Einsatz im sozialen Kaufhaus
„Ohne Ehrenamtliche geht es nicht“
Auch wenn die Wirtschaft im Emsland floriert – nicht allen Menschen geht es gut. Sie brauchen Einrichtungen wie das soziale Kaufhaus in Freren. Viele Ehrenamtliche sorgen dafür, dass der „Marktplatz“ jeden Tag öffnen kann.
„Es macht mir einfach Spaß“: Martha Eggermann arbeitet von Beginn an im sozialen Kaufhaus „Marktplatz“ in Freren mit.
„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“ Martha Eggermann bietet der Dame, die sich schon einige Minuten verschiedene Sommerblusen angeschaut hat, mit einem freundlichen Lächeln Hilfe an. Die Besucherin des sozialen Kaufhauses will „eigentlich nur mal in Ruhe durchgucken“, fragt dann aber doch nach aktueller Saisonbekleidung. Martha Eggermann führt sie mitten in den Laden, wo auf einem Podest helle Jacken und Hosen mit bunten Schals dekoriert sind. Zu so günstigen Preisen, dass die Frau hier schnell etwas Schickes findet. „Vielleicht hätte sie sich das sonst nicht leisten können“, sagt Eggermann später nachdenklich.
Sie gehört zu den 42 Frauen und Männern, die ehrenamtlich im Sozialen Kaufhaus in der Stadt Freren arbeiten. Mit ihrem Einsatz sorgen sie dafür, dass die Einrichtung an jedem Tag von Montag bis Samstag am Vor- und am Nachmittag öffnen kann. Bis zu zehn Stunden Zeit bringt jeder von ihnen dafür pro Woche mit. „Ohne unsere Ehrenamtlichen geht es nicht. Sonst könnten wir das gar nicht schaffen“, sagt die Leiterin des „Marktplatzes“, Eveline Köhne.
„Wir mussten auf eine Not reagieren“
Martha Eggermann gehört seit Beginn 2009 zu dem Team der Ehrenamtlichen – die 75-Jährige hat den „Marktplatz“ mitaufgebaut. Sie erinnert sich noch gut an den Anruf von Marita Theilen (Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen Lingen) und deren Frage, ob sie mithelfen könne, in Freren ein soziales Kaufhaus zu gründen. „Ich habe sofort ‚Ja‘ gesagt, obwohl das eine große Aufgabe war.“ Aber ihr war klar, wie notwendig eine solche Einrichtung auch in einer ländlich geprägten Region wie dem südlichen Emsland ist. „Wir mussten auf eine Not reagieren.“
Auch Eveline Köhne stellt bei ihrer Arbeit immer wieder fest: Mag die Wirtschaft im Emsland auch florieren, mögen die meisten Einwohner auch Arbeit haben – „es gibt Leute, die einfach darauf angewiesen sind, dass es solche sozialen Kaufhäuser wie unseres gibt“. Da übersteigt dann eine neue Jeans für 60 Euro oder ein Mantel für 90 Euro schnell das monatliche Budget. Köhne denkt zum Beispiel an Witwen, an alleinerziehende Eltern, an Menschen aus anderen Ländern. Die oft nicht zugeben mögen, dass gerade am Monatsende das Porte-monnaie leer ist. „Das ist eine mehr verschämte Armut“, sagt Köhne.
Wichtig ist der Leiterin daher, dass der „Marktplatz“ nicht wie eine vollgestopfte Kleiderkammer aussieht. Sondern hell und freundlich, hübsch und passend zur Saison dekoriert. Die bis zu 50 Kunden pro Tag können wie in jedem anderen Geschäft durch Regale und Stände stöbern, finden dort eine Hose für zwei Euro oder eine Jacke für 15 Euro. Ausdrücklich sagt die Leiterin, dass jeder hier einkaufen darf – sie findet es sogar gut, wenn nicht nur Gäste mit schmalem Geldbeutel kommen. Auf diese Weise mischt sich das Publikum, keiner fühlt sich abgestempelt. „Wir erleben aber, dass der größere Teil unserer Kunden einer Unterstützung bedarf“, betont Eveline Köhne.
Das ist für Martha Eggermann der wichtigste Grund, im „Marktplatz“ mitzumachen. Durch ihre Ehrenämter hat die vielfältig engagierte Frerenerin immer wieder Menschen kennengelernt, die Hilfe und Beistand in ihrem Alltag brauchen. Mehrere Jahrzehnte hat sie zum Beispiel die Pfarrcaritas in Freren geleitet, hat die Kleiderkammer mitinstalliert, „Essen auf Rädern“ ausgeteilt und im Altenpflegeheim einen Besuchsdienst aufgebaut. Dort gehört sie auch heute zu einem ehrenamtlichen Team, das Besucher an der Pforte begrüßt und im offenen Café Kuchen serviert. Warum sie so viel Zeit dafür opfert? Eggermann will bei der Frage gar nicht mit großen Reden antworten. Das ist ihr einfach wichtig und fast selbstverständlich geworden. „Mich haben diese Aufgaben immer bereichert und ich habe auch viel für mich dabei gelernt.“ Und sie ist ohnehin kein Typ, der den ganzen Tag nur die Füße hochlegen will.
„Das ist irgendwie auch mein Kind“
Im Sozialen Kaufhaus hat sie mittwochs Dienst und einmal im Monat samstags. Aber meistens kommt sie öfter in der Woche, guckt fast jeden Tag kurz mal hinein. „Das ist irgendwie auch mein Kind“, sagt sie lächelnd und man spürt, dass sie sich verantwortlich fühlt. Auch bei dem Pressegespräch springt sie zwischendurch auf, um einem Mann, der gerade einen Karton Kleidung als Spende gebracht hat, einen Kaffee zu bringen oder einer Frauengruppe die Frühstücksangebote zu erklären. „Es macht mir einfach Spaß“, sagt sie.
Mehrere Bekannte hat sie schon überzeugen können, ebenfalls im „Marktplatz“ mitzuhelfen – weil sie ihnen klar- macht, wie viel man persönlich dabei gewinnt. Zum Beispiel wie bei der Begegnung mit einem jungen Paar, das zu einer Hochzeitsfeier gehen möchte, aber kein Geld hat für einen neuen Anzug oder ein teures Kleid. „Die waren so glücklich, als sie bei uns etwas Passendes für sich gefunden haben“, sagt Martha Eggermann. „Das ist ein richtig schönes Gefühl.“
Text und Foto: Petra Diek-Münchow
Zur Sache
Seit zehn Jahren gibt es das Soziale Kaufhaus mit dem Namen „Marktplatz“ mitten in Freren am Markt 4. Träger ist der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Lingen in Kooperation mit Pfarrcaritas und Pfarrgemeinde in Freren. In dem Kaufhaus kann jeder Besucher auf 900 Quadratmetern Fläche günstige Kleidung, Haushaltswaren, Spielzeug und Bücher kaufen. Außerdem gehört ein Begegnungscafé dazu, in dem Gäste frühstücken und nachmittags Kaffee trinken können. Für Kinder gibt es einen Spielbereich.
Der SkF Lingen und die emsländische Caritas bieten im „Marktplatz“ zu bestimmten Zeiten Schwangerschaftsberatung, Allgemeine Soziale Beratung, Suchtberatung sowie Kur- und Erholungsberatung an. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 9 bis 12.30 Uhr und 14.30 bis 17 Uhr, Samstag: 9 bis 12.30 Uhr. Kontakt: Telefon 0 59 02/50 34 69.
Es gibt viele weitere soziale Kaufhäuser im Bistum, an denen die katholische Kirche beteiligt ist.
Ostfriesland: Kaufhaus am ZOB, Kleine Mühlenwallstraße 2-3 in Aurich; Soziales Kaufhaus, Bremer Straße 2-4 in Leer; „Lüttje Knippke“, Fußgängerzone in Emden.
Emsland: „SkF fashion“, Alter Pferdemarkt 3-5 in Lingen; „SoKa“ – Soziales Kaufhaus, Obergerichtsstraße 3 in Meppen; Soziales Kaufhaus, Grader Weg 58 in Papenburg; Soziales Kaufhaus, Poststraße 9 in Aschendorf; Soziales Kaufhaus, Hauptstr. 73 in Werlte; „Esterweger Lädchen“, Alte Schulstraße 12 in Esterwegen.
Landkreis und Stadt Osnabrück: „FAIRKAUF“, Schoonebeekstraße 1 in Georgsmarienhütte; Soziales Kaufhaus Artland, Lange Straße 13 in Quakenbrück; „FAIRKAUF“, Bahnhofstraße 41 in Bersenbrück; Soziales Kaufhaus, Kohlbrink 4 in Melle; „MÖWE“, Hauswörmannsweg 88 in Osnabrück; „Jonathans Laden“ Johannisstraße 88 in Osnabrück.
Sollte in dieser Liste ein Kaufhaus mit katholischer Beteiligung fehlen, bitten wir um Nachricht per E-Mail (redaktion@kirchenbote.de). Dann holen wir die Veröffentlichung nach.