Christliches Orientierungsjahr in Alt-Buchhorst
Nachteulen-Träume
Schwester Ethel am Glockenstuhl im Hof des Christian-Schreiber-Hauses. Zum gemeinsamen Mittagsgebet wird hier täglich geläutet. Foto: Dorothee Wanzek |
„Schwester Ethel Maria möchte sich im Erzbistum Berlin einen Traum erfüllen“, war im Tag des Herrn zu lesen, als die Schwestern unserer Lieben Frau vor zweieinhalb Jahren in Alt-Buchhorst eine Niederlassung gründeten. „Sie möchte weitergeben, was sie selbst im Glauben gefunden hat und dies mit ihren Mitschwestern und ausgesuchten jungen Menschen in einer Art geistlicher Wohngemeinschaft leben“, hieß es dort weiter.
„Dass ich damals von einem ,Traum‘ gesprochen habe, war mir gar nicht mehr bewusst“, sagt die Ordensfrau mit einem Schmunzeln. Sinnigerweise ist „T-Raum“ der Name, unter dem die Idee von damals gerade Fahrt aufnimmt. Dabei geht es nicht so sehr um die Träume der 47-jährigen Schwester als um die Lebensträume der bis zu sechs jungen Erwachsenen, die vom Sommer an im Christian-Schreiber-Haus ein christliches Orientierungsjahr verbringen können. Mehr noch als die Freiwilligendienstler, die das katholische Jugendhaus bisher in Pädagogik und Hauswirtschaft unterstützen, sollen die künftigen Freiwilligen Zeit und Raum finden, ihrem eigenen Glauben auf den Grund zu gehen und ihre Persönlichkeit weiter zu entwickeln – in Gesprächen untereinander und mit den Schwestern, im gemeinsamen Alltag mit Gleichgesinnten und in zwei besonderen Auslandserfahrungen: Im Herbst wird es die Gelegenheit geben, Israel, das Ursprungsland des Christentums, gemeinsam zu erleben. Zudem wird jeder „T-Räumer“ vier Wochen lang eine Frau oder einen Mann begleiten, der sich aus christlicher Motivation heraus in einem anderen Land engagiert. Anders als sonst in Auslandspraktika üblich geht es dabei nicht vorrangig darum, tatkräftig mit zuzupacken. Im Vordergrund steht stattdessenn, eine engagierte Person zu erleben und mit ihren Augen die Wirkungsstätte in Afrika, Lateinamerika oder einer anderen Region der Welt wahrzunehmen.
Als Gymnasiallehrerin in Nordwestdeutschland hat Schwester Ethel viele spirituell aufgeschlossene Schüler erlebt. Gerne hätte sie ihre Suche damals intensiver begleitet. Ihre Lehrerinnenrolle, insbesondere das Bewerten-Müssen, empfand sie dabei allerdings oft als hinderlich.
Im Christian-Schreiber-Haus gehört die geistliche Begleitung Jugendlicher und junger Erwachsener zu ihren wichtigsten Aufgaben. Zurzeit nimmt sie an einer deutschlandweiten Zusatz-Ausbildung teil zur Begleitung junger Menschen auf dem Weg ihrer Berufung. Letztlich war es die Corona-Pause, die der langgehegten Idee einer Glaubens-WG zum Durchbruch verhalf. Der eingeschränkte Betrieb ermöglichte manches, was im Alltagsbetrieb sonst oft untergeht – etwa die Arbeit an neuen Konzepten. Die drei jungen Frauen, die seit September in Alt-Buchhorst nach dem bisherigen Konzept Freiwilligendienst leisteten, haben sich dabei mit eingebracht und zusammen mit Schwester Ethel manches ausprobiert, zum Beispiel verschiedene Gebetsformen und Methoden im Umgang mit der Bibel. „Es war ein Glücksfall, dass alle drei an Glaubensthemen und der eigenen Weiter-Entwicklung sehr interessiert sind“, freut sich die Schwester. So schwierig es für sie bisher war, mehr am Schreibtisch als mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu müssen, wertvoll empfanden alle die intensiven Gespräche über Themen, die ihnen am Herzen liegen, die Suche nach der eigenen Berufung etwa oder Erkennungsmerkmale für geistlichen Missbrauch.
Am Gemeinschaftsleben der drei Schwestern werden die Freiwiligen nicht unmittelbar teilnehmen, erläutert Schwester Ethel, sie wohnen auch in einem anderen Bereich des Hauses. Berührungspunkte werde es aber durchaus geben, etwa beim Mittagessen im Speisesaal oder bei Gebetszeiten. Schwester Rafaelis Könemann arbeitet in einer Suchtberatungsstelle in Fürstenwalde, Schwester Elisabeth-Maria Weinrich ist Buchhalterin im Jugendhaus. Dass die Schwestern unterschiedlicher kaum sein könnten, ist den Angestellten des Hauses sehr schnell aufgefallen: Bei Rafaelis schlägt das Herz für Öffentlichkeitsarbeit, Elisabeth-Maria liegt dagegen der Datenschutz am Herzen, sie ist Frühaufsteherin, Ethel indessen Nachteule ... Die drei zu erleben, hat schon manchen ermutigt, auch im eigenen Umfeld trotz unüberbrückbar scheinender Gegensätze gemeinsame Wege zu suchen: „Wenn sogar ihr das hinbekommt, sollte es doch möglich sein...!“
Nächtliche Gespräche über Gott und die Welt
Auch einige Erfahrungen, die Schwester Ethel seit zwei Jahren mit dem Projekt „nAcht“ des Netzwerks Junge Kirche im Erzbistum sammelt, werden in das Christliche Orientierungsjahr mit einfließen. Die Idee dazu hatte die Referentin aus dem Bistum Osnabrück mitgebracht, wo sich die „nAcht“ seit zehn Jahren bewährt hat: Am 8. jeden Monats bietet die katholische Kirche um acht Uhr abends an interessanten Orten eine Aktion für junge Erwachsene an.
„In der Regel sind die rund zweieinhalbstündigen Programme nicht sonderlich fromm, aber häufig ergeben sich daraus tiefe Gespräche über die persönlichen Träume und den Glauben“, erzählt Schwester Ethel. Vom Christian-Schreiber aus war sie mit jungen Erwachsenen unter anderem in einer Bäckerei, auf dem Stahnsdorfer Friedhof, in Kanus auf dem See hinter dem Bildungshaus und in Videokonferenzen. „Diese Verabredung entspricht der Spontaneität junger Leute heute. Sie müssen sich nicht anmelden, das Datum prägt sich ein, und auch diejenigen, die an bestimmten Wochentagen feste Termine haben, können manchmal dabei sein.“ Nicht zuletzt sei das Angebot auch für Leute anziehend, die bisher keine Erfahrungen mit der Kirche gemacht haben.
Mehr Informationen über das Christliche Orientierungsjahr unter www.mein-t-raum.de
Von Dorothee Wanzek