Studie zu Religiösen Kinderwochen
Mitmach-Kirche erleben
Neben Katechesen und Gottesdiensten gehören zum Konzept der Religiösen Kinderwoche auch Freizeitaktivitäten und Ausflüge. Foto: Tobias Glenz |
Rund 13 000 Kinder nehmen in jedem Jahr an den Religiösen Kinderwochen (RKW) teil. Entstanden zu DDR-Zeiten sind sie heute noch ein Höhepunkt im Pfarrleben in Ostdeutschland. Auch einige Gemeinden in den alten Bundesländern haben die Idee übernommen. Doch: Sind die RKW auch angesichts der gegenwärtigen Veränderungen in Kirche und Gesellschaft ein pastorales Modell mit Zukunft? Danach fragte jetzt eine vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken in Paderborn in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie. Ihre Antwort: 98 Prozent der befragten Personen beschreiben das Konzept der RKW als zeitgemäß. Die RKW seien auch 61 Jahre nach ihrer Entstehung für Kinder und Jugendliche nicht nur wichtige Orte, um mit Religion und Kirche in Kontakt zu kommen, sondern auch unerlässlich für die Gemeinschaft- und Glaubensbildung sowie für die Glaubensweitergabe in der Diaspora.
Religion auf spielerische Weise vermittelt
Die Studie wirft jedoch auch dringliche Fragen für die Zukunft der RKW auf. Vorgestellt wurden die Ergebnisse während eines digitalen Fachtages, an dem eine 50-köpfige international besetzte Expertenrunde darüber diskutierte, wie die RKW mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche und religiöse Veränderungen weiterentwickelt werden sollen.
„Die Stärke der RKW ist, dass sie leicht zugänglich und dezidiert religiös ist und somit religiöse Praxis und Wissen auf spielerische Art und Weise vermittelt. Gerade die jungen Teilnehmer verstehen die RKW als eine ,Mitmach-Kirche‘, wodurch die Partizipation erhöht wird. Die RKW sind gesellschaftlich etabliert und die Mehrheit der Teilnehmer sind seit mehreren Jahren dabei“, heißt es in der Studie unter Federführung der Pastoraltheologin Katharina Karl und des Mediziners mit dem Arbeitsschwerpunkt „Lebensqualität und Spiritualität“ Arndt Büssing. Die Wissenschaftler nahmen insbesondere die Akzeptanz, Wirkung, künftige Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der RKW in den Blick. Befragt wurden 575 Erwachsene, Kinder und Jugendliche, die im Jahr 2019 entweder an den RKW teilgenommen oder sie in einer Funktion mit vorbereitet und begleitet haben.
Alle teilnehmenden Kinder zeigten sich begeistert vom Konzept der RKW. Sie könnten sich gemäß der eigenen Fähigkeiten sehr gut einbringen und gleichzeitig fühlten sie sich als vollwertiges, ernstzunehmendes Mitglied wahrgenommen. Entscheidend für diesen Erfolg seien laut Karl und Büssing die sogenannten „burning persons“ (Schlüsselpersonen), durch die die Identifikation und die Partizipation der Jugendlichen entscheidend gesteigert werde. Trotz der Erfolge in den vergangenen Jahrzehnten bedarf es kreativer jugendpastoraler Ansätze, um das Format der RKW auf kommende Herausforderungen wie den demografischen Wandel, religiöse Indifferenz (vor allem nach Corona) und zurückgehende kirchliche Ressourcen einzustellen.
„Die Bedingungen und Umstände der Kinder- und Jugendkatechese befinden sich in einem starken Wandel. Als Kirche sind wir gefordert, neue Impulse zur Gestaltung der kinderpastoralen Arbeit zu setzen, in dem wir adäquate Formen der Gemeinschaftserfahrung und der Glaubenskommunikation erarbeiten. Das Ergebnis der Studie zeigt erfreulicherweise, dass die RKW oftmals ein wichtiger Raum der Erstevangelisierung sind. Für mich sind sie ein großer Schatz, den es über die Gebiete der Diaspora und über die verfasste Gemeinde hinaus – in ökumenischer Verbundenheit – zu stärken und weiterzuentwickeln gilt. Dazu müssen zukünftig auch neue Zielgruppen erreicht werden“, sagte der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Monsignore Georg Austen.
Zukunftsfragen sollen diskutiert werden
Als besonders entscheidend sieht das Hilfswerk die Rolle der haupt- und ehrenamtlichen Multiplikatoren an. Sie müssten noch intensiver in ihrer Arbeit begleitet und unterstützt werden. Für eine zeitgerechte Form der RKW brauche es zudem didaktisch und inhaltlich gut erarbeitete Materialien sowie ein geeignetes Format. Die Studie gebe dazu erste Hinweise, welche in den kommenden Monaten vertieft bewertet werden müssten, um daraus neue Handlungsoptionen zu entwickeln.
An der Diskussion zur Zukunft der RKW hat auch der Bischof von Magdeburg, Gerhard Feige, teilgenommen. „Die RKW gehören zur ,DNA‘ gelebten Glaubens in Ostdeutschland: In unzähligen Pfarreien ist diese besondere Form der Kinderkatechese seit Jahrzehnten Teil der festen Tradition. Für die Weitergabe des Glaubens sind insbesondere das während der RKW entstehende Zusammengehörigkeitsgefühl und die damit einhergehende emotionale Verbindung von größter Bedeutung“, sagte der Bischof. Er freue sich auf den angestoßenen Prozess, der in den kommenden Monaten weitergeführt wird.
Das digitale Format des Fachtages habe sehr gut funktioniert und so sei eine angeregte, lebhafte und sehr spannende Diskussion über Bistumsgrenzen hinaus entstanden, sagte Monsignore Austen zum Ende der Konferenz. Ende des Jahres 2021 werden alle Ergebnisse, Handlungsempfehlungen und konkrete jugendpastorale Ansätze für die Zukunft in einem Buch veröffentlicht.
In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Bonifatiuswerk, das bereits seit dem Jahr 1963 die Religiösen Kinderwochen in den mittel- und ostdeutschen Diasporaregionen unterstützt und die aktuellen Veränderungsprozesse aktiv mitgestaltet. So wurden allein in den letzten 15 Jahren, über 6,7 Millionen Euro an Fördermitteln für die Durchführung der RKW zur Verfügung gestellt. Die Erstellung des Materials wurde seit 2006 zusätzlich mit 163 500 Euro gefördert. Im Jahr 2019 fanden nach Kenntnis des Bonifatiuswerkes 236 RKW statt.
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige über seine erste RKW als Vikar: Nach meiner Priesterweihe 1978 gehörte es als Vikar in Salzwedel selbstverständlich dazu, Religiöse Kinderwochen durchzuführen. Während der Pfarrer sich um die Kinder der ersten bis fünften Klasse kümmerte, waren mir die Schüler der sechsten bis achten Klasse anvertraut. Mit ihnen habe ich mich zweimal auf Reisen begeben, einmal zum Zelten in den Harz bei Thale und im nächsten Jahr in ein Pfarrhaus in Werder bei Potsdam. Dabei konnte ich auf engagierte junge Erwachsene bauen, die alles mitgestaltet und sogar gekocht haben. Freilich ließen die Rahmenbedingungen zu wünschen übrig, aber das wurde damals in Kauf genommen und trübte die Atmosphäre in keiner Weise. So kampierten wir beim ersten Mal auf dem Privatgrundstück eines Pfarrers, die Zelte hatten noch keinen Boden und zum Waschen gingen die meisten an den nahegelegenen Bach. Dramatisch wurde es auch einmal, als über Nacht plötzlich zwei Drittel der Kinder sich übergeben mussten. Da wir ja gewissermaßen illegal zelteten, sah ich mich – falls dies irgendwelche Behörden erfahren sollten – schon fast hinter Gittern. Hierbei aber halfen uns innerkatholische Beziehungen. Über den Vikar einer anderen Pfarrei bekamen wir vertraulichen Kontakt zu einer Gemeindeschwester. Sie gab uns einige Ratschläge, wie wir verfahren sollten und versicherte uns aufgrund unserer Beschreibungen, dass es sich um keine Lebensmittelvergiftung handele. Erfreulicherweise war nach einem Tag der Spuk auch schon wieder vorbei. So etwas aber merkt man sich.