Fehlende Reformen in der Pflege

Pflege braucht mehr Geld

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In der Pflege gibt es gravierende Probleme, eine grundlegende Reform ist nicht in Sicht. Der Druck auf die Politik aber wächst, denn in unserer alternden Gesellschaft wird es künftig noch mehr pflegebedürftige Menschen geben als heute.

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Unverzichtbare Arbeit: Ein Pfleger hilft einem alten Mann beim Essen und Trinken. Foto: imago/Photothek

Von Andreas Kaiser

Seit vielen Jahren gibt es in Deutschland eklatante Missstände in der Pflege. Rund 200 000 Pflegekräfte fehlen bereits heute. 2035 könnten es 500 000 sein. Vor allem in vielen privaten Alteneinrichtungen sind die Bezahlung der Mitarbeitenden und die Qualität der Pflege schlecht. Zudem sind zuletzt, aufgrund eines Konstruktionsfehlers in der gesetzlichen Pflegeversicherung, die Eigenanteile für einen stationären Pflegeplatz explodiert. Ende 2023 werden sie durchschnittlich 3000 Euro pro Monat betragen. Das können sich viele alte Menschen nicht leisten, sie sind daher auf staatliche Hilfe angewiesen. Auch die Pflegekassen sind jüngst durch die Inflation und die steigende Zahl von Pflegebedürftigen immer stärker unter Druck geraten und haben 2022 ein Defizit von 2,2 Milliarden Euro eingefahren. 

Zwar hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun eine Anhebung der Beiträge zur Pflegeversicherung angekündigt. Doch eine grundlegende Reform der schon lange schwächelnden Pflegeversicherung, wie sie zahlreiche Wissenschaftler und Sozialverbände fordern, ist weiterhin nicht in Sicht.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen halten weite Teile von Union und FDP nichts von den Plänen von SPD, Grünen und Linken, die Pflegeversicherung zu einer Art Vollkasko- oder Bürgerversicherung umzubauen, die anders als bisher nicht nur einen kleinen Sockelbetrag der Heimplatzkosten übernimmt, sondern den Löwenanteil beisteuert. „Alte haben keine Lobby, sind meist zu schwach und zu krank, um sich zu wehren“, heißt es bei der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen. Auch sei die Pflege anders als etwa die Bankenkrise, die Corona-Pandemie oder die Inflation infolge des Ukraine-Kriegs „keine akute Notlage, sondern eine Daueraufgabe. Da ist ein Marathon zu bewältigen, das ist kein Sprint“, sagt Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VDK, sieht noch einen anderen Grund: „Pflege gilt für zu viele immer noch als die alleinige Aufgabe der Familie.“ So würden vier der aktuell knapp fünf Millionen Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, meist von Ehefrauen und Töchtern. Dafür bekämen die Angehörigen kein Geld: „Es wird einfach von den Frauen erwartet.“ 

Früher haben Ordensfrauen oft für ein Taschengeld gepflegt

Zudem werde Sorgearbeit, die früher oft für ein Taschengeld von Ordensfrauen und Diakonissen geleistet wurde, noch immer unterbewertet. Erst wenn Politik und Gesellschaft bereit seien, für eine gute Versorgung im Alter mehr Geld in die Hand zu nehmen und die Lasten dafür solidarisch zu verteilen, „erst dann ändert sich auch der Wert der Heimpflege“, ist Bentele überzeugt.

Fest steht: Der Druck auf die Politik wächst stetig. Aufgrund der zunehmenden Alterung der Gesellschaft wird es 2030 sechs Millionen Pflegebedürftige geben – dreimal so viele wie im Jahr 2000. Zudem geht das Problem alle an. Am Ende des Lebens werden drei von vier Männern und vier von fünf Frauen pflegebedürftig. Höchste Zeit also, der Pflege den Wert zuzugestehen, der ihr zusteht.