50 Jahre Ständige Diakone im Bistum Osnabrück
„Mit unserem Fundament können wir protzen“

Foto: Christof Haverkamp
Diakon Walter Lübbe in der Bremer Kirche St. Pius, die zur Pfarrei St. Franziskus gehört.
Walter Lübbe ist keiner, der den Leuten nach dem Mund redet. Seine Direktheit, das weiß er, kommt nicht immer gut an. Aber er ist überzeugt: „Manchmal hilft nur die Wahrheit.“ Wie zum Beispiel bei einer Trauerfeier, die er übernehmen sollte. Die Bestatterin informierte ihn vorab, dass es schnell gehen müsse, so wünschten sich das die Angehörigen: ein kurzer Gang von der Kirche zum Grab, das Einsenken der Urne und dann Schluss. Er dürfe zwar ein paar Worte sagen, aber möglichst wenig von Gott.
Der Diakon war verblüfft und rief den Sohn des Verstorbenen an. Der rechtfertigte sich gleich: Mit der Kirche habe er nichts mehr am Hut, die Trauerfeier sei einzig und allein der Wunsch seines Vaters gewesen. Lübbe meldete sich dennoch zum Hausbesuch an und wies darauf hin, dass er auf dem Friedhof als katholischer Diakon in einem Gewand erscheinen werde. Und dass sich für ihn in Gott eine Hoffnung ergibt: Der Tod ist nicht das Letzte, sondern Gott verheißt jeder und jedem ein ewiges Leben.
Vielleicht war es das Wort Hoffnung, das einen Nerv traf; plötzlich schwenkte der Mann um und es sprudelte aus ihm heraus. Er und seine Frau sprachen über den Verstorbenen und über ihr eigenes Leben. Nach einer dreiviertel Stunde war eine schlichte und einfache Feier vorbereitet. Beginnen sollte sie in der Kirche – mit einem Text aus dem Evangelium, einer Predigt und einem Totengedenken. Zwischendurch sollte sogar Musik gespielt werden. Dazu wollte der Sohn extra Lieblingsstücke seines Vaters heraussuchen.
Walter Lübbe, 63 Jahre alt, pensionierter Polizeibeamter, verheiratet, Vater von drei erwachsenen Kindern und einem Pflegekind, ist Diakon im Zivilberuf. Und das leidenschaftlich gern, seit 21 Jahren. Er sagt: „Für mich ist es mit das Kostbarste, Menschen mit Gott in Berührung zu bringen.“ Das nimmt er ernst und lehnt so manchen Wunsch ab. Ein Brautpaar beispielsweise wollte bei der Trauung nur Lobeshymnen hören. Lübbe schüttelt den Kopf. „Das ist doch nicht realistisch, jeder Mensch hat auch seine Macken und Schattenseiten. Ich mache aus einer Hochzeit keine Hollywoodveranstaltung.“
Ich mache aus einer Hochzeit keine Hollywoodveranstaltung
Seinen eigenen Glauben prägten ein Jugendkaplan und später eine Ordensfrau. „Sie haben etwas in mir entzündet, das ich unbedingt weiterleben und weitergeben wollte.“ Für das Amt des Ständigen Diakons aber brauchte es Anstöße von außen. Zunächst von einem Studenten in seinem damaligen Bibelkreis. Der drückte ihm eine Broschüre in die Hand. Doch da war Lübbe gerade frisch verheiratet und hatte andere Dinge im Kopf. Jahre später, längst war er aktiv in der Pfarrei St. Franziskus, machten ihm Gemeindemitglieder Mut. Lübbe begann ein Fernstudium und die Ausbildung zum Diakon. 2004 wurde er geweiht. Seinen beiden Mitstreitern aus dem Bistum Osnabrück ist er bis heute freundschaftlich verbunden. Eine gemeinsame Fahrt führte sie nach Rom. „Eine der ersten Messen, in denen wir assistierten, haben wir in den Katakomben Roms gefeiert“, sagt Lübbe. „So etwas vergisst man nicht.“
In seiner Bremer Pfarrei achtet Lübbe vor allem auf Menschen, die in Not sind. Er hört zu, hilft mal ganz praktisch, mal nimmt er Anliegen mit ins Gebet. Seine Aufgaben sind vielfältig. Er tauft, beerdigt, assistiert bei Trauungen, verkündet das Evangelium, bringt die Krankenkommunion. Jahrelang hat er regelmäßig Gottesdienste mit Demenzkranken gefeiert, und nach wie vor begeistert ihn die Jugendarbeit. Auch, weil er Geschichten wie diese erlebt: Mit Firmlingen fuhr er nach Lage, einen Wallfahrtsort nördlich von Osnabrück. In der Gruppe war ein Mädchen, dessen Opa im Sterben lag. Spontan beschlossen die Jugendlichen, die leichtere Version des 135 Kilogramm schweren Lager Kreuzes zu schultern und um die Kirche zu tragen – für den Opa. „Ein geschenkter Moment aus der Situation heraus“, so etwas könne man nicht verordnen, schwärmt Lübbe und spricht von einer Gotteserfahrung. „Das Mädchen erinnert sich bis heute daran.“
Walter Lübbe ist jetzt im Ruhestand – als Polizist, nicht als Diakon. Da warten sogar mehr Aufgaben auf ihn. Sich in Bibelarbeit und Katechese mit anderen auszutauschen, den Glauben zu vertiefen, das ist ihm besonders wichtig. „Unser Fundament muss sichtbar sein, damit dürfen wir protzen“. Allerdings lasse das Interesse nach, und es werde immer schwieriger, Ehrenamtliche etwa für die Erstkommunion- und Firmvorbereitung zu finden. „Viele wollen sich nicht langfristig binden“, bedauert er. Wie kam sein Diakonamt eigentlich bei den Kollegen der Schutzpolizei an? Er lacht. „Die wussten, dass ich in der Kirche aktiv bin, da gab es in der Gruppe immer mal wieder einen lockeren Spruch: ,Ach, da kommt ja der Papst!’ Aber, wenn wir zum Beispiel zu zweit auf Streife waren, haben mir Kollegen ihre innersten Sorgen anvertraut, Dinge, die sie sonst keinem erzählt haben.“
Polizei und Diakonat, das passe, findet Lübbe. Auch Polizisten kümmern sich um Menschen am Rand der Gesellschaft, um Betrunkene und Obdachlose, sind Erstversorger, bringen sie ins Krankenhaus. „Da habe ich oft gesagt: Ihr macht im Grunde genommen nicht anderes als wir Diakone.“
In einem Gottesdienst im Osnabrücker Dom mit Bischof Dominicus Meier am Samstag, 17. Mai, um 11 Uhr wird daran erinnert, dass es den Ständigen Diakonat im Bistum Osnabrück seit 50 Jahren gibt.
Hintergrund
Das Wort Diakon leitet sich ab vom Griechischen „diakonos“ und bedeutet Diener oder Helfer. Ein Diakon wendet sich den Menschen zu, die Hilfe brauchen. Er macht den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Gottes- und Nächstenliebe sichtbar. Seit 1968 können Männer, auch verheiratete, zu Ständigen Diakonen geweiht werden. Sie streben kein Priesteramt an, sondern arbeiten als hauptamtliche Seelsorger oder in einem Zivilberuf. Unter anderem spenden sie die Taufe, leiten kirchliche Begräbnisfeiern, assistieren bei Trauungen, feiern Wortgottesdienste und bringen die Krankenkommunion.
Im Bistum Osnabrück gibt es 84 Ständige Diakone (Stand Mai 2025).
Davon:
- aktive Ständige Diakone insgesamt: 55 (davon 25 im Hauptberuf und 30 im Zivilberuf)
- Ruheständler insgesamt: 29 (davon 12 im Hauptberuf und 17 im Zivilberuf)
- von den Ruheständlern haben 12 noch einen pastoralen Auftrag