Der Mann, der Chagall nach Mainz holte
Monsignore Klaus Mayer gestorben
Monsignore Klaus Mayer ist im Alter von 99 Jahren in Mainz verstorben. Der frühere Pfarrer von Mainz-St. Stephan war bekannt geworden durch seine Initiative, den Künstler Marc Chagall für die Gestaltung der Glasfenster für Mainz-St. Stephan zu gewinnen.
Monsignore Mayer hatte bei seiner Predigt anlässlich seines 95. Geburtstags in Mainz-St. Stephan Dankbarkeit in den Mittelpunkt gestellt: „Mein Leben ist gefügt, geführt, begleitet und gesegnet von Gott“, sagte Mayer am 25. Februar 2018 bei der Eucharistiefeier in Mainz-St. Stephan. Mit einem Wort aus Psalm 104 sagte er: „Ich will dem Herrn singen, solange ich lebe.“ Nach den Zerstörungen von St. Stephan im Zweiten Weltkrieg sei es ungewiss gewesen, ob die Kirche überhaupt noch einmal aufgebaut werden würde, betonte Mayer damals. Und weiter: „Heute darf St. Stephan wieder Friedenskirche sein, für die deutsch-französische Freundschaft, für die Völkerverständigung und die jüdisch-christliche Verbundenheit. Wer hätte das damals gedacht? Niemand. Dank sei Gott!“ Mayer schloss seine Predigt im Jahr 2018 mit einem eindringlichen Appell für den Frieden: „Seid dankbar für den Frieden und betet für seine Erhaltung.“
Das „Chagall-Abenteuer“
Das „Chagall-Abenteuer“ nannte Monsignore Mayer die Geschichte, die er vor rund 50 Jahren mit einem Brief an den Künstler Marc Chagall ins Rollen brachte, und die untrennbar mit dem langjährigen Pfarrer von Mainz-St. Stephan verbunden ist. Gleichwohl wollte Mayer nicht auf dieses „Chagall-Abenteuer“ reduziert werden. „Meine Hauptaufgabe war immer, der Pfarrer von St. Stephan zu sein und dabei waren mir Verkündigung und Liturgie sehr wichtig“, betonte Mayer anlässlich seines 90. Geburtstags. Eine wesentliche Aufgabe seiner Amtszeit war daneben auch die Außenrestaurierung der Kirche, „die nach den großen Kriegsschäden nur notdürftig zusammengeflickt war“. Insgesamt 28 Jahre hat sich die Außenrestaurierung hingezogen, die 1968 mit der Rettung des Kreuzgangs begann.
Seit dem Einbau des ersten Chagall-Fensters am 23. September 1978 hatte Monsignore Mayer die Friedensbotschaft der Fenster in seinen regelmäßigen Meditationen, unermüdlich und in großer Regelmäßigkeit erläutert. „Die erste Meditation fand zwei Tage nach dem Empfang des ersten Fensters statt und stand unter der Überschrift ‚Gedanken zum Fenster’“, erzählte Mayer im Jahr 2013. „Schon beim ersten Blick auf die Chagall-Fenster in Jerusalem und Zürich war mir klar, dass die Fenster ‚Bibel pur’ sind, und dass in ihnen eine große Chance liegt, die Bibel zu verkünden, so wie es mir in meinem Pfarrerberuf aufgegeben ist.“ Mit den Meditationen habe er die Möglichkeit, „Menschen zu erreichen, die wir sonst in der Kirche nicht erreichen“, erläuterte Mayer. „Das ist eine beglückende Aufgabe, die mir zugedacht worden ist, und die ich mir nicht ausgesucht habe. Solange ich noch krabbeln kann, muss ich das tun.“
Klaus Mayer wurde am 24. Februar 1923 in Darmstadt als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Dort lebte er bis 1934; sein Vater war ein Jahr zuvor nach Argentinien emigriert. Mayer fand Unterschlupf im Internat des Benediktinerklosters Ettal in Oberbayern. Als „Mischling ersten Grades“, wie es damals hieß, stand Klaus Mayer in ständiger Lebensgefahr. Als das Gymnasium in Ettal durch die Nationalsozialisten aufgelöst wurde, holte Mayer 1942 die Reifeprüfung am damaligen Adam Karillon-Gymnasium (heute Rabanus Maurus-Gymnasium) in Mainz nach. Wegen seiner Abstammung lebte er in ständiger Angst, verhaftet und in ein Konzentrationslager deportiert zu werden. Er tauchte unter als Hilfsarbeiter in einer Holzhandlung. In seiner 2007 erschienenen Autobiographie („Wie ich überlebte. Die Jahre 1933 bis 1945“) hob er besonders die Bedeutung seiner Mutter hervor. Bei der Vorstellung des Buches sagte er: „Nur Dank Gottes und der Hilfe meiner Mutter habe ich diese Schreckensjahre in Deutschland überlebt.“
Nach dem Krieg trat Mayer in das Mainzer Priesterseminar ein. Er wurde am 30. Juli 1950 von Bischof Dr. Albert Stohr in Mainz zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren wurde er 1958 Pfarrer in Gau-Bickelheim. Von 1965 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1991 leitete er die Pfarrei St. Stephan.
Die Chagall-Fenster von St. Stephan
Am 10. April 1973 hatte Mayer den Künstler Marc Chagall in einem Brief angefragt, Kirchenfenster für die Mainzer Kirche St. Stephan zu schaffen. Der damals bereits 86-jährige Chagall schuf das erste Fenster 1978 zum Thema „Gott der Väter“. Es folgten acht weitere Fenster zur biblischen Heilsgeschichte und zum Lob der Schöpfung. Nach dem Tod Chagalls (1985) hat der Leiter des Ateliers Jacques Simon in Reims, Charles Marq, der als Glaskünstler die meisten Fensterentwürfe Chagalls umgesetzt hatte, das Werk Chagalls mit 19 Fenstern im Langhaus und Westchor fortgesetzt (bis zum Jahr 2000). Die Fenster von St. Stephan werden jährlich von rund 200.000 Menschen besucht. Sie sind mit fast 180 Quadratmetern das größte Glaskunstwerk, das der Künstler je geschaffen hat und das einzige Kunstwerk, das er einer deutschen Kirche gewidmet hat. Seit 1978 hat Monsignore Mayer in unzähligen Meditationen zahlreiche Besucher der St. Stephans-Kirche direkt angesprochen.
Die Beerdigungsmesse für Monsignore Mayer findet am Freitag, 23. Dezember 2022, um 10 Uhr in St. Stephan Mainz statt.
Mayer wurde für seine Verdienste mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem wurden ihm das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, der Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz und die französische Auszeichnung „L’Ordre des Arts et des Lettres au grade d’Officier de la Republique française“ verliehen. Die Stadt Mainz zeichnete ihn bereits am Tag nach der Einweihung des ersten Chagall-Fensters mit der Gutenberg-Plakette aus. Es folgten 1983 die Gutenberg-Büste und 1991 der Ehrenring der Stadt Mainz; im Jahr 2005 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Mainz ernannt. 1985 verlieh ihm Papst Johannes Paul II. den päpstlichen Titel Monsignore. Im Jahr 2000 erfolgte die Eintragung in das Goldene Buch des Jüdischen Nationalfonds in Jerusalem. Zuletzt war Mayer im Jahr 2011 für sein Engagement gegen Rechtsextremismus und für eine starke Demokratie mit dem Jakob Steffan-Preis des Vereins „Rheinhessen gegen Rechts“ ausgezeichnet worden.
(mbn)
Aktualisierung: Termin Requiem
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