Digitale Angebote in der Fastenzeit
Raus aus dem Schneckenhaus
Video-Gottesdienste zum Mitmachen, Storys auf Facebook und Instagram, musikalische Impulse auf Spotify: Das Bistum plant für die Fastenzeit digitale Angebote auf verschiedenen Kanälen im Internet. Das Motto überrascht.
„Wir wollen Abstand fasten“ – so haben Yannik Marchand, seit Oktober Internetseelsorger im Bistum, und Urs von Wulfen, zuständig für die Onlinekommunikation, ihre Ideenliste für die Fastenzeit überschrieben. Und Marchand weiß selbst, dass dieser Titel vielleicht für ein Fragezeichen im Gesicht sorgen wird. Soll man keinen Abstand mehr halten? Der Nordhorner Gemeindereferent schüttelt den Kopf. Natürlich wollen die zwei Männer nicht dazu auffordern, die Corona-Regeln zu brechen. Es geht viel mehr darum, Abstand zu nehmen von dem inneren Abstand, in den sich mittlerweile viele Menschen wie in ein Schneckenhaus zurückgezogen haben. Und dass sie wieder mehr Nähe zu ihren Nächsten und zum Glauben herstellen.
„Im Grunde befinden wir uns doch seit einem Jahr in einer Art von Fastenzeit,“ sagt Marchand. „Wir müssen auf so vieles verzichten.“ Und deshalb wollen er und sein Kollege nicht auch noch in der tatsächlichen Fastenzeit mit dem Begriff „Verzicht“ arbeiten. Sondern eher dazu ermuntern, trotz aller Einschränkungen Gemeinschaft zu suchen – eben „Abstand zu fasten.“ Wie genau man das machen kann, wollen die Initiatoren bei Facebook und Instagram erklären. Auch mit praktischen Aufgaben: „Rufen Sie doch mal wieder jemanden an!“
Eine der weiteren Überlegungen von Yannik Marchand und Urs von Wulfen sind auch digitale Mit-Mach-Gottesdienste an jedem Mittwochabend – wie in einer riesigen Video-Konferenz, zu der sich die Gäste im Internet zuschalten können. Anders als bei den aus vielen Gemeinden live gestreamten Messen sollen bei diesem neuen Format die Zuschauer nicht nur vom Wohnzimmersessel aus zugucken, sondern beim Gottesdienst aktiv mitwirken können – zum Beispiel, indem sie Fürbitten einsprechen oder per Chatfunktion eintippen. „Das macht einen großen Unterschied, wenn man das in einer großen Gemeinschaft auf dem Bildschirm macht“, sagt Marchand. „Und diese Gottesdienste werden eigens für Online gestaltet und greifen die Ästhetik des Internets auf.“ Für die Teilnahme immer mittwochs am frühen Abend braucht es jeweils einen Internetlink, dieser soll bei Facebook oder Instagram bekannt gemacht werden. Start dieser Reihe soll am Aschermittwoch sein.
Kurze "Storys" und Sehnsuchtsorte
Eine weitere Idee sind kurze „Storys“, die jeden Tag auf den sozialen Medien des Bistums auftauchen. Gemeint sind damit Fotos oder kleine Filme, die jeweils 24 Stunden lang zu sehen sind. Marchand und von Wulfen denken zum Beispiel an Kochtipps aus der regionalen Küche: als Gedankenanstoß, nicht Zutaten einzukaufen, die aus aller Welt stammen, sondern solche von Erzeugern aus der Nähe. Den Abstand verkürzen soll auch eine weitere Aktion, die das Digitale mit etwas Greifbarem verbindet: Postkarten, die man an Freunde und die Familie schicken kann. Davon soll ein ganzer Stoß gedruckt werden – auf einer Seite steht das Motto, auf der anderen ein Satz, den jeder ergänzen kann: „Ich habe mich lange nicht gemeldet, aber ...“
Ein weiteres Stichwort: „Sehnsuchtsorte“. Davon gibt es viele, die wir gerade nicht besuchen können. Yannik Marchand und Urs von Wulfen wollen auch dazu den Abstand verkürzen, zumindest im Geiste. Immer sonntags, so die Idee, sollen auf Facebook und Instagram solche Sehnsuchtsorte für die Betrachter durch Fotos oder Filme „herangezoomt“ werden: vielleicht der Strand auf einer Nordseeinsel, der Dom in Osnabrück oder auch ein Fußballstadion. Dazu gibt es jeweils eine passende Bibelstelle. Mit Musik soll eine andere Aktion das Evangelium mit der Fastenzeit verbinden: Ähnlich wie im Advent sollen beim Streamingdienst Spotify „Hoffnungstöne“ zu hören sein: Kirchenlieder, Popsongs und Klassik in einer Playlist, mit einem kurzen Impuls zu den Schrifttexten zum Tage.
"Was wir machen, muss auch Qualität haben"
Die zwei Männer hoffen mit solchen digitalen Angeboten Menschen aller Altersgruppen erreichen zu können. Und das hat nicht nur etwas mit der Corona-Krise zu tun, die neue Wege in der pastoralen Arbeit notwendig macht. „Das Internet ist ein Lebensraum, und den müssen wir als Kirche so sehen wie andere Lebensräume auch“, sagt Marchand. „In dieser Lebensrealität müssen wir Christen präsent sein, wenn wir das Evangelium ernstnehmen: um da zu sein, um angefragt werden zu können.“
Gerade in den vergangenen Monaten hat sich die Pastoral nach seiner Wahrnehmung derart schnell digitalisiert, dass „wir selbst überrascht sind, was alles online geht und wie schnell wir uns darauf eingestellt haben“. Bei der persönlichen Seelsorge aber stößt Digitalität an Grenzen, meint der Gemeindereferent. Zudem erlebt er nach einem Jahr Corona mit Videomeetings, Homeschooling und Streaming „eine gewisse digitale Müdigkeit.“ Deshalb warnt er vor übermäßigem Aktionismus: „Wir dürfen nicht nur einfach massenhaft Dinge für das Internet produzieren. Was wir machen, muss auch Qualität haben.“
Petra Diek-Münchow