Weil sie einer Nigerianerin Schutz gewährte

Ordensfrau wegen Kirchenasyl verurteilt

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Weil sie einer Nigerianerin Kirchenasyl gewährt hat, ist die Ordensfrau Juliana Seelmann von einem Würzburger Gericht verurteilt worden. Anders als in vergleichbaren Prozessen ließ der Richter die Glaubens-  und Gewissensfreiheit nicht als entlastendes Argument zählen.

Schwester Katharina Ganz (l.), Oberin der Oberzeller Franziskanerinnen, und Schwester Juliana Seelmann (r.), Oberzeller Franziskanerin und wegen Kirchenasyl angeklagt, vor dem Sitzungssaal im Strafjustizzentrum Würzburg am 2. Juni 2021.
Muss das Urteil "erst mal sacken lassen": Schwester Juliana Seelmann (r.), Oberzeller Franziskanerin vor dem Sitzungssaal im Strafjustizzentrum Würzburg mit Katharina Ganz (l.), Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen

"Wir leben in einer Demokratie, nicht in einem Gottesstaat." Der Satz von Richter Rene Uehlin hört sich heftig an. Er bezieht sich auf das Urteil gegen die katholische Ordensfrau Juliana Seelmann von den Oberzeller Franziskanerinnen: schuldig. Doch der Richter sprach nur eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aus. 500 Euro muss die 38-Jährige zahlen; die 20 Tagessätze zu 30 Euro sind für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Uehlin folgte bewusst nicht der Argumentation der Richterin am Kitzinger Amtsgericht, die Ende April den Benediktiner Abraham Sauer mit Verweis auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit freigesprochen hatte.

Doch wer den Prozess vor dem Amtsgericht Würzburg am Mittwoch verfolgte und die Urteilsbegründung anschaut, der merkt, dass Uehlin den Fall moralisch anders beurteilt als rechtlich. Ein Rechtsbruch müsse sanktioniert werden; doch eigentlich seien die konkreten Fälle nichts für die Strafjustiz, so der Jurist. "Es ist ein Unding, dass ich als Strafrichter über solche Fälle zu entscheiden habe." Eine Einstellung kam aber nicht infrage; die Staatsanwaltschaft Würzburg wollte das Urteil.

Kritik übte der Richter auch am Verhalten der Polizei: Dass man zwar Strafanzeigen schreibe, aber dann Kirchenasyle nicht auflöse. Der Verteidiger der Ordensfrau, Franz Bethäuser, hatte beantragt, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als Zeugen zu befragen. Dabei sollte geklärt werden, ob seine Aussage von 2014 noch gelte, wonach die Polizei Kirchenasyle nicht antaste. Uehlin sagte, er gehe davon aus, dass das noch gelte. Eine als Zeugin geladene Polizistin konnte keine Angaben machen, ob es entsprechende Anweisungen gibt.

Ursprünglich standen zwei Fälle von Kirchenasyl zur Anklage. Ein Fall wurde vorläufig eingestellt. Grund dafür ist, dass nicht klar war, ob eine Fristverlängerung zur Überstellung der Nigerianerin nach Italien im Rahmen der Dublin-Regeln den dortigen Behörden rechtzeitig mitgeteilt wurde. Wäre das nicht der Fall, könnte Deutschland bereits für das Asylverfahren der Frau zuständig gewesen sein. Dann wäre das Kirchenasyl überflüssig gewesen.

Damit ging es nur noch um den Fall einer Nigerianerin, die 2020 in Kirchenasyl im Kloster Oberzell war. Sie war bereits zuvor einmal freiwillig von Deutschland nach Italien zurückgekehrt und erlebte dort erneut Zwangsprostitution. Ausführlich schilderte die Ordensfrau, wie Frauen dort die Zustände beschreiben. Zudem würden Menschenrechtsorganisationen wie Solwodi glaubhaft berichten, dass es mafiöse nigerianische Strukturen in Italien gebe, die bis in die Behörden reichten.

Doch die Moral und auch der Verweis auf die Gewissens- und Glaubensfreiheit im Grundgesetz überzeugte den Richter nicht. Er stellte diesen das Rechtsstaatsprinzip von Artikel 20 in der deutschen Verfassung entgegen - und sagte dabei den Satz mit dem Gottesstaat.

Das habe sie peinlich berührt, sagte Schwester Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, nach dem Prozess. Es bleibe die Frage, in welchem Verhältnis das Rechtsstaatsprinzip zu den Grundrechten stehe, speziell zur Glaubens- und Gewissensfreiheit. "Wenn wir ja ein Grundgesetz haben, dass in der Präambel sehr wohl auch den Gottesbegriff führt: Die Menschenwürde ist allem staatlichen Handeln vorgeordnet."

Schwester Juliana Seelmann selbst zeigte sich nach dem Richterspruch enttäuscht. "Das muss ich erst mal setzen lassen", sagte sie nach der Verhandlung. Dankbar zeigte sich die Ordensfrau für die mehr als 15 Personen, die zur Unterstützung ins Würzburger Strafjustizzentrum gekommen waren, darunter auch Bruder Abraham Sauer aus Münsterschwarzach, der in Kitzingen freigesprochen worden war.

Sein Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel angekündigt hat. Wie es im Würzburger Richterspruch nun weitergeht, ist offen. Aber auch hier ist nicht unwahrscheinlich, dass die Verteidigung diesen Schritt geht. Eine definitive Entscheidung wollte Bethäuser am Mittwoch noch nicht verkünden. Das Kirchenasyl wird aber sicher weiter die Gerichte in Bayern beschäftigen.

kna/Christian Wölfel