Jugendliche und Politik
Politik: Ja - Parteien: Nein
Vor hundert Jahren drängten die Frauen bei uns in die Parlamente: Erstmals durften sie wählen und gewählt werden. Heute drängen zu wenige: Parteipolitik ist für junge Leute uninteressant. Dabei wollen sie sich politisch engagieren. Nur eben anders.
Als Annegret Kramp-Karrenbauer den Vorsitzenden der Jungen Union, Paul Zimiak, zum neuen Generalsekretär ausrief, tat sie dies mit der Begründung, der 33-Jährige verkörpere die junge Generation. Und Jens Spahn hatte durchaus Recht, als er kurz zuvor auf die Kritik, er sei einfach zu jung für den Posten des Parteivorsitzenden, antwortete: Wenn 39 zu jung sei, spreche das nicht unbedingt für die Altersstruktur der CDU.
Die CDU steht stellvertretend für alle Parteien. So liegt der Altersdurchschnitt der Bundestagsabgeordneten bei der SPD mit 50,5 Jahren am höchsten, die FDP-Fraktion ist mit 45,5 Jahren die jüngste. Und dieser Wert ist noch relativ gut, bedenkt man, dass Parteimitglieder insgesamt im Schnitt 60 Jahre alt sind und nur acht Prozent von ihnen unter 30.
Dabei ist jungen Leuten Politik nicht egal. Bei der Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2015 gaben 46 Prozent der 12- bis 25-Jährigen an, sich grundsätzlich für politische Fragen zu interessieren – eine deutliche Steigerung gegenüber nur rund 30 Prozent im Jahr 2002. Gleichzeitig wird in der Umfrage die massive Skepsis gegenüber politischen Parteien deutlich. „Sie werden als gut geschmierte Apparate wahrgenommen“, schreibt der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann“ in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“. Deshalb engagieren sich junge Leute lieber in Klimabündnissen oder sozialen Einrichtungen, sind aktiv in Internetforen oder im Hambacher Forst oder setzen sich für gute Arbeitsbedingungen am eigenen Arbeitsplatz und weltweit ein. Dieses Engagement ist gut – und besorgniserregend. Denn unsere Parlamente funktionieren nun einmal über Parteien. Sie stellen Kandidatinnen und Kandidaten auf, die gewählt werden. Parteien zukunftsfähig zu machen, ist deshalb heute genauso wichtig wie vor hundert Jahren die Öffnung der Politik für Frauen.
Politik ist ein extrem familienunfreundlicher Beruf
„Wir müssen Parteipolitik attraktiver gestalten“, sagt die CDU-Abgeordnete und Präsidentin des Katholischen Frauenbundes, Maria Flachsbarth. Politik sei ein extrem „familienunfreundlicher Beruf“ und damit nichts für Frauen und Männer, denen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig ist. „Wollen wir diese Gremienkultur?“, fragt sie selbstkritisch. „Müssen Sitzungen so lange dauern?“ Auch der Soziologe Hurrelmann fordert, schneller und moderner zu werden, denn Jugendliche seien „ein ungeduldiges Publikum“.
Natürlich: Politik braucht Geduld und die Fähigkeit zu argumentieren, zu verhandeln, Kompromisse zu finden; nicht alles ist mit einem Daumen-Hoch-Button zu klären. Aber wenn es darum geht, überkommene Strukturen zu hinterfragen, sind nicht nur die Kirchen gemeint, sondern auch die Parteien.
Susanne Haverkamp