Wenn Demenzkranke ins Krankenhaus müssen
Orientierungslos auf der Station
Ein Klinikaufenthalt wirft demenzkranke Menschen oft völlig aus der Bahn. Häufig verschlechtert sich ihr Zustand dort. Doch es gibt wirksame Konzepte, die Situation zu verbessern. Sie werden aber noch viel zu selten umgesetzt.
Die alte Dame war noch rüstig und sollte nur zur Abklärung einer Blutarmut ins Krankenhaus. Doch der Klinikaufenthalt wurde für sie und ihre Tochter zum Horrortrip. Denn Elisabeth Schmidt* leidet unter Alzheimer, ist vergesslich und orientierungslos. Mehrfach fand ihre Tochter sie barfuß in der Kälte im Krankenhausgarten. Die Folge: Damit sie nicht mehr wegläuft, fesselte das Pflegepersonal Elisabeth Schmidt ans Bett. Die Tochter war entsetzt: „Die Tür war zu, niemand hätte sie rufen hören! Sie lag einsam in ihrem Zimmer, hatte ständig große Angst und Unruhe und war damit völlig alleine.“
Fälle wie dieser seien keine Ausnahme, sagt Winfried Teschauer, Vorstandsmitglied der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Etwa 1,5 Millionen Demenzpatienten würden jedes Jahr stationär in deutschen Krankenhäusern behandelt. Doch die meisten Einrichtungen seien auf diese steigende Zahl nicht eingestellt, kritisiert Teschauer. Dabei hieß es bereits 2014 im „Pflegethermometer“ des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP): „Menschen mit Demenz sind keine Randerscheinung mehr im Krankenhaus.“ Bereits jeder vierte Patient leide an einer Demenz, oft ist es eine „Nebendiagnose“ und wird erst während des Aufenthaltes bemerkt.
Jeder vierte Patient leidet an einer Demenz
Dabei gibt es wirksame Konzepte, die Situation zu verbessern. Das zeigt eine Evaluationsstudie des DIP, die jetzt erschienen ist. Über einen Zeitraum von drei Jahren begleiteten die Forscher die Versorgung von 400 Patienten auf der „Station Silvia“, einer „special care unit“ im Malteser-Krankenhaus St. Hildegardis in Köln. Mobilität, geistige Fähigkeiten und die Alltagskompetenz der Patienten verbesserten sich während des Aufenthaltes dort deutlich. Die überwiegend hochbetagten Menschen wurden nicht wie Elisabeth Schmidt am Bett fixiert oder mit Medikamenten ruhiggestellt, um sie ruhigzustellen und ihr „Weglaufen“ zu verhindern. Alle Mitarbeiter der Station wurden nach dem schwedischen Konzept Silviahemmet (Deutsch: „Silviaheimat“) geschult, Ärzte, Pflegepersonal und Therapeuten haben sich so auf die besonderen Bedürfnisse der Patientengruppe eingestellt und den Arbeitsablauf an sie angepasst.
Auch die Station selbst ist baulich eigens auf die demenziell erkrankten Patienten zugeschnitten: Sie ist übersichtlich gestaltet und bietet mit einer Küche und einem Tages- und Speiseraum eine Art familiären Zusammenlebens, das nicht einer normalen Krankenhausstation entspricht. Lobend erwähnen die Angehörigen in der Studie auch den offenen und warmherzigen Umgang des Klinikpersonals mit den Patienten.
Malteser fordern eine angemessene Finanzierung
Dass Demenzkranke, die aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen werden, oft orientierungslos werden und Ängste entwickeln, ist bekannt. Sie benötigen mehr Zeit, Zuwendung und Beaufsichtigung. Die Malteser fordern nun, diesen Fortschritt in der Versorgung und Behandlung von Menschen mit Demenz durch eine angemessene Finanzierung flächendeckend zu ermöglichen. Der Geschäftsführer der Malteser Deutschland, Franz Graf von Harnoncourt, betont: „Akut erkrankte Menschen mit einer Demenz können im Krankenhaus so versorgt werden, dass sie gestärkt wieder entlassen werden. Jetzt sind die Politik und die Kostenträger gefragt, die Refinanzierung sicherzustellen. Aktuell ist dies nur durch Eigenmittel möglich. Unter der gegebenen Krankenhausfinanzierung ist das für die meisten Häuser aber nicht zu leisten.“
Die wissenschaftliche Evaluation der Station wurde auch durch einen Lenkungsausschuss begleitet. Dessen Mitglieder waren Vertreter von Wissenschaft, Praxis, Politik und der Patientenperspektive. Auch Regina Schmidt-Zadel, Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen, bekräftigt ihre persönlichen positiven Erfahrungen: „Das Malteser-Krankenhaus hat seine Beschäftigten zu Experten zum Thema Demenz geschult und fördert innerhalb des Krankenhauses eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller verantwortlichen Kräfte.“ Ihr Kollege Winfried Teschauer ist darüber hinaus überzeugt, dass auch schon eine Änderung der Haltung viel bewirken könne. Denn bereits mit relativ überschaubaren Kosten könnten die Krankenhäuser schon jetzt entscheidende Verbesserungen erreichen.
Claudia Rometsch/Astrid Fleute
Broschüren und Bögen können heruntergeladen werden unter www.deutsche-alzheimer.de/angehoerige/mit-demenz-im-krankenhaus.html