Respekt und eine Perspektive

Image

Einige Obdachlose freuen sich auch in diesem Winter wieder über eine beheizte Bleibe hinter der St. Erich-Kirche. Ehrenamtlich tätige Männer und Frauen unterstützen beim Ausfüllen von Formularen und begleiten zum Jobcenter.

Die Helfer Helmut Murr (re.), Diakon Henry Kirsche (3. v. re.), Olaf Coste (3. v. li.) und Mürüvet Coste mit Bewohnern der Container am Billhorner Röhrendamm
Die Helfer Helmut Murr (re.), Diakon Henry Kirsche (3. v. re.), Olaf Coste (3. v. li.) und Mürüvet Coste mit Bewohnern der Container am Billhorner Röhrendamm. Foto: Norbert Wiaterek

In diesem Jahr sind es 16 Container, die zwischen der katholischen Kirche St. Erich an der Marckmannstraße und dem Billhorner Röhrendamm stehen. In elf beheizbaren Unterkünften – mit jeweils zwei Betten, zwei Spinden, zwei Stühlen und einem Tisch – können insgesamt 22 Obdachlose wohnen. Außerdem gibt es zwei Toiletten- und zwei Personal-Container sowie einen „für den Notfall“, wie es Diakon Henry Kirsche formuliert. „Wenn es sehr kalt wird, schaffen wir weitere Plätze.“

22 Plätze in elf Containern

Die Container auf dem Gelände des Erzbischöflichen Stuhls sind Teil des Winternotprogramms der Stadt Hamburg. Die ersten Bewohner, überwiegend Ost- und Südeuropäer, konnten am 1. November einziehen. Da die Nachfrage größer als das Angebot ist, erfolgt die Zuweisung durch das Diakonische Werk nach einem Losverfahren. „Obwohl die staatlichen beziehungsweise städtischen Stellen besser versorgt sind, sind diese Kirchenplätze begehrter“, weiß Olaf Seidewitz, einer von etwa 20 ehrenamtlichen Helfern des Vereins „Obdachlosenhilfe um den St. Marien-Dom in Hamburg“. „Denn die Obdachlosen dürfen auch tagsüber hier bleiben.“ Es gebe mehr Privatsphäre und weniger Probleme, etwa mit Gewalt, Alkohol und Drogen.

Die Wohncontainer stehen zum dritten Mal hinter der Kirche St. Erich. Die Container­unterkunft war im Jahr 2017 aus der privaten Initiative der Wärmestube für Obdachlose am Berliner Tor hervorgegangen, die nach einem Jahr Übergangsnutzung von leerstehenden Räumen, schließen musste.

Seelische Probleme überwinden

Eine warme Stube im Winter ist wichtig. Ebenso Respekt und eine Perspektive. „Wir wollen, dass die Leute endlich aus ihrem inneren Sumpf herauskommen, einen Weg finden, ihr Leben zu sortieren, sich selbst zu finden und ihre seelischen Probleme zu überwinden“, sagt Diakon Kirsche, der jeden Dienstag eine Andacht anbietet. „Dabei möchten wir gerne helfen. Unsere Medizin, die wir hier anbieten, steht im Matthäus-Evangelium: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“

In der Arbeit mit Obdachlosen gibt es große Herausforderungen. Sie suchen meist Arbeit und eine Wohnung und brauchen Unterstützung bei Behördengängen. Vor allem aber brauchen sie wieder eine geregelte Verbindung in die Gesellschaft. Das wollen die Ehrenamtlichen in Rothenburgsort bieten. Von einem ers­ten Gespräche beim Kaffee über das Ausfüllen von Formularen bis zur Begleitung zu Terminen im Jobcenter und im Arbeitsamt: Die Hilfe ist vielfältig. „Arbeit hebt auch die Würde der Menschen, macht sie selbstbewusster“, weiß Olaf Seidewitz. „Ich schaffe Werte und bin auch etwas wert!“ Henry Kirsche ergänzt: „Arbeiten ist Mithelfen, Mitgestalten an der Schöpfung. Die Menschen sind zur Mitarbeit berufen. Jeder kann etwas, jeder hat eine Begabung.“ Mürüvet Costa, die zum Helferteam gehört, sagt: „Wir möchten das Elend zumindest etwas lindern. Wir wollen, dass die Leute auf eigenen Beinen stehen und in das Leben zurückfinden.“ Wie ihr Ehemann Olaf Coste betont, ist das niedrigschwellige Angebot am Billhorner Röhrendamm „das größte kirchliche Obdachlosenprojekt in Hamburg und wahrscheinlich auch im gesam­ten Deutschland“. Er lobt die Unterstützung durch die Kirchen­gemeinde St. Erich: „Wenn Christen zusammenwirken, ist eine enorme Kraft da.“

Natürlich bleiben auch Probleme nicht aus. In diesem Jahr bereitet unter anderem die Stromversorgung Kopfschmerzen. Eine Stromsäule, die 10 000 Euro kos­tet, ist noch nicht bezahlt. Es fehlen etwa 4 300 Euro. Wer helfen kann, möge sich bei Olaf Seidewitz unter Tel. 040 / 88 93 45 24 melden. Dienstags ab 18.30 Uhr sind Ehrenamtliche an den Containern und beantworten Fragen.

Das Winternotprogramm in Hamburg bietet 780 zusätzliche Schlafplätze für Obdachlose. Der Großteil steht in den Unterkünften Friesenstraße 22 (400 Plätze) und Kollaustraße 15 (250 Plätze) zur Verfügung. Diese Häuser sind täglich von 17 bis 9.30 Uhr geöffnet. Neben diesen beiden Großunterkünften gibt es auch mehrere Wohncontainer in Kirchengemeinden und Hochschulen mit 130 Plätzen. Die Kosten trägt die Stadt, betreut werden die Bewohner durch Ehrenamtliche.

Text u. Foto: Norbert Wiaterek

Zur Sache: Kältebus in Hamburg unterwegs

Seit dem 1. November, täglich von 19 Uhr bis Mitternacht, ist der Kältebus der katholischen Tagesaufenthaltsstätte „Alimaus“ wieder in Hamburg unterwegs, um Obdachlosen in Not zu helfen. Der Volkswagen T5 fährt keine feste Route. Jeder, der einen hilfebedürftigen Obdachlosen sieht, kann den Kältebus unter Tel. 0151 / 65 68 33 68 anrufen – überall in Hamburg und jeden Abend. Die Fahrer suchen dann den Ort auf und bringen die Betroffenen in Notunterkünfte oder statten sie mit warmer Kleidung, Isomatten und Schlafsäcken aus. Auch Kaffee, Tee und heiße Brühe sind an Bord. Die Fahrer sind ehrenamtlich im Einsatz. Der Bus ist in diesem Jahr nicht mehr dunkelrot, sondern grau.