Bei Visitation musste sich Erzbischof Koch auch Kritik anhören

„Nehmerqualitäten gefragt“

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Bei seiner Visitation in der Pfarrei Heilige Drei Könige in Berlin-Neukölln musste sich Erzbischof Heiner Koch auch Kritik anhören. Immer wieder war der Umgang mit dem sexuellen Missbrauch durch Priester des Erzbistums Thema.

Erzbischof Heiner Koch feierte mit den Neuköllner Katholiken eine heilige Messe in der Kirche Sankt Eduard.    Foto: Oliver Gierens

Die Neuköllner Pastoralreferentin Lissy Eichert ist es gewöhnt, offen zu sprechen. Sie gehört nicht nur zu den Sprecherinnen beim „Wort zum Sonntag“ der ARD, auch war sie am 22. Juni bei einem Hearing des Erzbistums Berlin mit dabei, als es erneut um das Thema sexueller Missbrauch und dessen Aufarbeitung ging.
Dort sprach sie für ihre Berufsgruppe – die der Pastoralreferentinnen – und forderte eine radikale Umkehr in der Kirche. „Es kann nicht darum gehen, eine Institution zu retten, die sich selbst abbaut“, sagte sie unter anderem. Die Lösung sei nicht von Bischöfen, Leitungen oder von Rom zu erwarten, dazu seien alle aufgerufen.

„Angstfreie Kommunikation“ mit dem Erzbischof
Lissy Eichert hat auch die Visitation des Erzbischofs in ihrer Pfarrei intensiv begleitet, auch die Gespräche mit den Gremien. Das Thema sexueller Missbrauch habe auch hier immer wieder eine Rolle gespielt, schließlich hatte das Erzbistum Berlin kurz zuvor das komplette Gutachten zur Aufarbeitung des Missbrauchs veröffentlicht.
„Das Thema kann man nicht außen vor lassen“, so Lissy Eichert. Sowohl in der Pfarrei als auch in Einrichtungen wie der Frauenbildungsstätte „JACK“, die Deutschkurse für Migrantinnen anbietet und mit der Pfarrei verbunden ist, gebe es entsprechende Schutzkonzepte, um solche Taten künftig besser zu verhindern. Dabei gibt die Pastoralreferentin durchaus zu verstehen, dass sich Erzbischof Koch durchaus auch Kritik anhören musste. „Es braucht gerade Nehmerqualitäten“ bei Gesprächen mit der Kirchenbasis, sagt sie im Rückblick. In der Pfarrei Heilige Drei Könige werde fair gestritten, es gehe bei Kritik stets um die Sache, nicht um die Person. Dabei sei man im Dialog mit dem Erzbischof durchaus deutlich geworden und habe mit der Meinung nicht hinterm Berg gehalten. Eine „angstfreie Kommunikation“ seien die Gespräche gewesen, sagt Lissy Eichert.

Ein Thema war auch die künftige Gestalt der Kirche
Dabei seien auch andere Themen zur Sprache gekommen, die den Verantwortlichen vor Ort derzeit unter den Nägeln brennen – beispielsweise die Verwaltung. Schließlich gebe es in der Pfarrei ein buntes, vielfältiges Leben – wie könne das in Zukunft noch verwaltet werden? Doch auch die künftige Gestalt der Kirche in Zeiten von Priester- und Gläubigenmangels sei ein Thema gewesen. Auch langjährige, fest verwurzelte Mitglieder würden mittlerweile ihren Austritt aus der Kirche erklären. „Die Austritte berühren jetzt den Kern von Kirche“, sagt Lissy Eichert. Und letztlich sei auch die Pfarreienfusion und ihre Umsetzung nach wie vor ein Diskussionspunkt, so die Pastoralreferentin.
Doch sie sagt auch: Erzbischof Koch habe sich das alles aufmerksam angehört. Er sei im besten Sinne ein „Pastor“, also ein Hirte, der sich die Dinge zu Herzen nehme, sie genau wissen wolle und dabei eine tiefe Gottverbundenheit an den Tag lege. Daraus schöpft sie die Hoffnung, dass die vielen Gespräche und Begegnungen nicht umsonst waren, sondern dass die Meinung an der Basis auch bei der Bistumsleitung Gehör findet.

Von Oliver Gierens