Weltkonferenz der Anglikaner diskutiert Homosexualität
Quadratur des Kreises
Seit Jahren wird in der anglikanischen Weltkirche darüber gestritten, wie die Gemeinschaft mit Homosexualität umgehen will. Nun wurde das Thema auch bei der Konferenz in Canterbury diskutiert.
Auch wenn die Erzbischöfe aus drei wichtigen anglikanischen Kirchenprovinzen nicht zur Weltbischofskonferenz nach Canterbury gekommen sind: Irgendwie sind Henry Ndukuba (Nigeria), Laurent Mbanda (Ruanda) und Stephen Kaziimba (Uganda) doch präsent bei der 15. Lambeth-Konferenz, die bis 8. August tagt. Denn der Grund für ihre Absage ist der Elefant im Raum: die Frage, wie die Anglikanische Gemeinschaft mit homosexuellen Menschen umgehen will.
Eine einfache Antwort für alle 43 Kirchenprovinzen mit ihren etwa 77 bis 85 Millionen Gläubigen ist freilich nicht zu erwarten, wenn die 660 anwesenden Bischöfe an diesem Dienstagabend über das Thema gesprochen haben werden. Darauf weist die Kirchenleitung seit Beginn der Konferenz gebetsmühlenartig hin. Denn rechtlich bindend ist die Lambeth-Konferenz in ihren 155 Jahren Geschichte nie gewesen. Und ein Konsens gerade in dieser heiklen Frage scheint völlig ausgeschlossen. Stattdessen sollen die Bischöfe und Bischöfinnen offen ihre Argumente darüber austauschen, ob die Anglikanische Gemeinschaft homosexuelle Bischöfe und Priester haben und gleichgeschlechtliche Ehen segnen will.
In Teilen der Kirche wie etwa der Episcopal Church in den USA ist das längst gang und gäbe, andere Kirchen etwa in Europa sind unentschieden, während vor allem in weiten Teilen des globalen Südens diese Sakramente für LGBT-Menschen ein absolutes No-Go wären. Das hat auch mit den jeweiligen Gesellschaften zu tun, erläutert ein Bischof aus Zentralafrika, der nicht genannt werden will: "In den Ländern des Nordens geht es immer um Individualität, aber so denken wir bei uns überhaupt nicht", wirbt er um Verständnis. Er selbst müsse in seiner Diözese etwa Streitigkeiten zwischen Farmern schlichten. "Manche Bischöfe können gar nicht in ihren Ländern sein, weil sie Probleme mit der Regierung haben. Da denkt doch niemand an das Thema Homosexualität!"
Homosexualität wird unter dem Begriff menschliche Würde diskutiert
Im Hintergrund spielt auch das Thema Kolonialismus eine Rolle, ist etwa der altkatholische Bischof von Utrecht, Barend Wallet, überzeugt. "Die Länder des Südens haben das Gefühl, dass ihnen hier schon wieder etwas aufgedrückt wird, was gar nicht zu ihrer Identität passt", sagt Wallet, der als ökumenischer Gast teilnimmt.
Bei der Konferenz auf dem Campus der Universität von Kent ist die Stimmung gelöst und offen, Bischöfe aus Papua-Neuguinea plaudern mit Kollegen und Kolleginnen aus England oder Hong Kong. Dieser Austausch macht zweifellos den Charme und Mehrwert der Konferenz aus, weil er gegenseitiges Verständnis fördern kann. Es gibt Gottesdienste, Seminare und Diskussionen, gemeinsames Singen und Feiern. Und dann sind da die Plenarsitzungen, bei denen die Bischöfe über etwa zehn Themen wie Mission, anglikanische Identität, Versöhnung, Konflikte, Armut, Klimawandel diskutieren. Das Reizthema Homosexualität ist verpackt in den Begriff "Human Dignity".
"Es geht beim Thema menschliche Würde doch um so viel mehr als Sexualität", beschwört der südafrikanische Erzbischof Thabo Makgoba vom Vorbereitungsteam auch die Journalisten, den Fokus bitte anders zu setzen. Und Erzbischof Tim Thornton, Berater von Erzbischof Justin Welby von Canterbury, betont einmal mehr, dass es ja eine weitere Phase nach der Konferenz geben wird, in der die Bischöfe das Gehörte in ihre Diözesen tragen und mit ihren Gläubigen diskutieren sollen.
Seit Tagen geistern auf der Konferenz Gerüchte umher, ob möglicherweise konservativere Bischöfe aus dem Süden eine Art Protest anbringen könnten. Am Dienstag dann wird bekannt, dass die Global South Fellowship of Anglican Churches (GSFA) dafür eintreten wird, dass eine Erklärung der vorletzten Lambeth-Konferenz von 1998, wonach allein die Ehe zwischen Mann und Frau der Bibel entspricht, als offizielle Lehre der Anglikanischen Gemeinschaft verabschiedet werden soll. Welby, mit dem es dem Vernehmen nach dazu bereits am Samstag ein Gespräch gab, sei darüber informiert, so der GFSA-Vorsitzende Erzbischof Justin Badi aus dem Südsudan. Über 250 "orthodoxe", also traditionell orientierte Bischöfe, unterstützten den Vorstoß, so Badi.
Konservative Bischöfe bleiben bei Kommunion aus Protest sitzen
Dass sie nicht einverstanden sind mit Homosexuellen im Bischofsamt hatten die konservativeren Bischöfe schon beim Eröffnungsdienst am Sonntag in der Kathedrale von Canterbury gezeigt: Sie blieben bei der Kommunion sitzen als Zeichen des Protests. Welby, als Ehrenprimas der Anglikaner und Gastgeber der Konferenz irgendwo zwischen Jongleur und Dompteur, hatte zuvor schon darum geworben, dass doch alle immerhin für einander und die Einheit beten sollten, auch wenn sie sich jetzt nicht in der Lage sähen, mit anderen an den Tisch des Herrn zu treten - aus welchen Gründen auch immer.
Bischof John Omanga aus Kenia dürfte einer von ihnen gewesen sein. "Wir müssen die Bibel ernst nehmen", mahnt der junge Bischof auf Anfrage. Eine offene Spaltung will er nicht. "Wir sollten uns mehr auf das konzentrieren, was uns verbindet, nicht das, was uns trennt", sagt er salomonisch.
Nicht wenige vergleichen die Situation mit dem Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Es ist ein bisschen die Quadratur des Kreises, die Erzbischof Welby und sein Team hier zu vollführen haben. "Wir suchen die größtmögliche Übereinstimmung", beschreibt es Erzbischof Thornton, "damit wir anschließend weiter mit einander gehen können."
kna/Sabine Kleyboldt