer ihre leiblichen Eltern waren – und Spuren gesucht. Mit diesem Schicksal ist sie nicht allein. 5000 jüdische Kinder wurden aus der Shoa im besetzten Polen gerettet – von annähernd einer Million jüdischer Mädchen und Jungen. Ihr Schicksal erzählt die neue Ausstellung „Meine jüdischen Eltern – meine polnischen Eltern“ in der Celler Synagoge (Im Kreise 24) vom 6. Mai bis zum 24. Juli.

Die Eröffnung ist am Donnerstag, 5. Mai, um 19 Uhr. Dazu spricht Holger Polit (Warschau). Er ist Leiter des Regionalbüros Ostmitteleuropa der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Warschau, die die von Assoziation „Kinder des Holocausts in Polen“ konzipierte Ausstellung unterstützt hat.

Erstmals wurde sie im April 2015 in Warschau im Museum zur Geschichte der polnischen Juden (POLIN) gezeigt. Die Ausstellung erzählt die Geschichte von 15 jüdischen Kindern, die in den Jahren zwischen 1939 und 1942 geboren wurden. Sie wurden gerettet, weil ihre Eltern sie Fremden überließen, die sie dann als eigene Töchter und Söhne aufzogen.

Die Polen, die sich eines Kindes annahmen, wurden später oft auch seine Eltern. Im Allgemeinen hielten sie die Adoption geheim, einige enthüllten die Wahrheit vor ihrem Tod, andere nahmen sie mit ins Grab.

Manche erfuhren durch Zufall von ihrem Schicksal – so wie  Joanna Sobolewska-Pyz, die Vorsitzende des Vereins „Die Kinder des Holocaust“. Während eines Streits hielt ihr ihr Vater vor, dass sie gar nicht wisse, wieviel sie ihren Eltern zu verdanken habe. Schließlich eröffnete er ihr, dass sie weder ihrer Mutter noch ihres Vaters leibliches Kind sei. „Das war ein entsetzlicher Augenblick für uns beide. Zunächst schwiegen wir lange, dann erzählte er mir, was er über mein Schicksal wusste. So erfuhr ich also im Alter von 18 Jahren, dass ich ein jüdisches Kind war, das man aus dem Ghetto gerettet hatte. Es war ein gewaltiger Schock. Mir schien, als habe meine Welt innerhalb einer einzigen Sekunde aufgehört zu existieren“, erinnert sich Joanna Sobolewska-Pyz. Vermutlich setzten ihre leiblichen Eltern ihr Kind in einem der Warschauer Abwasserkanäle aus, ein Hilfspolizist fand sie und brachte sie zuerst zu einer Lehrerin, die dann neue Eltern für sie fand.

In der Ausstellung schildern fünfzehn betagte polnische Bürger jüdischer Herkunft ihr Schicksal. Das soll auch eine Hommage an ihre Eltern sein, sowohl an ihre jüdischen, die sie nicht kennenlernen konnten und von denen ihnen oftmals nicht einmal ein Bild zur Verfügung steht, als auch an ihre polnischen Eltern. Als sie auf ein Foto ihrer polnischen Mutter stieß, kam Joanna Sobolewska-Pyz die Idee zu der Ausstellung.

Die Synagoge Celle hat montags von 10 bis 17 Uhr, dienstags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr, freitags von 9 bis 16 Uhr sowie sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet.

Andres Wulfes