Anstoss 36/19

Miteinander frei

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„Recke dich, strecke dich, erhebe dich Bistum Erfurt“ schallte es am 18. September 1994 über den Erfurter Domplatz.


Tausende katholische Christen hatten sich zur jährlichen Herbstwallfahrt (damals hieß die Bistumswallfahrt noch so) vor den Stufen des Mariendoms versammelt, um miteinander Gottesdienst zu feiern. Und die Bistumserhebung. Mit dem Vergleich eines Bäumchens hieß Fuldas Erzbischof Johannes Dyba das neue Bistum „im Herzen Deutschlands und Europas“ willkommen.
Das ist jetzt 25 Jahre her – also Grund genug zu feiern. Die ebenfalls in diesem Jahr 25-jährigen Bistümer Görlitz und Magdeburg taten dies bereits. Für das Bistum Erfurt steht diese Feier noch an, und zwar am 15. September zur traditionellen Bistumswallfahrt.  
Was ist aus dem „Bäumchen“ geworden? Wobei man ja mit Rückblick auf die Geschichte sagen muss, dass es sich bei der Bistumsgründung, um im Bild des Bäumchens zu bleiben, nicht um einen kleinen Setzling handelte. Kirchliches Leben in seiner Vielfalt hatte es auch schon davor gegeben. Nur dass die Eigenständigkeit insofern begrenzt war, als dass das Gebiet des Bistums Erfurt kirchenrechtlich zu den Bistümern Fulda und Würzburg gehörte und eine Gemeinde, nämlich Ellrich, zum Bistum Hildesheim.
Da sich zum silbernen Jubiläum des Bistums in diesem Jahr auch noch der Fall der Mauer zum 30. Mal jährt, bekam die Bistumswallfahrt das Thema „Miteinander frei“ verpasst (also in mehr oder weniger demokratischer Entscheidungsfindung).

Miteinander, weil ohne Miteinander gar nichts geht. Jedenfalls nicht kirchliches Leben im Sinne des Evangeliums. Trotz der tollen Erfahrungen, die ein Miteinander mit sich bringt, bedeutet es doch auch harte Arbeit. Heißt es doch, und zwar für jede (!) und jeden (!), über den eigenen Schatten zu springen, seine Meinung zu überdenken, sich auch auf Ungewohntes einzulassen, nicht auf seiner Überzeugung stur zu beharren, zuzuhören, die anderen vollumfänglich anzuerkennen, sich nicht für den Größten (gilt auch für Frauen) halten, selbst wenn es qua Amtes oder Funktion nur zu gerechtfertigt erscheint. Miteinander gelingt am ehesten denen, die innerlich wirklich frei sind.
 
Andrea Wilke, Erfurt

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