Rainer Prachtl, Politiker und Gründer des Dreikönigsvereins, ist gestorben

Menschlichkeit verbindet Menschen

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Mann lächelt in die Kamera
Nachweis

Foto: Frank Wilhelm 

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Er gehörte zu den Vätern des demokratischen Mecklenburg-Vorpommern: Rainer Prachtl

Rainer Prachtl war ein Mann des demokratischen Aufbruchs in Mecklenburg – ein Mann der Kirche und Menschenfreund, der Mauern überspringen konnte.

In Neubrandenburg geht eine Ära zu Ende. Der Vorsitzende des Dreikönigsvereins, Rainer Prachtl, hatte schon lange angekündigt, sich mit 75 Jahren von der Spitze zurückzuziehen. Aus einem katholischen Hauskreis ist 1992 dieser Verein entstanden. Die Idee war, viele Menschen zu einem Benefizessen am Dreikönigstag einzuladen. Heute ist dieses Mahl ein gesellschaftliches Ereignis wie kaum ein anderes im Norden. Die Liste der Festredner, die auf Einladung von Rainer Prachtl kamen, sagt es: Lech Walesa, Michail und Raissa Gorbatschow, Hans-Dietrich Genscher, zweimal Angela Merkel, Lothar de Maizière, Reinhard Marx, Richard David Precht usw.

Mit den jährlichen Spenden – zuletzt 90 000 Euro – betreibt der Dreikönigsverein ein stationäres Hospiz, das lange von Regina Prachtl geleitet wurde. Jugendreisen nach Israel, ein landesweiter Sozialpreis, Andachten in der Hospizkapelle gehören ebenfalls zum „Programm“. Nicht zuletzt dank der Kommunikationsgabe von Rainer Prachtl identifiziert sich eine ganze Stadt samt Umfeld mit diesem Verein und hilft mit – unabhängig von politischer Couleur oder Religion.

Ein Wechsel stand bevor; er kam schneller als gedacht. Am 11. Oktober ist Rainer Prachtl plötzlich im Alter von 74 Jahren gestorben. Wer seine Biografie schreiben wollte, hätte viel zu sagen. Aufgewachsen ist Prachtl als Katholik in der DDR. Als sein Lehrer die Klasse mit den Worten aufforderte: „Alle, die zur Jugendweihe gehen, stehen auf!“, da war er der einzige, der sitzen blieb. Höhere Bildungswege waren damit zunächst verschlossen. Also machte Rainer Prachtl eine Lehre als Koch. Das Kochen und die Vorliebe, Menschen zu bewirten, hat er nie aufgegeben. 1998 schrieb er ein Buch mit dem Titel „Zwischen Koch- und Staatskunst“. Inzwischen war Prachtl Staatsmann geworden. Im Jahr der Wiedervereinigung trat er – beruflich mittlerweile Ökonom und Ausbildungsleiter bei der Caritas – in die CDU ein. Er wurde in den Rat der Stadt gewählt, dann in den Landtag. Als erster Landtagspräsident (1990 bis 1998) und Vorsitzender der Verfassungskommission gehörte Rainer Prachtl zu den Vätern des demokratischen Mecklenburg-Vorpommern.

Nie vergaß er, Danke zu sagen

Sein Geheimnis: Rainer Prachtl konnte andere begeistern und zum Mitmachen bewegen. Er fragte nicht danach, was ihn, den gläubigen Katholiken und Christdemokraten, von Menschen anderer Überzeugung trennt. Entscheidend war das gemeinsame Ziel: Menschlichkeit, Versöhnung, tätige Hilfe. Das Dreikönigshospiz ermöglicht Menschen, in Frieden, schmerzfrei und an der Hand eines anderen zu sterben.

Leiden am Lebensende blieben Rainer Prachtl erspart. Er schlief friedlich ein und wachte „im Himmel“ wieder auf, wie gesagt wird. Eine seiner Eigenschaften war das Bedürfnis, Danke zu sagen. Seine Mitstreiter einzeln zu ehren und zu würdigen, das war ihm sehr wichtig. Und jedes Telefongespräch mit ihm endete damit, dass er sich bedankte – manchmal für selbstverständliche Dinge. Nun ist es Zeit, ihm zu danken. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat einen Trauerstaatsakt im Landtag angekündigt. Das Requiem mit Weihbischof Horst Eberlein wird am 30. Oktober um 12 Uhr in der St. Josef/St. Lukas-Kirche in Neubrandenburg gefeiert.

Andreas Hüser