Stadtpastoraltag in Bremen

Messbare Ziele und Mut zum Risiko

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Wie soll die Zukunft der katholischen Kirche in Bremen aussehen? Auf einem Stadtpastoraltag rät der Theologe Matthias Sellmann, sich Bündnispartner zu suchen, um die Gesellschaft insgesamt nach vorn zu bringen.


Die Arbeitsgruppen stellten ihre Ergebnisse vor. Am zweiten Tag war Weihbischof Johannes Wübbe dabei (links). Foto: Christof Haverkamp

„Kirche kann.“ Ein kurzer Satz, prägnant und selbstbewusst formuliert. Den Bochumer Pastoraltheologen Matthias Sellmann überzeugte er sofort. Er erinnert ihn an das „Yes we can“ des früheren US-Präsidenten Barack Obama und die Worte „Wir schaffen das“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Ich freue mich, dass die Bremer Katholiken sich mit Können identifizieren.“ 

Sellmann sprach auf einem analogen und digitalen Stadtpastoraltag vor rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Wie will sich die katholische Kirche in Bremen künftig aufstellen? Darum ging es an zwei Tagen – auf Grundlage einer Umfrage, die der Stadtpastoralrat gestartet hatte. Eine Arbeitsgruppe hat dann aus den Antworten von etwa 1000 Bremerinnen und Bremern eine Zukunftsvision entwickelt mit dem Titel „Kirche kann“ (siehe unten). 

Sellmann, Leiter des Zentrums für angewandte Pastoralforschung in Bochum, nahm die Vision unter die Lupe. Er rät zu Risikofreude und messbaren Zielen. Die Kirche müsse überlegen, wo sie in Bremen gebraucht werde und die Gesellschaft insgesamt nach vorne bringe. Zugleich empfiehlt er den Bremer Katholiken, die Gesellschaft nicht als Bedrohung zu verstehen, sondern als Sprungbrett. Sie sollten Bündnispartner in der Stadt suchen, zum Beispiel bei der Feuerwehr, der Polizei, im Kino oder bei Künstlern. „Oft kreisen wir nur in unserer Blase, abgekoppelt von vielen gesellschaftlichen Akteuren. Es täte uns aber gut, mit neuen Leuten zusammenzukommen – um zu einer Kirche zu werden, die ihr Christsein und ihre Gottessuche neu lernt“, sagte der Theologe. 


Podiumsdiskussion mit Moderatorin Nicole Muke, Bischof Franz-Josef Bode,
Radio-Bremen-Intendantin Yvette Gerner und dem Pastoraltheologen
Matthias Sellmann (v.l.) Foto: Christof Haverkamp

Er gab den Teilnehmern des Stadtpastoraltags eine Checkliste mit, die aufzeigt, wie sich messbare Ziele konkret umsetzen lassen. Und er schlägt vor, in neue Projekte zu investieren und über die eigenen geistlichen Kraftquellen nachzudenken. „Wir wollen keine Kirche sein, die im Keller von Bremen das Licht ausmacht, sondern auch morgen und übermorgen noch da sein“, betonte er.

Bremen als Seismograf für das gesamte Bistum

In einer Podiumsdiskussion mit Sellmann und Bischof Franz-Josef Bode wies Yvette Gerner, Intendantin bei Radio Bremen, auf eine Gemeinsamkeit hin: Ähnlich wie die Kirchen, frage sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, was er zum Gemeinwohl beitragen könne. Viele etablierte Institutionen, ob Bundesverfassungsgericht, Kirchen oder sogar Feuerwehr und Rettungskräfte, würden zurzeit massiv angegriffen, sagt Gerner. Es gebe eine Freude an heftiger Kritik, an Zerstörung. „Wir diskutieren deshalb sehr intensiv, wie wir Bindungen stärken können. Es fängt damit an, dass wir uns selbst eine wertschätzende Kommunikation zu eigen machen und durch eine bestimmte Gesprächskultur zum Gemeinwohl beitragen.“ Nur zu senden, betonte Gerner auch mit Blick auf die Kirchen, reiche nicht mehr. „Wir müssen auf die Menschen zugehen und im Austausch bleiben. Das ist anstrengend, aber auch spannend und bereichernd.“

Bischof Bode bezeichnete Bremen als ein spannendes pastorales Feld. Er sieht die Diasporasituation in der Großstadt als Seismografen für Entwicklungen, die sich noch im gesamten Bistum zeigen werden. „Wir haben hier das internationalste Publikum im Bistum“, geprägt von Buntheit und Verschiedenheit. Allerdings „müssen wir mehr Bindekräfte entwickeln, sonst fällt die Kirche auseinander“. 


Janine Lancker, Flipcharttrainerin und Expertin für Visualisierung
und Storytelling, begleitete den Stadtpastoraltag zeichnerisch.
Foto: Christof Haverkamp

Eine Frage aus dem Publikum zielte auf den fehlenden Priesternachwuchs. Dies sei eine große Sorge, betonte Bode, denn eine Kirche, die nicht mehr Eucharistie feiere, könne nicht überleben. „Ich frage mich, ob man in Rom nicht wacher werden muss für die Teile der Welt, in denen es kaum noch Priester gibt“, sagte er. Berufungspastoral allein reiche nicht aus. Einmal mehr sprach sich der Bischof auch für andere Formen des Priestertums aus, die „nicht immer mit Ehelosigkeit verbunden“ sein müssten.

Am zweiten Tag überlegten die Frauen und Männer in Kleingruppen, welche Schwerpunkte die Kirche in Bremen in Zukunft setzen sollte. Unter anderem war von einem Perspektivwechsel die Rede und von der Einbeziehung des Alltags in das Glaubensleben. Die Ergebnisse sollen in den Stadtpastoralrat eingebracht werden.Am Ende der Tagung lobte Weihbischof Johannes Wübbe das Engagement aller Beteiligten. „Das ist nicht selbstverständlich.“ Nun müsse auch entschieden werden, „was Sie nicht mehr machen“. (asa/ch)


Zukunftsvision im Wortlaut

Kirche kann.
Wir wollen in Bremen eine Kirche sein, 
- in der Menschen Gott begegnen und Raum geben und nach Wahrheit und Sinn suchen. 
- die sich den Fragen der heutigen Zeit stellt: aufgeklärt, wissbegierig und modern. 
- deren Haltung geprägt ist von Respekt und dem Einsatz für Gerechtigkeit. 
- deren Handeln von Liebe motiviert ist und die sich mitfühlend Menschen zuwendet. 
- die gesamtkirchliche Strukturen hin zu Transparenz und stärkerer Teilhabe erneuert und die ihre Handlungsspielräume in Bremen ausschöpft.