Gebetsschule

Reiz der Wiederholung

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Das Vaterunser ist das wichtigste Gebet der Christen. Einen Vaterunsermonat aber gibt es nicht, einen Rosenkranzmonat schon, den Oktober. Das zeigt, dass diese traditionsreiche Gebetsform geschätzt wird. Doch nicht mehr von allen.

Foto: kna/Jörg Loeffke
Der Rosenkranz kann allein oder in Gemeinschaft gebetet werden. Foto: kna/Jörg Loeffke


Als Kroatiens Fußballer im Sommer 2018 bis ins Finale der Weltmeisterschaft vorstoßen, enthüllt die „Bild“-Zeitung das „Geheimnis“, das die Siege der Mannschaft – und eine Eigentümlichkeit ihres Trainers Zlatko Dalic – erkläre: Dalic stecke nämlich deshalb auffällig oft seine Hand in die Hosentasche, weil er darin seinen Rosenkranz verberge.

Tatsächlich handelt es sich um eine sehr persönliche Angewohnheit des Katholiken Dalic. Er berühre gern den Rosenkranz in seiner Tasche, erklärt er in einem Interview: „Dann empfinde ich auf einmal alles leichter.“
Nun, dieses private Bekenntnis wäre dem Boulevardblatt wohl allenfalls eine Randgeschichte wert gewesen. Aber den überraschenden Erfolg der kroatischen Fußballer auf des Trainers Rosenkranz zu schieben – das ist der Stoff für attraktive Schlagzeilen.

Andererseits sollte man als Christ den „Bild“-Machern nicht allzu laut vorwerfen, dem Rosenkranz quasi magische Kräfte zuzuschreiben. Schließlich feiert die katholische Kirche nach wie vor am kommenden Montag, am 7. Oktober, das Rosenkranzfest. Weil die christlichen Mittelmeermächte am 7. Oktober 1571 in der Seeschlacht von Lepanto die Flotte des muslimischen Osmanischen Reiches bezwangen. Zwei Jahre später führte Papst Gregor XIII. das Rosenkranzfest als „Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Sieg“ ein, weil vor der Schlacht in ganz Europa der Rosenkranz gebetet worden war. Mittlerweile heißt das Fest „Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz“. Der „Sieg“ ist aus dem Namen gestrichen, der Termin weist unverändert auf den Kriegserfolg hin.

Dieser heikle historische Hintergrund ist nun nicht der wesentliche Grund dafür, dass sich selbst viele gut katholische Zeitgenossen mit dem Rosenkranz schwertun. Er werde oft mechanisch heruntergebetet, ja, heruntergeleiert, lautet ein gängiger Einwand. Ein anderer: Er sei eine Gebetsform für alte Leute. Ein dritter: Beim Rosenkranz gehe es vorwiegend um Quantität und weniger um Qualität; je mehr Wiederholungen des Wiederholungsgebetes, desto besser.
Aber stimmt das alles auch?

Nur scheinbar ein sehr geregeltes Gebet

Der Vorwurf des Herunterleierns ist nicht ganz unberechtigt. Wenn der Rosenkranz in Gemeinschaft gebetet wird, kann es durchaus geschehen, dass Vorbeter wie Gemeinde in einen Singsang verfallen, der sich monoton oder teilnahmslos anhört. Selbst ein freudenreicher Rosenkranz klingt dann eher transusig. Was sich aber schon durch gekonnte Betonung beim Vorbeten ändern lässt.

Wer den Rosenkranz für sich allein betet, hat es selbst in der Hand, leise oder laut zu sprechen, langsam oder schnell, konzentriert oder schludrig, lächelnd oder mit Leidensmiene. Mechanisch ist weniger das Gebet selbst – eher spult der Betende es möglicherweise mechanisch ab. Nein, Leiern ist keine Vorschrift beim Rosenkranzbeten.

Dass es durchweg ältere Menschen sind, die das Gebet pflegen, trifft fraglos zu. Wie übrigens auf die allermeisten Formen der Glaubenspraxis, vom Tischgebet über die Beichte bis zum sonntäglichen Kirchgang.
Alten Menschen ist der Rosenkranz vertraut. In ihrer Kindheit haben ihnen Eltern, Pfarrer, Lehrer das Gebet beigebracht und sie dazu verdonnert, beispielsweise im Oktober die tägliche Rosenkranzandacht zu verrichten, in der Kirche oder daheim. Den einen ist das Gebet durch den mehr oder weniger sanften Zwang zur festen Gewohnheit geworden; manche, die den Rosenkranz als Kind nur pflichtgemäß aufgesagt haben, entdecken ihn später für sich neu. Mittlerweile verpflichtet kaum noch wer den Nachwuchs zum Rosenkranzbeten. Ob er sich als Kindergebet besonders gut eignet, darf wohl auch bezweifelt werden. Aber nein, es ist keine Vorschrift, den Rosenkranz erst ab, sagen wir, 60 beten zu dürfen.

Ein Gebet oft und oft wiederholen, Gebete abzählen – das klingt in der Tat so langweilig wie bürokratisch. Und führt der liebe Gott im Himmel etwa Protokoll über die Rosenkranzgebetslebensleistung seiner Gläubigen? 

Die Wiederholung mag einen anöden. Aber sie kann das betrachtende Beten auch takten, einen Anfang und ein Ende setzen, für innere Ruhe sorgen. Und sie bietet die Chance, eine Glaubensaussage gründlich zu bedenken und besser zu begreifen.
Das Wiederholen und Zählen hilft vielleicht auch dabei, den Text zwar zu sprechen, aber anderes im Sinn zu haben. Denn oft wird der Rosenkranz in einem bestimmten Anliegen gebetet. Weil man selbst in einer kritischen Situation steckt, weil ein lieber Mensch krank oder gestorben ist, weil der Frieden in der Welt akut in Gefahr ist. Dafür kann man beten und sich an den Worten und den Perlen einfach nur festhalten. Nein, es ist keine Vorschrift, nach Zahlen zu beten.

Es gibt überhaupt keine Vorschriften beim Rosenkranz. Ja, da sind 59 Perlen, da sind vorformulierte Gesätze. Wirkt sehr geregelt und festgelegt. Aber es ist vieles möglich: andere als die 20 gängigen Geheimnisse auswählen, eigene Texte formulieren, die Gedanken schweifen lassen, aufhören, wenn es genug ist.

Benediktinerpater Anselm Grün hat mal zugegeben, er nutze den Rosenkranz gelegentlich als Einschlafhilfe. Na und? Besser als Schlaftabletten. Oder nehmen wir Trainer Zlatko Dalic. Der Rosenkranz in der Hosentasche erinnert ihn handgreiflich daran, dass es wichtigere Dinge gibt im Leben als Fußball. Gut so.

Hubertus Büker