Manfred Rupprecht auf dem Jakobsweg
Mit den Füßen beten
Wenn Manfred Rupprecht aus Königslutter seine Wanderschuhe schnürt und den Rucksack schultert, geht es wieder los auf den Jakobsweg. Drei Mal ist er bereits den ganzen Camino Francaise, den französischen Jakobsweg gepilgert und immer hatte er ein ganz persönliches Anliegen im Gepäck.
„Für mich ist Pilgern auf dem Jakobsweg eine Grenzerfahrung sowohl im körperlichen, als auch im spirituellen Sinn“, sagt Manfred Rupprecht. Im April bindet er sich das dritte Mal die Muschel mit dem Jakobskreuz, das Erkennungszeichen der Pilger, an den Rucksack. Mit Bus und Bahn geht es nach Saint-Jean-Pied-de-Port, dem Beginn des Camino Francés, des Jakobsweges von der französischen Grenze bis nach Santiago de Compostela.
800 Kilometer in dreißig Tagen
800 Kilometer liegen vor ihm und gleich der erste Teil des Weges durch die Pyrenäen wird für den 64-Jährigen zu einer echten Herausforderung. „Ich bin in einen Schneesturm geraten. Der zwölf Kilo schwere Rucksack, die Kälte und dann auf 1600 Meter Höhe fünfzig Zentimeter Schnee – da bin ich schon an meine Grenzen gestoßen“, berichtet Rupprecht. Die Unbill des Wetters hört auch auf der spanischen Seite der Pyrenäen nicht auf. In Ronchesvalles setzt starker Regen ein. „Mein Rucksack und die nassen Sachen waren einfach nicht mehr trocken zu kriegen. Aber das war es dann auch mit Schnee und Regen. Die Sonne kam durch und es wurde richtig Frühling, für mich die schönste Zeit auf dem Jakobsweg.“ Nach dreißig Tagen steht Manfred Rupprecht schließlich am Ziel, am Grab des Apostels Jakobus. „In diesem Jahr bin ich für meine Tochter den Pilgerweg gegangen, für eine glückliche Ehe, denn sie hat im Sommer geheiratet. 2017 war ich aus Dankbarkeit für meine verstorbenen Eltern unterwegs und 2015, die erste Pilgertour, für meine eigene Ehe, für 35 gemeinsame, schöne Jahre.“
Fragt man Manfred Rupprecht was ihm der Jakobsweg bedeutet, antwortet er, ohne zu überlegen: „Der Weg ist gut für meinen Glauben. Ich hatte zwar schon vorher einen starken Glauben, aber durch das Pilgern ist er noch fester und tiefer geworden.“ Und nachdenklich fügt er hinzu: „Das liegt mit an den vielen Stunden, die ich auf dem Weg im Gebet verbracht habe.Der Weg war für mich auch geistlich, spirituell eine Grenzerfahrung, eine schöne, die ich nicht missen will.“
Jeden Morgen beginnt der Pilger aus Königslutter mit einem Morgengebet, einer kleinen Statio auf dem Weg, macht in Kirchen und Kapellen Pause und hält während des Tages sogar kleine Andachten – auch für andere Pilger. „Das war nicht geplant, aber man kommt ins Gespräch, geht ein Stück des Weges gemeinsam und wenn wir an einen schönen Ort gekommen sind, habe ich für mich und für alle, die wollten, ein Gebet gesprochen, einen Text aus der Bibel vorgelesen oder ein Lied gesungen. Manchmal haben die anderen gefragt: Manfred, du hast so schöne Texte mit, kannst du nicht mit uns zusammen beten?“
Gott nimmt mich an die Hand
Bitten, die Manfred Rupprecht gern erfüll – aber alles auf deutsch, eine andere Sprache beherrscht er nicht. „Ich habe das Gefühl, dass mich Gott beim Pilgern an die Hand nimmt. Man wird viel offener für seine Schöpfung, nimmt auch Kleinigkeiten viel intensiver wahr – bis hin zur Blume am Wegesrand oder dem Vögelchen, das im Baum sein Lied trällert.“ Wichtig sind für ihn auch die Begegnungen auf dem Weg. „Wenn man drei Stunden mit jemandem zusammen gegangen ist, dann kennt jeder das Leben des anderen, weiß, weshalb er sich auf den Weg gemacht hat, wo der Schuh drückt, wie es in seinem Inneren aussieht.“
Drei Mal ist Rupprecht nun schon den Jakobsweg komplett gegangen. „Der Höhepunkt aller drei Pilgertouren war für mich das erste Ankommen 2015 in der Kathedrale. Ich hatte es geschafft. Das hat mich zu Tränen gerührt. Denn ich hatte mich vorher immer wieder gefragt: Schaffst du das wirklich? Wird es nicht vielleicht doch zu viel?“ Schließlich war er damals gesundheitlich leicht angeschlagen.
Wenn er heute zurückblickt ist jede der drei Touren anders gewesen: „Der erste Weg, da war alles neu und sehr emotional. Während der zweiten Tour kennt man schon einiges und man erlebt vieles bewusster. Und das dritte Mal, das ist schon ein bisschen wie Heimat.“
Fit durch Fahrradfahren und Laufen
Ob sich der Pilger aus dem Elm noch ein weiteres Mal auf den Weg macht, steht noch in den Sternen. „Das hängt von vielen Faktoren ab, besonders von der Gesundheit. Man darf nicht vergessen, man gerät an seine Grenzen. Das habe ich in diesem Frühjahr ziemlich extrem erfahren.“ Auch wenn sich der rüstige Rentner mit Fahrradfahren und Laufen fit hält – zweimal die Woche läuft er 15 Kilometer durch den Elm –, zählt für ihn auf dem Jakobsweg nicht die sportliche Leistung, auch nicht die Compostela, die Urkunde, dass er den Weg geschafft hat: „Für mich ist ganz allein das Glaubenserlebnis wichtig und die Begegnung mit den anderen Pilgern – unterwegs oder in einer der vielen Herbergen.“ Doch schelmisch lächelnd gibt er zu: „Aber die Compostela hole ich mir als Andenken dann doch!“ Und wer weiß, vielleicht gibt es demnächst ja einen neuen Grund für Manfred Rupprecht, sich wieder auf den Weg zu machen und „mit meinen Füßen zu beten“.
Edmund Deppe