Mit einem Bierbike Kirchenferne ansprechen
Mit Bier, Bike und Bibel
Tobias Rentsch und Bernhard Jungen sind Schweizer Pfarrer. Klar, dass sie ein offenes Ohr für die Menschen haben. Was sie auch haben: Ein kühles Bier, frisch gezapft von ihrer mobilen Bar, mit der sie im Berner Umland unterwegs sind.
Unfassbar! Das mag die Reaktion des ein oder anderen gewesen sein, als er zum ersten Mal von der Bar der beiden evangelischen Pfarrer Bernhard Jungen und Tobias Rentsch gehört hat. Die Unfassbar, so heißt das Dreirad dann auch, auf dass die beiden Männer eine mobile Bar montiert haben. Damit sind sie regelmäßig auf verschiedenen Festen im Umland der Stadt Ittigen bei Bern unterwegs: auf dem Missionsbasar Bürenpark, dem Monatsmarkt in Schwarzenburg oder dem Jodlerfest in Wangen bieten sie Seelsorge und Bierausschenken in einem. Ein offenes Ohr bräuchte man schließlich in beiden Jobs, findet Tobias Rentsch (36).
Die Idee stammt von Bernhard Jungen (62). Immer, wenn er durch den Ort ging und beispielsweise auf dem Weg zum Gottesdienst an einem Restaurant vorbeikam, dachte er sich „Eigentlich wäre auch hier in diesem Restaurant mein Platz und nicht nur an den traditionellen Kirchorten.“ Mit 60 ging er dann in Frühpension, um sich ganz seinem Plan zu widmen, Bier und Bibel zu verbinden. Daraus wurde schließlich die Unfassbar.
Über gemeinsame Bekannte wurde auch Tobias Rentsch auf das Projekt aufmerksam. Er meldete sich bei Jungen, und seither sind sie ein Team. Dabei kannten sie sich vorher nicht näher. Durch das Projekt hat sich das nun geändert. „Wir ergänzen uns gut, aber wir haben auch viele Gemeinsamkeiten, die wir teilen und das funktioniert so sehr gut“, erzählt Rentsch.
Wichtig ist ihnen dabei der Jugendschutz: An Jugendliche unter 16 Jahren wird kein Bier ausgeschenkt, wie es das Schweizer Gesetz vorsieht. Immerhin bietet die Unfassbar auch andere Getränke als Bier an. Auch achten Rentsch und Jungen darauf, dass sich niemand an ihrer Bar betrinkt. Gegen ein Feierabendbier mit einer netten Unterhaltung spricht ihrer Meinung nach dagegen nichts, das gehöre ja schließlich irgendwie mit zur Kultur, finden sie. Ein Auge auf den Alkoholpegel ihrer Gäste haben sie dabei immer auch.
Die Unfassbar ist ein Blickfang
Wenn sie nun mit der Unfassbar unterwegs sind – immerhin alle zwei Wochen im Durchschnitt –, dann kommen die Menschen gleich auf sie zu. Die mobile Bar ist schließlich ein Blickfang. Klar, machmal bestellt jemand nur ein Bier und geht wieder. Andere Leute bleiben, um sich zu unterhalten – manche für ein paar Minuten, andere für eine ganze Stunde. Da kommen viele Themen auf den Tisch, fasst Rentsch zusammen:
„Wir wollen da sein, um das unfassbar Schöne im Leben zu feiern, aber auch das unfassbar Tragische, das auch ein Teil des Lebens ist. Das darf an der Unfassbar zur Sprache kommen, das ist so unser Spektrum.“ Wenn ein Gespräch persönlicher wird, dann entfernt sich der Pfarrer ein paar Schritte von der Bar, um die Unterhaltung fortzusetzen.
Ein Freiwilligenteam sorgt dafür, dass der Barbetrieb immer läuft. So können die beiden Pfarrer echte Seelsorge leisten. Aber, so betonen sie: „Wir gehen nicht auf die Straße mit einem speziell coolen Trick, um die Menschen zu verpflichten, in die Kirche zu kommen.“ Wenn sich jemand durch seinen Besuch an der Unfassbar dazu inspiriert fühlt, wieder zur Kirche zu gehen, dann freut die beiden das, aber das ist nicht ihr Hauptanliegen. Sie wollen vor allem Ansprechpartner für die Menschen sein. Und das gelingt ihnen, sie erleben oft positive Reaktionen auf ihre ungewöhnliche Aktion. „Schön, dass ihr da seid!“, heißt es dann von Passanten.
Auch selbst haben sie etwas gewonnen
Doch nicht nur für das Stadtbild und die Gesprächspartner von Rentsch und Jungen ist die Unfassbar eine Bereicherung, sondern auch für die beiden selbst. Immerhin kommen sie mit vielen verschiedenen Menschengruppen in Kontakt. Da nehmen die beiden nicht selten eine wertvolle Lektion für sich selbst mit, erzählt Rentsch. Dann sagt er sich nach einem Gespräch durchaus mal: „Das ist ein cooler Gedanke, so habe ich das noch nie gesehen!“ und bringt diese Idee mit nach Hause. „Dort habe ich bereits ein Grundkonzept und die halbe Predigt schon geschrieben, einfach dadurch, dass ich inspiriert wurde durch andere Gedanken und Sichtweisen“, erzählt der Pfarrer.
Hin und wieder gibt es aber auch kritische Stimmen an der Unfassbar, Menschen, die mit der Kirche nichts mehr zu tun haben und ganz andere Meinungen vertreten als die beiden Pfarrer. Aber auch die sind Rentsch willkommen, wie er sagt: „Es gibt natürlich kritische Fragen, kritische Punkte, die angesprochen werden. Aber das erachte ich persönlich auch nicht als etwas Schlechtes. Wir leben in einer Demokratie, wir leben in einer offenen Gesellschaft, wo Meinungsfreiheit herrscht und die soll natürlich auch an der Unfassbar gelten.“ Na dann Prost!
Von Nadine Vogelsberg