Der Skandal und die Folgen

Missbrauch erschüttert die Kirche

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Eine Studie zeigt: Tausende Kinder sind in Deutschland von Geistlichen missbraucht worden. Der Papst lädt die Leiter aller Bischofskonferenzen zum Krisentreffen in den Vatikan. Der Kinderschützer Hans Zollner sagt: Das Thema wird die Kirche noch Jahrzehnte beschäftigen.

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Beschämt vom Missbrauch in der Kirche: die deutschen Bischöfe, hier bei einer Vollversammlung. Foto: kna

Kommende Woche präsentieren die deutschen Bischöfe eine Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Ihre wichtigsten Inhalte sind aber schon bekannt. Sie sind erschütternd und zeigen: Der Skandal wird so schnell nicht beendet sein. Pater Hans Zollner, der oberste päpstliche Kinderschutzexperte, nennt den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche „ein Generationenthema. Im Interview mit dieser Zeitung sagte er: „Das wird uns noch Jahrzehnte beschäftigen.“ Vor allem, weil in vielen Ländern der Skandal noch bevorsteht.

Der „Spiegel“ und „Die Zeit“ hatten vorab aus der Missbrauchsstudie berichtet, die die Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hatte. In der Studie identifizierten die Forscher 3677 Opfer sexueller Übergriffe sowie mindestens 1670 Täter im Zeitraum von 1946 bis 2014. Und das sind nur die Fälle, die heute noch auffindbar sind. Die Dunkelziffer dürfte angesichts manipulierter Akten und schweigender Opfer deutlich höher sein. Die Bischofskonferenz reagierte verärgert darauf, dass die Studie schon jetzt bekannt wurde. Sie will die Details wie angedacht erst am 25. September bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda vorstellen.

Der Jesuit Klaus Mertes dagegen sieht die vorzeitige Weitergabe der Studie als Zeichen. „Die Kirche verliert die Kontrolle und damit auch die Deutungshoheit über die Aufarbeitung von Missbrauch“, schrieb er auf dem Internetportal katholisch.de. Es gehe darum, einen Kontrollverlust zuzulassen, so Mertes. Viele deutsche Bischöfe bekannten ihre Erschütterung über den Skandal. Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, mahnte, die Kirche müsse die Perspektive der Opfer annehmen. „Wir sehen mit den Augen der Opfer, mit den Betroffenen, auf das, was geschehen ist“, sagte er. „An ihrer Seite müssen wir stehen.“

„Etwas, was uns bedrückt und erschrocken macht“

Der sexuelle Missbrauch ist für den Kardinal „eine Wunde, etwas, was uns zutiefst bedrückt und erschüttert und erschrocken macht, dass inmitten der Kirche das geschehen ist und geschieht“.

Auch für Papst Franziskus sind die Vergehen von Priestern an Kindern ein zentrales Thema. Zuletzt beriet er mit einer Delegation von Bischöfen aus den USA über den Missbrauchsskandal, der die US-Kirche tief spaltet. Für Februar kommenden Jahres hat der Papst die Leiter aller Bischofskonferenzen weltweit in den Vatikan einberufen, um mit ihnen über Missbrauch und Kinderschutz in der Kirche zu sprechen. Für vatikanische Verhältnisse ist das vergleichsweise schnell; die Vorbereitung einer Synode dauert normalerweise zwei Jahre. Für weltliche Verhältnisse aber erscheint es ziemlich langsam; die Chefs anderer Institutionen besprechen derart dramatische Krisen nicht erst nach einem halben Jahr. (vbp/kna)