Diplomatenfamilie findet Heimat in ihrem Glauben

Mit Weite und Tiefe

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Vier Kinder spielen auf einem Holzpferd, ihre Mutter steht daneben und passt auf sie auf.
Nachweis

Ludwiga von Korff

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Josephine von Weyhe und ihre Kinder, kurz vor der Ausreise nach Addis Abeba

Als Diplomatengattin kommt Josephine von Weyhe viel in der Welt herum. Wo auch immer sie gerade lebt, finden sie und ihre Familie Vertrautheit und Halt in der katholischen Kirche.

Vor wenigen Wochen ist Josephine von Weyhe in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba eingetroffen. Ihr Mann ist dort der neue stellvertretende Botschafter. Nach Russland und Bangladesch ist Äthiopien das dritte Land, das sie mit ihrem Mann zu einem mehrjährigen Auslandseinsatz ansteuert. Inzwischen hat das Ehepaar fünf Kinder, das jüngste ist noch keine drei Monate alt. Dennoch wirkt von Weyhe entspannt, als sie über den bevorstehenden Neuanfang spricht. 

Ihren Horizont weiten, Menschen anderer Kulturen kennen- und verstehen lernen, das wollte sie bereits als Studentin in Passau. „Sprachen-, Wirtschafts- und Kulturraumstudien mit Schwerpunkt Spanien und Lateinamerika“ hieß ihr Diplomstudiengang. „Mir gefiel die Breite, die Offenheit für verschiedene Berufsfelder – am Ende fehlte es mir allerdings an Tiefe“, erinnert sich die 38-Jährige.

Sie nutzte die Gelegenheit, eine Promotion anzuschließen, ein Thema bis zur Quelle zu erforschen. Betreut von Kirchenhistoriker Hubert Wolf ging sie der Lebensgeschichte des katholischen Politikers Franz Graf von Galen auf den Grund, ein Bruder des für seine Proteste gegen das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten bekannten Kardinals Clemens August Graf von Galen.

Beide Etappen ihres Studiums hält von Weyhe auch für prägend in ihrer Glaubensbiografie. In der westfälischen Kleinstadtgemeinde, in der sie aufwuchs, ging sie zwar zur Erstkommunion und zur Firmung, einen eigenen Zugang zum christlichen Glauben habe sie aber im Grunde erst später gefunden. 

Dazu trugen Passauer Freunde bei. „Samstagabends nahmen wir am Studentenleben teil wie alle anderen, sonntagmorgens trafen wir uns mit der gleichen Selbstverständlichkeit zum Kirchgang“, erzählt sie. In der Auseinandersetzung mit Franz von Galen ist ihr bewusst geworden, dass Engagement für Kirche und Gesellschaft zum Christsein dazugehört und dass sich viele Fragen im Laufe der Geschichte immer wieder stellen, etwa die Frage, welche Werte man für schützenswert erachtet und für welche man bereit ist, sich dafür einzusetzen.

Inspiriert vom Gottvertrauen der Menschen in Bangladesch

Dass auch ihr Mann Ferdinand katholisch ist und in seinem Glauben steht, sei für sie beide eine Bereicherung. „Besonders schön finde ich, dass wir miteinander beten können“, sagt von Weyhe. Für beide sei während des jüngst beendeten siebenjährigen Intermezzos im Heimatland die Kirche zu den Heiligen Zwölf Aposteln in Berlin-Zehlendorf ein Ankerpunkt gewesen.

Ihr Mann hat hier sonntags häufig die Orgel gespielt, die älteste Tochter war Ministrantin. Sie selbst hat den Kinderliturgiekreis geleitet, der alle vierzehn Tage Gottesdienste für kleine Kinder anbietet, war Gottesdienstbeauftragte und Mitglied im Gemeinderat.

An der Kirche im Erzbistum Berlin hat sie vor allem zu schätzen gelernt, dass sie sich trotz ihrer Kleinheit und trotz wichtiger Diskussionen über innerkirchliche Reformen wahrnehmbar in öffentliche Debatten über große ethische und zwischenmenschliche Fragen einbringt. Dankbar war sie zuletzt für einen Beitrag von Erzbischof Heiner Koch zur Diskussion über den assistierten Suizid, in dem er auch offen zum Gebet aufrief. 

Wo Katholiken in der Minderheit sind, sei das Gefühl der Verbundenheit in der lokalen Gemeinde stärker als die Auseinandersetzungen um große Umbruchthemen, nimmt von Weyhe wahr. Das war in Berlin so, aber auch in St. Petersburg und Dhaka. „Auch wenn der Kulturraum und die Sprache uns trennen, die Liturgie und der Glaubenskern verbinden stark“, beschreibt sie ihre Erfahrung. In Bangladesch zum Beispiel habe sie nicht nur mit deutschen Familien, sondern auch mit Gemeindemitgliedern verschiedener Nationalitäten Gemeinsamkeiten  gefunden. Mit manchen von ihnen war sie in einem Mütter-Gebetskreis verbunden. Es tat ihr gut, sich ganz auf dieses Land einzulassen, das ihr zunächst so fremd schien, Kontakt zu Einheimischen zu suchen, zu essen, was es vor Ort gibt. Beeindruckt war sie besonders von der Zuversicht, die Menschen  unter sehr schwierigen Lebensbedingungen und trotz härtester Schicksalsschläge ausstrahlten.

„Dort bei Muslimen und Christen demütiges Gottvertrauen zu erleben, hat mich selbst verändert. Ich möchte diese Haltung auch an unsere Kinder weitergeben. Sie sollen wissen, dass der Wohlstand, in dem wir leben, nicht selbstverständlich ist.“

„Vielleicht finde ich einen Platz, an dem ich mich engagieren kann“

Demütiges Gottvertrauen, so lasse sich die Haltung gut beschreiben, in der sie nach Äthiopien umgezogen ist: ein Land mit reicher christlicher Tradition und voller kultureller und landschaftlicher Schönheit, aber auch ein Entwicklungsland, das unter ethnischen Konflikten, hoher Inflationsrate, Dürre und ausbleibenden Getreidelieferungen infolge des Ukrainekrieges leidet. 

„Ich möchte mich von diesem Land beeindrucken lassen, und vielleicht finde auch ich wie ein kleines Teil eines großen Puzzles einen Platz, an dem ich mich engagieren und mithelfen kann“, sagt sie. Dabei hat sie die Missionsärztliche Schwester Rita Schiffer vor Augen, die sie kürzlich traf. Die Ordensfrau stammt aus dem Bistum Münster und leitet seit über 20 Jahren ein Landkrankenhaus in Äthiopien. „Ich gebe mein Bestes, den Rest lege ich in Gottes Hände“, hat Schwester Rita einmal gesagt. Der Satz ist zum Motto für ihren Neuanfang in Addis Abeba geworden. 

„Mich beruhigt der Gedanke, dass es auch dort eine katholische Gemeinde gibt, in der wir Anschluss und Halt finden und im Glauben verbunden sein können“, sagt die Diplomatengattin. Sichtbares Zeichen ihrer Zuversicht ist ein äthiopisches Segenskreuz, das ihr Sohn kürzlich in Berlin zum Abschied geschenkt bekam.

Dorothee Wanzek